Geschäftsmodell Kidnapping: Die Hamas könnte nach dem Gefangenenaustausch von Gilad Schalit noch gewalttätiger werden.

Tel Aviv/Berlin. Ist er es wirklich? Ist er gesund? Und was sind seine ersten Worte? Der von der radikalislamischen Hamas nach fünf Jahren Geiselhaft freigelassene israelische Panzersoldat Gilad Schalit, jetzt 25 Jahre alt, musste auch bei seiner Rückkehr in seine Heimat einen wahren Marathon an Untersuchungen und Fragen überstehen. Dann traf er auf dem Luftwaffenstützpunkt Tel Nof endlich seine Familie. Schalit wurde im Austausch für Hunderte und später mehr als 1000 palästinensische Gefangene übergeben. Das feierten die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland frenetisch.

Und während Schalit bleich und schwach sagte, er sei zuversichtlich gewesen, dass er freigelassen werde und freue sich auf seine Familie, warnte ein Experte: Der Gefangenenaustausch zwischen Israel und den Palästinensern könnte die Hamas zu weiteren Entführungen ermuntern. „Ich glaube, das Modell hat sich als erfolgreich für die Hamas erwiesen“, sagte der Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, im ZDF. Nach Ansicht von Perthes war Schalit möglicherweise bereits mit diesem Ziel gekidnappt worden. „Wenn man jemanden entführt in diesen Auseinandersetzungen im Nahen Osten“, sagte Perthes, „dann will man einen Preis dafür haben.“ Ein Zeichen für Entspannung in Nahost sei der Gefangenenaustausch daher eher nicht.

Auch der der israelische Historiker und Journalist Tom Segev nannte den Austausch eines einzelnen Soldaten gegen etwa 1000 Palästinenser nicht unumstritten. Die Hälfte der nun freigelassenen Palästinenser seien „wirklich üble Mörder“, betonte der Historiker im Deutschlandradio Kultur. „Das ist nicht einfach für die Familien von den Terroropfern. Viele von ihnen, nicht alle, sind dagegen.“

Um den Austausch habe sich in Israel fast schon eine Hysterie entwickelt, sagte Segev. „Die ganze Sache ist zu einer fast national-religiösen Affäre geworden.“ Der Familie des Soldaten sei es gelungen, den Namen „Tag für Tag“ in den Nachrichten zu halten: „Sie haben sehr, sehr starken und intelligenten Druck ausgeübt.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hofft nach der Freilassung Schalits auf neue Bewegung im Nahost-Friedensprozess. Merkel äußerte sich erleichtert über das Ende des Geiseldramas nach mehr als fünf Jahren. Insbesondere dankte sie nach Angaben des Regierungssprechers Steffen Seibert Ägypten für die Vermittlung zwischen Israelis und Palästinensern. Auf die deutsche Mitwirkung ging sie nicht ein. Ein deutscher BND-Agent soll beim Austausch vermittelt haben. Die indirekten Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern sollen nach mehr als einjähriger Pause nächste Woche wieder aufgenommen werden. (abendblatt.de/dpa/dapd)