Die syrische Opposition macht sich zur Machtübernahme bereit. Doch Präsident Assad will nicht gehen. Lage im Land spitzt sich zu.
Istanbul/Doha. Nach 20 Monaten Dauerkonflikt in Syrien haben sich die zerstrittenen Regimegegner zusammengerauft und einen gemeinsamen Oppositionsblock gebildet. Am Donnerstag wurden in Katars Hauptstadt Doha 40 Aktivisten in das neue Gremium gewählt, das die gesamte syrische Opposition künftig vertreten und nach einem Sturz von Präsident Baschar al-Assad eine Übergangsregierung bilden soll. Der Machthaber ließ jedoch wissen, dass er freiwillig nicht weichen werde.
In einem Interview des englischsprachigen Fernsehsenders Russia Today machte Assad deutlich, dass er nicht vorhabe, ins Exil zu gehen. Er sei Syrer und keine Marionette des Westens, sagte er. „Ich muss in Syrien leben und sterben.“ Zugleich warnte der Präsident vor einem Domino-Effekt im Falle einer ausländischen Militärintervention. „Der Preis wäre zu hoch, als dass die Welt sich das leisten könnte.“ Zuvor hatte sich der britische Premier David Cameron dafür ausgesprochen, Assad eine sichere Ausreise aus Syrien zu ermöglichen.
Die Opposition debattierte weiter über die künftige Führungsstruktur der vereinten Opposition. Wegen andauernder Streitigkeiten wurde nach Angaben aus Teilnehmerkreisen die Wahl der Führung immer wieder verschoben und ist nun am Freitag geplant. In den vergangenen Tagen hatte es regelmäßig Streit zwischen den verschiedenen Gruppen gegeben. Grund ist vor allem, dass der im Exil gegründete Syrische Nationalrat (SNC) seine Vormachtstellung nicht zugunsten von Aktivisten aus Syrien aufgeben will. Unter der Vermittlung Katars erfolgte schließlich immerhin die Abstimmung über das 40-köpfige Gremium.
Die genaue Zusammensetzung und Ausrichtung des Oppositionsblocks war zunächst nicht bekannt. Zwei Frauen zogen laut Aktivisten erst nach massiver Kritik an der Dominanz der Männer in das Gremium ein. Auch radikale Islamisten sollen zur neuen Vertretung gehören. An der Konferenz nahmen demnach auch Mitglieder der Al-Nusra-Front teil, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehen.
Der britische Außenminister William Hague appellierte an die syrische Opposition, nun endlich zusammenzuarbeiten. Je länger der Konflikt andauere, umso größer werde die Gefahr, dass Extremisten an Einfluss gewinnen, warnte er bei einem Besuch in Neu Delhi.
In Syrien gingen die Kämpfe weiter. Die Gewalt machte erneut auch an den Landesgrenzen nicht halt. Drei Granaten schlugen nach israelischen Angaben auf den Golanhöhen ein. Eine Armeesprecherin sagte, es handele sich um fehlgeleitete Geschosse. Es habe weder Opfer noch Schäden gegeben. Israel hatte die Golanhöhen 1967 von Syrien erobert. Erst am Samstag waren drei syrische Kampfpanzer in die Zone eingedrungen, in der sich nach dem Waffenstillstandsabkommen von 1974 nur UN-Truppen aufhalten dürfen. Ein israelisches Armeefahrzeug war am Montag von verirrten Kugeln getroffen worden.
An der türkisch-syrischen Grenze wurden zwei türkische Zivilisten von Querschlägern verwundet. Die Kugeln seien bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellen über die Grenze geflogen, berichtete die Zeitung „Today’s Zaman“ in ihrer Online-Ausgabe. Die türkische Armee verstärkte ihre Präsenz.
Hilfsorganisationen schlugen Alarm: Trotz unermüdlicher Einsätze der Nothelfer gebe es in Syrien „viele weiße Flecken“, wo keine Hilfeleistungen möglich sind, warnte der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, in Genf. Insgesamt habe sich die Situation der Bevölkerung „dramatisch“ verschlechtert. Viele Menschen seien von medizinischer Hilfe und Lebensmittellieferungen völlig abgeschnitten.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind mittlerweile bis zu 2,5 Millionen Syrer auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als 36 000 Menschen kamen nach Angaben von Aktivisten im Bürgerkrieg ums Leben.