Nach der Bundestagswahl hat sich kein Politiker so über sein Amt gefreut wie er. Außenminister zu sein, ist jetzt kein Traumjob mehr.
Berlin. Wohl kaum einer hat sich nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 so auf seinen Kabinettsposten gefreut wie Guido Westerwelle. Endlich Außenminister! Angekommen in der großen Tradition der liberalen Vorgänger Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel! Der Jurist aus dem rheinischen Bad Honnef erzählte damals jedem, der es hören wollte, dass er nun am Ziel seiner Träume angekommen sei.
Seitdem ist gerade einmal ein halbes Jahr vergangen, aber der "Spaß an de Freud'", wie die Rheinländer zu sagen pflegen, ist dahin. Wer Westerwelle beobachtet, kann immer mehr Haarrisse in der notorisch guten Laune des FDP -Vorsitzenden und Vizekanzlers erkennen. Der Grund liegt auf der Hand: Der vermeintliche Traumjob ist keiner mehr. Mit dem Vollzug der deutschen Einheit hat er einen Großteil seiner einstigen Bedeutung eingebüßt. Dazu kommt, dass der Spagat, den der 48-Jährige nun täglich absolvieren muss, quasi unmöglich ist. Von ihrem Außenminister erwarten die Deutschen ein unparteiisch-distinguiertes Auftreten, und zu diesem Bild passt das bissige Verhalten des Parteivorsitzenden nicht, der im Winter meinte, die Hartz-IV-Empfänger sollten wenigstens mal Schnee schippen. Westerwelle selbst scheint diese Diskrepanz zu spüren, kann sie aber nicht aufheben, solange er sich nicht entschließt, den Parteivorsitz aufzugeben. Diese Möglichkeit hat Westerwelle am Montag, als die schwarz-gelbe Bundesregierung ihre große Steuerreform beerdigte, aber nachdrücklich ausgeschlossen.
Trotzdem kann er nicht verhindern, dass in seiner eigenen Partei über mögliche Nachfolger nachgedacht wird. Im Berliner Thomas-Dehler-Haus gibt es inzwischen einige, die bedauern, dass die beiden Senkrechtstarter der FDP - Generalsekretär Christian Lindner und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler - mit ihren 31 beziehungsweise 37 Jahren einfach noch zu jung und unerfahren sind.
Auch im Auswärtigen Amt nimmt die Unzufriedenheit zu. Der Minister fremdele mit seinen Aufgaben, heißt es am Werderschen Markt. Als der "Spiegel" den Minister nach seiner Afrikareise im April als "Teilzeit-Diplomaten" bezeichnete, war das vielen Beamten aus dem Herzen gesprochen. Sie haben das Gefühl, dass sich der neue Bundesaußenminister nur selten wirklich für ein Thema interessiert. Polen war die Ausnahme. Allerdings kam Westerwelles Versprechen, er werde zu verhindern wissen, dass die jenseits von Oder und Neiße verhasste Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach in der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" etwas zu sagen habe, nur in Warschau gut an. In Berlin wurde das Vorpreschen des Außenministers als ein Gefallen-Wollen um jeden Preis gewertet.
Guido Westerwelle ist ein geborener Innenpolitiker, der unbedingt Bundesaußenminister werden wollte. Teils, weil er unbedingt seinem Mentor Genscher nachfolgen wollte, teils, weil das Etikett "Vizekanzler" an das Ressort gekoppelt ist. Ein Titel, der in Wahrheit keiner ist, sondern einst für den kleineren Koalitionspartner erfunden wurde.
Nach Uruguay oder Tansania darf der Außenminister reisen, die wichtigen außenpolitischen Aufgaben erledigt die Kanzlerin selbst. Und nichts ist zurzeit wichtiger als die EU. Aber auf dieser Bühne spielt Westerwelle keine Rolle. Das hätte er wissen können: Der Lissabon-Vertrag, der verfügt, dass nur noch die Regierungschefs an den europäischen Gipfeln teilnehmen und nicht mehr die Außenminister, ist zum 1. Dezember 2009 in Kraft getreten.
In der FDP hofft man inzwischen auf eine Kabinettsumbildung. Am liebsten sähen die Liberalen Guido Westerwelle im Finanzministerium. Aber sie wissen selbst am besten, dass dieser Zug - auf den Westerwelle eventuell im Oktober hätte aufspringen können - längst abgefahren ist.