Bis zur NRW-Wahl hatte Schwarz-Gelb eine knappe Mehrheit im Bundesrat. Doch nun ändern sich die Machtverhältnisse. Der Vermittlungsauschuss wird wichtiger.
Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen, durch die Schwarz-Gelb die Mehrheit im Bundesrat verloren hat, gewinnt der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Länderkammer wieder an Bedeutung. Denn ohne Kompromisse mit den Ländern kann die schwarz-gelbe Koalition künftig kaum noch ein wichtiges Gesetzesvorhaben durchsetzen. Das ist eine neue Situation für die schwarz-gelbe Koalition, in der Geschichte der Bundesrepublik ist diese Situation aber keineswegs eine Seltenheit. Auch die Vorgänger von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) – mussten sich oft mit der Länderkammer arrangieren.
Kohl konnte die meisten seiner Vorhaben zwar lange ohne große Probleme durch den Bundesrat bringen, doch das änderte sich mit der Zeit. Als er 1992 eine Mehrwertsteuererhöhung durchsetzen wollte, stellte er den Ländern kurzerhand Nachbesserungen in Aussicht, von denen diese finanziell profitieren sollten. So „erkaufte“ sich Kohl die Zustimmung Brandenburgs unter dem damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD). Nach der Wahl von Oskar Lafontaine zum SPD-Chef war es mit derlei Absprachen vorbei. Fortan machte die SPD-Dominanz in der Länderkammer Kohl das Leben schwer: So scheiterte Kohls schwarz-gelbe Regierung 1997 mit der damals geplanten Steuerreform. Bei anderen Vorhaben wie dem 1998 beschlossenen Großen Lauschangriff führte eine Beratung im Vermittlungsausschuss zum Erfolg.
Für die rot-grüne Koalition unter Schröder waren die Beratungen im Vermittlungsausschuss schon fast Routine-Geschäft. Im Jahr 2000 brauchte die Koalition die Unterstützung der Länderseite, um die damalige Steuerreform durchzusetzen. Die sah eine Senkung des Spitzensteuersatzes vor, und ausgerechnet die damals in Rheinland-Pfalz mitregierende FDP wurde dafür mit ins Boot geholt. Die Liberalen setzten durch, dass der Spitzensatz stärker gesenkt wurde, als es Rot-Grün damals wollte – nämlich auf die bis heute gültige Höhe von 42 Prozent.
In der zweiten Legislaturperiode von Rot-Grün wurde es nach einer Serie verlorener Landtagswahlen noch härter für die damalige Koalition: Zwischen 2002 und 2005 landete ein Viertel der Gesetze im Vermittlungsausschuss. Das bekannteste Paket, das unter diesen Umständen zustande kam, waren die Ende 2003 verabschiedeten Hartz-IV-Regelungen. Merkel lernte als damalige Oppositionsführerin so die Machtfülle der Länderkammer kennen.
Seit Bildung der großen Koalition 2005 führte der Vermittlungsausschuss, dem je 16 Vertreter von Bundestag und Bundesrat angehören, fast ein Mauerblümchendasein: Die seit 2005 regierende große Koalition hatte bis zur Hessen-Wahl Anfang 2009 eine Mehrheit in der Länderkammer, ebenso wie die schwarz-gelbe Regierung sie seit ihrem Amtsantritt hatte. Im Vermittlungsausschuss landeten somit nur Themen, bei denen es um spezifische Länderinteressen ging: Dazu gehörte etwa der Bund-Länder-Streit über die Unterkunftskosten von Hartz-IV-Empfängern.
Künftig dürfte es mit den ruhigen Tagen des Vermittlungsausschusses vorbei sein. Auch wenn Merkel die bislang geplante Steuerreform erst einmal zu den Akten gelegt hat, bleiben den Vertretern von Bund und Ländern noch genügend Streitthemen. Dazu gehört die von Schwarz-Gelb geplante Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke und die Gesundheitsreform. Einem Bericht zufolge soll in der Regierung bereits an einer abgespeckten Version der Gesundheitsreform gebastelt werden – für die eine Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich sein soll. Dann hätte wohl auch der Vermittlungsausschuss damit nichts mehr zu tun.