Vor dem Parteitag entbrennt in der FDP der Machtkampf um den Fraktionsvorsitz. Birgit Homburger könnte ihren Posten schnell verlieren.
Berlin. Bei ihrer politischen und personellen Erneuerung drückt die FDP aufs Tempo. Anders als geplant könnte schon morgen auch über das politische Schicksal von Fraktionschefin Birgit Homburger entschieden werden. Der designierte Parteichef, Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, und Homburger hätten sich am Sonntagmittag bei einem Treffen der Fraktionsspitze gemeinsam auf den morgigen Dienstag als Termin verständigt, hieß es aus FDP-Kreisen. Die Erneuerung der Partei und der Fraktion solle parallel erfolgen. Eine "längere Hängepartie" habe man vermeiden wollen, hieß es als Begründung.
"Die FDP hat nur einen Schuss frei, und der muss sitzen", sagte Rösler dem Nachrichtenmagazin "Focus" mit Blick auf die personelle Neuaufstellung. Beim gegenwärtig schlechten Zustand der FDP und anhaltenden Führungsdebatten gilt der anstehende Parteitag am kommenden Wochenende in Rostock für viele Liberale als Zäsur und Wendepunkt. Am Donnerstag will Rösler sein Wunsch-Team vorstellen, mit dem er die Partei aus dem seit Monaten herrschenden Umfragetief hinausführen will. Die Delegierten stimmen auf dem Parteitag dann über die Neuaufstellung von Vorstand und Präsidium ab.
Die jetzt zusätzlich anberaumte Wahl zum Fraktionsvorstand hätte turnusgemäß erst im Herbst angestanden - wegen anhaltend schlechter Umfragewerte und dem Wahldebakel im Südwesten war jedoch auch schon über einen Termin im Juni spekuliert worden. Der Vorstoß von Rösler um Homburger steht allerdings unter Vorbehalt: Erst müssen die 93 FDP-Bundestagsabgeordneten zustimmen. Gestern kamen sie am Nachmittag zu ihrer Frühjahrsklausur zusammen, die bis heute Mittag andauert. Mehrere Abgeordnete, wie der neue rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Volker Wissing, der am Wochenende als Nachfolger von Rainer Brüderle in dieses Amt gewählt wurde, forderten, die Partei müsse schnellstmöglich alle Personalien klären, um die Sacharbeit wieder in den Vordergrund schieben zu können. "Fest steht, dass wir mit unserem Parteitag in Rostock alle Personalfragen beenden müssen", sagte Wissing. Der 65-jährige Bundeswirtschaftsminister Brüderle hatte den Landesvorsitz nach 28 Jahren als Konsequenz aus dem Wahldebakel am 27. März abgegeben, bei dem die FDP den Einzug in den Mainzer Landtag verpasst hatte.
Während die schon länger in der Kritik stehende und nicht unumstrittene Birgit Homburger in den Tagen zuvor klargestellt hatte, weiterhin Fraktionschefin bleiben zu wollen, machte sie hierzu gestern zunächst keine klare Aussage. Vor allem der Denkzettel vom Sonnabend dürfte nachgewirkt haben: Erst im zweiten Wahlgang konnte sie sich bei einem Sonderparteitag ihren Landesvorsitz in Baden-Württemberg ganz knapp gegen einen bundespolitisch unbedeuteten Herausforderer behaupten. Mit einem Wahlergebnis von 5,3 Prozent musste die FDP in ihrem Stammland im Südwesten zuvor herbe Verluste hinnehmen.
Als möglicher Nachfolger für den Fraktionsvorsitz gilt vor allem der Landeschef der NRW-FDP, Daniel Bahr. Die scheidende FDP-Vizevorsitzende Cornelia Pieper rechnet mit Kampfkandidaturen: "Es wird mehrere Kandidaturen geben, soweit ich weiß", sagte sie dem MDR am Rande der Klausur. Dabei gehe sie fest davon aus, dass Homburger erneut antrete.
Auch beim Parteitag am Wochenende in Rostock müssen sich die Delegierten auf Kampfabstimmungen einstellen. Zwar ist die Nachfolge von Noch-Parteichef Guido Westerwelle mit Gesundheitsminister Rösler klar, jedoch wird es auch um die Neubesetzung der Stellvertreterposten gehen. Auf jenen von Brüderle hat etwa Bahr ein Auge geworfen und mehrfach offen seine Kandidatur erklärt. Genauso offen betont Brüderle stets, auf diesem Posten bleiben zu wollen und keineswegs kampflos das Feld zu räumen. Die deutsche Wirtschaft sei "gut in der Spur, der Bundeswirtschaftsminister ist es auch", sagte er am Wochenende.
"Es ist grundsätzlich gut, dass die Delegierten die Wahl haben, wer Stellvertreter von Philipp Rösler wird", sagte die Hamburger FDP-Fraktionschefin Katja Suding dem Abendblatt. "Dass sich mehrere Bewerber für einen Posten bewerben, sollte bei einer demokratischen Partei selbstverständlich sein." Beim anstehenden Parteitag müsse man jetzt "wichtige und vor allem richtige personelle und inhaltliche Entscheidungen treffen." Ein "Schicksalswochenende" stehe der FDP jedoch trotzdem nicht bevor, glaubt Suding.
Die Ausgangslage allerdings könnte schlechter kaum sein: Laut einer Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" glauben derzeit 80 Prozent der Deutschen nicht, dass es Rösler gelingen wird, die Liberalen aus der Krise zu holen. 54 Prozent gehen sogar davon aus, dass die FDP bei den Bundestagswahlen im Herbst 2013 nicht den Einzug ins Parlament schafft.