Der Außenminister soll bei Reisen ihm nahe Manager mitnehmen - Niebel zieht die Höhe des Entwicklungsetats in Zweifel. Die Opposition tobt.
Hamburg. Mit Außenminister Guido Westerwelle und Entwicklungsminister Dirk Niebel sind am Wochenende gleich zwei von der FDP gestellte Bundesminister in die Kritik geraten. Von Westerwelle fordert die Opposition Aufklärung, ob er bei seinen Auslandsreisen Manager von Unternehmen mitnimmt, die für die FDP gespendet haben. Niebel wiederum hatte in einem Interview des "Hamburger Abendblatts" die Höhe der Entwicklungsausgaben in Zweifel gezogen und warf dafür sowohl innerhalb der schwarz-gelben Regierungskoalition als auch bei der Opposition auf Widerstand gestoßen.
Das Außenministerium wies am Sonntag die von den Grünen und der Linken erhobenen Vorwürfe von der „Interessenvermengung“ als tendenziös und haltlos zurück. Über die Zusammensetzung von Wirtschaftsdelegationen werde im Außenministerium von allen Amtsinhabern „in einem eingespielten Verfahren“ entschieden. Westerwelle ist gerade auf einer einwöchigen Lateinamerika-Reise unterwegs. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach von einer „billigen Kampagne“ gegen den FDP-Vorsitzenden.
Unter Hinweis auf einen „Spiegel“-Artikel verlangte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, Klärung, „ob es hier unzulässige Zusammenhänge und Einflussnahmen gegeben hat“. Linke-Vize-Fraktionschef Ulrich Maurer sieht Westerwelles Vorgehen sogar an der Grenze zum Amtsmissbrauch. Kritisiert wird von der Opposition auch eine pompöse Eröffnung eines Luxushotels mit Westerwelle in dessen Wahlkreis Bonn. Die Veranstaltung wurde nach dem „Spiegel“-Bericht von Westerwelles Lebenspartner Michael Mronz mitorganisiert. An der Werbeaktion nahmen auch der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) sowie weitere Politiker teil. Westerwelle erschien als Abgeordneter seines Wahlkreises. Honorar habe er dafür nicht bekommen, zitiert der „Spiegel“ Westerwelle und Mronz.
Entwicklungsminister Dirk Niebel wiederum hatte in dem Abendblatt-Interview die Verpflichtung in Frage gestellt, die deutsche Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. „Wir müssen mit unseren Partnern diskutieren, ob das Volumen oder die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe die entscheidende Größe ist“, sagte Niebel. „Ich halte die Wirksamkeit für entscheidend.“ Die Bundesregierung stehe zwar zu dem 0,7-Prozent-Ziel, doch werde es „sehr sportlich, es zu erreichen“.
+++ DAS INTERVIEW MIT MINISTER NIEBEL IM WORTLAUT +++
Niebel räumte ein: „Das Zwischenziel für 2010, nämlich 0,51 Prozent, werden wir verfehlen.“ Um es zu erfüllen, hätte der Entwicklungsetat um dreieinhalb Milliarden Euro aufgestockt werden müssen. „Dieses Geld hätte mir Finanzminister Schäuble niemals gegeben“, sagte Niebel. Im Haushaltsausschuss des Bundestages sei nun eine Steigerung um etwa 250 Millionen Euro vereinbart worden. Damit liege der Entwicklungshaushalt für 2010 bei 6,1 Milliarden Euro.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisierte Niebels Aussagen als Bruch von internationalen Verpflichtungen Deutschlands: „Mit diesen Plänen bricht Niebel gleich mehrere internationale Zusagen zur Steigerung der Mittel für die Bekämpfung von Hunger und Armut, die die Bundesregierung bei mehreren EU- und UN-Gipfeltreffen getroffen hat“, so Nahles. „Dieser Minister hat keinerlei Verständnis von und für sein Amt und ist einfach untragbar.“ Die Linken-Abgeordnete Niema Movassat warf dem FDP-Politiker vor: „Minister Niebel wandelt das Entwicklungsministerium schrittweise zu einem Mix aus Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium um.“
Grünen-Chefin Claudia Roth hatte zuvor Niebel scharf attackiert, weil dieser die geplante Steigerung der Entwicklungsausgaben in Zweifel gezogen hatte. Niebel betätige sich „als Abrissbirne nachhaltiger Entwicklungspolitik“, sagte Roth dem "Hamburger Abendblatt". „Erst betreibt er eine radikale Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit, jetzt wirft er ohne jegliche Gegenwehr von sich aus ein international hart erkämpftes Mindestziel einfach so über Bord." Roth hielt Niebel vor, ihm sei „nicht nur die dramatisch anwachsende globale Hungerkrise vollkommen wurscht“, er habe auch die Zeichen der Zeit nicht begriffen. „Denn in einer globalisierten Welt wird es uns hart auf die Füße fallen, wenn die Entwicklungszusammenarbeit nichts mehr gilt“, mahnte die Grünen-Chefin.
Roth nahm nach dem Niebel-Interview auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Visier. Sie breche ihr Versprechen, das 0,7-Prozent-Ziel für die Entwicklungsausgaben bis 2015 zu erreichen. Schwarz-Gelb beerdige internationale Verpflichtungen still und heimlich, kritisierte Roth. „Steuersenkungen für Hoteliers und Besserverdienende haben offensichtlich Vorrang.“
Niebel – selbst Oberst der Reserve – war zuletzt heftig kritisiert worden, weil er einigen FDP-Parteifreunden wichtige Posten in seinem Ministerium verschafft hatte. Dazu zählt auch Oberst a.D. Friedrich Eggelmeyer, der zuvor jahrelang außen- und sicherheitspolitischer Berater der FDP-Bundestagsfraktion gewesen war. „Er ist ein hervorragender Kenner der Entwicklungszusammenarbeit. Außerdem beherrscht er die Sprache der Bundeswehr so, dass mein Ministerium vernünftig mit den Streitkräften zusammenarbeiten kann“, begründete Niebel im „Abendblatt“-Interview die Personalentscheidung.
Weitere Kritik zog Niebel mit neuen Reiseplänen auf sich: Der tourismuspolitische Sprecher der Grünen, Markus Tressel, wirft dem Minister vor, mit einer „entwicklungspolitischen Delegationsreise“ im Juni nach Afrika einen Besuch der Fußball-WM in Südafrika tarnen zu wollen. Tressel bezieht sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen, wonach die Niebel-Reise „möglicherweise auch nach Südafrika führen wird“. Die Reiseplanung im Ministerium sei aber noch nicht abgeschlossen, wie eine Sprecherin am Sonntag sagte.