Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen spricht im Interview über die Lage der SPD, gute Integration und über die Hafenpolitik der Nordländer.
Bremen. Der Bürgermeister brauche noch ein paar Minuten, sagt einer seiner Mitarbeiter - und entschädigt mit einem Rundgang durch das Bremer Rathaus. Erst Senatssaal, dann die Güldenkammer. Weltkulturerbe. Für Jens Böhrnsen sei das Rathaus der schönste Arbeitsplatz, sagt er später. Auch nach der Wahl in Bremen am 22. Mai will der SPD-Politiker dort arbeiten.
Hamburger Abendblatt: Der SPD-Chef Sigmar Gabriel findet, jeder gewählte SPD-Ministerpräsident ist ein denkbarer Kanzlerkandidat. Können Sie Kanzler, Herr Böhrnsen?
Jens Böhrnsen: Ich bin Bremer Bürgermeister und will es am 22. Mai wieder werden. Nur darum geht es mir.
Wäre Gabriel denn ein guter Kanzler?
Böhrnsen: Sicherlich wäre Sigmar Gabriel ein fähiger Kanzler. Er hat in einer schwierigen Situation den Vorsitz der Partei übernommen. Und es ist ihm gelungen, die SPD wieder in die Offensive zu führen. Die Frage des Kanzlerkandidaten stellt sich jetzt nicht.
Spüren Sie Rückenwind aus Berlin?
Böhrnsen: Die SPD lässt sich nicht durch Berichte von außen auseinanderdrängen in Landesverbände und Bundespartei. Wir können nur gemeinsam gewinnen. Richtig ist, dass die SPD mit der bundesweiten Akzeptanz bei den Menschen nicht zufrieden sein kann.
Was muss besser werden?
Böhrnsen: Es hilft nicht, wenn wir uns darüber beklagen, dass Energiewende und Atompolitik im Kern die Themen der Grünen sind. Die SPD muss ihr eigenes Profil schärfen. Die SPD bringt wirtschaftliches Wachstum, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Ökologie in Einklang. Das ist unsere Stärke.
Offenbar sehen viele diese Stärke nicht.
Böhrnsen: Wir wollen in Bremen unseren Beitrag für eine starke SPD leisten. Die schwarz-gelbe Bundesregierung bietet derzeit allen Anlass, dass sie von der Opposition mit Alternativen attackiert wird. Ob in der Gesundheitspolitik, bei der Arbeitsmarktpolitik oder der Vernachlässigung der Städte und Gemeinden. Da muss die Bundes-SPD einen klaren Gegenpol zu Schwarz-Gelb bieten. Sie darf sich nicht nur auf die Energiepolitik konzentrieren.
Die SPD hat sich beim Versuch, den früheren Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen, blamiert. Was hätte besser laufen müssen?
Böhrnsen: Ich habe keinen Anlass, das Verfahren vor der Schiedskommission zu kritisieren. Das war ein rechtlich ordentliches Verfahren. Aber Sarrazins Thesen sind für unsere Anstrengungen für eine bessere Integration von Migranten kontraproduktiv. Sein Buch hilft nicht, um die Herausforderungen der Zuwanderung zu verstehen.
Ihnen wäre es lieber, Sarrazin wäre nicht mehr in der SPD?
Böhrnsen: Entscheidend ist, dass er für seine Thesen keine Mehrheit in der SPD hat. Wir können aus dem Fall Sarrazin lernen, dass eine Partei durch ein Ausschlussverfahren nur selten eine inhaltliche Auseinandersetzung beenden kann.
Wie gelingt gute Integration?
Böhrnsen: Vor allem durch Sprachförderung. Wir haben in Bremen eine verpflichtende Erhebung der Sprachkenntnisse ein Jahr vor Beginn der Grundschule mit anschließender Sprachförderung eingeführt. Kinder mit Migrationshintergrund müssen schon in der Kindertagesstätte anfangen, Deutsch zu lernen.
Glaubt man den Umfragen, liegen die Grünen in Bremen nun schon vor der CDU. Wird Ihnen allmählich bange?
Böhrnsen: Ganz und gar nicht. Ich finde es gar nicht schlecht, dass mehrere Parteien um den zweiten Platz in Bremen kämpfen. Der erste Platz scheint doch unstreitig an die SPD vergeben zu sein.
Sie fürchten also nicht, dass die Grünen die SPD als linke Volkspartei ablösen?
Böhrnsen: Die Grünen sind weit weg von einer Volkspartei. Sie vertreten nur ein bestimmtes Klientel. Der Grünen-Wähler hat im Durchschnitt das höchste Einkommen und den höchsten Bildungsstand. Eine Volkspartei muss aber zum Beispiel auch die Arbeiter am Fließband der Autohersteller vertreten. Das ist die große Stärke der SPD.
Die SPD regiert nun wieder in Hamburg. Welche Projekte zwischen den beiden Hansestädten stehen künftig im Fokus?
Böhrnsen: Bremen und Hamburg haben vielfältige gemeinsame Interessen, auch in der Hafenpolitik, auch wenn die Häfen zugleich in Konkurrenz zueinander stehen. Aber wir müssen die Interessen unserer Städte und die norddeutschen Interessen gemeinsam bei der Bundesregierung durchsetzen. Es ist ein Skandal, dass Schwarz-Gelb die Küstenländer so wenig wie nie zuvor beim Ausbau der Hafen-Infrastruktur unterstützt. Wir haben in Bremerhaven gerade für 233 Millionen Euro eine Schleuse gebaut, damit die deutsche Autoindustrie von dort in die Welt exportieren kann. Das machen wir nicht nur für uns, sondern für den Standort Deutschland. Da erwarte ich mehr finanzielle Hilfe vonseiten der Regierung in Berlin.
Brauchen Hamburg, Bremen und Niedersachsen mit dem JadeWeserPort ein norddeutsches Hafenkonzept?
Böhrnsen: Das ist wichtig, denn wir stehen vor allem im Wettbewerb mit Häfen in Rotterdam und Antwerpen. Dies hat die Regierung von Union und FDP noch nicht ausreichend erkannt. Noch immer geht das Gros der Investitionen in Verkehrsverbindungen und Infrastruktur in den Süden Deutschlands.
Fehlt es auch an Investitionen in den Ausbau der Windenergie, die ja eine Säule der Wirtschaft im Norden ist?
Böhrnsen: Ohne einen Ausbau der Stromnetze werden wir die Energiewende nicht vollziehen können. Bund und Länder wollen fünf Milliarden Euro für die Infrastruktur in die Windenergie aufbringen. Das wird nicht ausreichend sein. Ich erwarte weitere finanzielle Unterstützung beim Ausbau der Windenergie durch die Bundesregierung. Die Energiewende darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein.
Wann muss das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen?
Böhrnsen: Mindestens müssen wir zurückkehren zum rot-grünen Ausstiegsbeschluss. Besser wäre ein Datum, das vor dem Jahr 2020 liegt.
Als Horst Köhler zurücktrat, waren Sie für einen Monat Bundespräsident. 2015 wird das nächste Staatsoberhaupt gewählt. Sind Sie auf den Geschmack gekommen?
Böhrnsen: Sie haben ja das Rathaus hier in Bremen kennengelernt. Das ist der schönste Arbeitsplatz.
Schloss Bellevue kann da nicht mithalten?
Böhrnsen: So weit würde ich nicht gehen. Aber ich bin begeisterter Bremer und habe hier meine Aufgabe gefunden.