Lakhdar Brahimi warnt vor einem Vormarsch der Milizen und dem Zerfall des Staates. Die Konfliktparteien in Syrien ruft er zum Handeln auf.
Istanbul/Beirut (dpa) – Syrienvermittler Lakhdar Brahimi hat die Konfliktparteien in dem Bürgerkriegsland aufgefordert, dringend eine politische Lösung zu suchen. „Wenn das Problem nicht richtig angegangen wird, besteht die Gefahr eines neuen Somalias in Syrien“, sagte der algerische Krisendiplomat in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der arabischen Tageszeitung „Al-Hayat“. Das bedeute nicht die Spaltung, sondern den Zerfall des Staates, den Vormarsch von Kriegsherren und Milizen. Die Opposition beriet derweil bei einer mehrtägigen Konferenz in Katar über eine vereinte Führung.
In Doha soll ein neues Gremium von 50 Oppositionellen gebildet werden. Später soll daraus eine Übergangsregierung hervorgehen. Allerdings sind die Regimegegner zutiefst zerstritten. Daher ist noch offen, ob es überhaupt einen gemeinsamen Beschluss geben wird. Seit Beginn des Konflikts im März 2011 sind in Syrien mehr als 36 000 Menschen getötet worden.
Der britische Premierminister David Cameron sprach sich dafür aus, Syriens Präsidenten Baschar al-Assad eine sichere Ausreise aus dem Land zu ermöglichen. In einem Interview des Nachrichtensenders Al-Arabija sagte er, alles was zu einem Übergangsprozess in Syrien führen könnte, sollte getan werden. Cameron betonte, er biete Assad sicherlich keinen Ausweg nach Großbritannien an. Auch würde er ihn lieber vor einem internationalen Gericht sehen. „Aber wenn er gehen will, sollte er gehen können. Das wäre zu arrangieren.“
Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte vor einem Blutbad in Syrien und sprach sich für eine Waffenruhe aus. Bei einem Besuch der jordanischen Hauptstadt Amman warf er den Regimegegnern, die den Dialog mit Assad verweigern, vor, das Blutvergießen fortsetzen und Syrien zerstören zu wollen.
Auch am Dienstag dauerten die Kämpfe weiter an. Nach Angaben von Aktivisten wurden landesweit mindestens 100 Menschen getötet. In einem Vorort von Damaskus explodierten am Abend drei Bomben. Mutmaßliche Regimegegner ermordeten in der Hauptstadt zudem den Bruder des syrischen Parlamentspräsidenten Dschihad al-Laham.
In der Provinz Idlib wurden laut Opposition mindestens zwölf Soldaten bei Bombenanschlägen getötet. Sieben syrische Generäle flüchteten in die Türkei. Damit seien inzwischen mehr als 40 Generäle aus dem Nachbarland in der Türkei, berichteten türkische Medien.
Auf den Golan-Höhen gab es erneut einen Zwischenfall: Ein Fahrzeug der israelischen Armee wurde am Montag auf Patrouillenfahrt von Kugeln aus Syrien getroffen. Das Fahrzeug sei beschädigt worden, aber es habe keine Opfer gegeben, sagte eine Armee-Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Alles deute darauf hin, dass es sich um verirrte Kugeln bei Kämpfen im Grenzgebiet zwischen der regulären syrischen Armee und syrischen Rebellen gehandelt habe. Erst am Sonnabend waren drei syrische Kampfpanzer in die Zone eingedrungen, in der sich nach dem Waffenstillstandsabkommen von 1974 nur Uno-Truppen aufhalten dürfen.