FDP stellt sich personell neu auf: Brüderle soll Homburger im Fraktionsvorsitz ablösen, Rösler will Wirtschaftsminister werden.
Berlin. Am Ende läuft es wohl so, wie es ursprünglich einmal geplant war: Mit einer umfangreichen Personalrochade will der designierte FDP-Parteichef Philipp Rösler seine künftige Machtbasis sichern. Absehbar wird der 38-jährige Niedersachse jetzt doch das Amt von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle übernehmen und sich damit einen lang gehegten Wunsch erfüllen. Nach schwierigen und langwierigen Beratungen in den vergangenen Tagen habe sich die Parteispitze auf diese Variante geeinigt, verlautete gestern Abend aus Kreisen der FDP.
Brüderle soll im Gegenzug Chef der 93-köpfigen Bundestagsfraktion der Liberalen werden - und damit seine Ambitionen auf einen der drei Stellvertreterposten Röslers aufgeben. Vor allem die junge FDP-Garde um den künftigen Parteichef und Generalsekretär Christian Lindner hatte sich gewünscht, dass der 65-Jährige nicht mehr beim anstehenden Parteitag am Wochenende in Rostock für dieses Amt kandidiert, wo das künftige Personaltableau endgültig festgezurrt werden soll.
Bislang hatte Brüderle allerdings an seinem Vize-Posten hartnäckig festgehalten und lediglich den Landesvorsitz in Rheinland-Pfalz abgegeben. An die Spitze des Gesundheitsministeriums soll für Rösler der 34-jährige nordrhein-westfälische Landeschef Daniel Bahr rücken. Ob Bahr dann auch noch wie bisher vermutet Vizevorsitzender der Bundespartei werden kann, gilt als ungewiss.
Was aus der derzeitigen Fraktionschefin Birgit Homburger wird, blieb gestern vorerst unklar. Für sie soll laut Parteikreisen eine gesichtswahrende Lösung gefunden werden. Homburger könnte beispielsweise stellvertretende Parteivorsitzende werden. Auch eine Berufung zur Staatsministerin im Auswärtigen Amt gilt als denkbar. Bei der Postenfindung für Homburger spielt auch der parteiinterne Regionalproporz eine gewichtige Rolle.
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Der baden-württembergische Landesverband, dessen Vorsitzende die Noch-Fraktionschefin ist, soll dem Vernehmen nach weiterhin mit einer bedeutenden Position in der Hauptstadt vertreten sein. Beim Landesparteitag in Stuttgart hatte Homburger am Wochenende noch vor einem Machtverlust in der Bundespartei gewarnt. "Wir müssen den Einfluss der baden-württembergischen FDP auf die Bundespolitik erhalten", wurde in Stuttgart für Birgit Homburger geworben.
Zu den Berichten über Homburgers Ablösung hieß es aus ihrem Umfeld: "Es ist noch nichts entschieden. Die Gespräche dauern an und werden auch am Dienstag fortgesetzt." Klar ist: Die Wechselspiele kommen nur zustande, wenn Homburger tatsächlich auf die Kandidatur zur Fraktionschefin verzichtet. Brüderle sei nur in diesem Fall bereit, das Amt zu übernehmen.
Dabei ist Homburger schon lange umstritten. Der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki - einer ihrer schärfsten Kritiker - hat sie wiederholt zum Rückzug aufgefordert. Homburger wird innerparteilich vor allem eine Mitschuld am desaströsen Abschneiden der FDP bei den Wahlen in den einstigen Hochburgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie am anhaltenden Umfragetief der Bundespartei gegeben.
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Für einen der drei Vize-Posten werden Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die besten Chancen eingeräumt. Sachsens Landeschef Holger Zastrow kann sich auf den Rückhalt der ostdeutschen Landesverbände stützen. Auch seine Kandidatur könnte erfolgreich sein.
Der Machtkampf in den langen Stunden vor der Entscheidung war gestern hinter den Kulissen ausgetragen worden. Eine für den Mittag angesetzte Pressekonferenz Homburgers war erst auf den Nachmittag verschoben und dann gänzlich abgesagt worden. Ein Fraktionssprecher verwies auf weiteren Beratungsbedarf. Tatsächlich war die Entscheidungsfindung alles andere als einfach: Während die Abgeordneten der Fraktion am zweiten Tag ihrer Frühjahrsklausur über Bundeswehrreform und Energiewende diskutierten, wurde auf den Fluren und in den Ecken des Reichstagsgebäudes in kleinen Gruppen geredet, Stimmungen ausgelotet, Chancen abgesteckt. Von einem "Hauen und Stechen" war die Rede. Auch Homburger, Rösler und Lindner zogen sich mehrfach zurück.
Dann streute Röslers Umfeld, der Niedersachse könne selbst einen Kandidaten in die Fraktionswahlen schicken. Dennoch tappten viele liberale Bundestagsabgeordnete den Tag über frustriert im Dunkeln. Obwohl am Sonntagabend überraschend und schnell beschlossen worden war, die Neuwahl des Fraktionsvorstandes bereits am heutigen Dienstag statt erst im Herbst durchzuführen, mochte sich zunächst keiner bereit erklären, gegen Amtsinhaberin Homburger anzutreten.
Röslers Vorstoß, Brüderle zum Fraktionschef zu machen und selbst Wirtschaftsminister zu werden, war selbst im engeren Parteizirkel so kaum noch erwartet worden. Rösler hatte noch am Wochenende in einem Interview gesagt: "Rainer Brüderle steht für eine solide und erfolgreiche Wirtschafts- und Ordnungspolitik im Sinne der sozialen Marktwirtschaft." Und Brüderle selbst hatte bis zuletzt verkündet: "Ich sehe keinen Anlass, warum ich meine erfolgreiche Tätigkeit nicht fortsetzen sollte".