Maher, Bruder des syrischen Präsidenten Baschar, gilt als grausamer Drahtzieher der militärischen Gewalt. Der Iran ist auch involviert.
Hamburg. Im Oktober 1999 geriet ein junger Mann in Damaskus mit seinem Schwager in Streit. Er zog eine Pistole und schoss dem anderen kaltblütig in den Bauch. Es wäre nur eine Kriminette ohne Bezug zur aktuellen Lage in Syrien, würde es sich bei dem Schützen nicht um den jüngsten Sohn des damaligen Präsidenten Hafiz al-Assad handeln - also um den Bruder des jetzigen syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Es ist Maher al-Assad, der jene Truppen befehligt, die derzeit aufrührerische Städte wie Dschisr al-Schoghur erobern und terrorisieren.
In der Provinz Idlib, in der auch Dschisr al-Schoghur liegt, drangen gestern syrische Truppen mit Dutzenden Panzern vor, erreichten die Stadt Maarat al-Numan und näherten sich der türkischen Grenze. Mehrere syrische Ortschaften wurden besetzt. Offenbar will das Regime verhindern, dass die Opposition - wie die libysche in Bengasi - einen Stützpunkt errichten kann.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan rief Baschar al-Assad zum Gewaltverzicht auf und forderte einen Zeitplan für Reformen. Mittlerweile sind mehr als 8500 syrische Flüchtlinge in türkischen Auffanglagern an der Grenze angekommen. Tausende weitere harren noch auf syrischer Seite aus. Sie befürchten, dass sie von Regimetruppen getötet werden, falls sie aus dem Lande fliehen und später zurückkehren wollen. Flüchtlinge berichteten, dass Assads Soldaten Felder anzündeten und Tiere töteten.
Drahtzieher der Gewalt ist offenbar Maher al-Assad. Der gelernte Offizier gilt als zweitmächtigster Mann in Syrien - und als dunkle Version des sich aufgeklärt gebenden Augenarztes Baschar. Ursprünglich sollte Maher 1994 nach dem Unfalltod des ältesten Bruders Basil, der Liebling des Vaters und designierter Nachfolger, die Kronprinzenstelle einnehmen. Doch seine Impulsivität und sein Hang zur Grausamkeit ließ selbst die wenig zimperliche syrische Führung davor zurückschrecken - sie wählte Baschar. Maher ähnelt erschreckend den von US-Truppen erschossenen Söhnen des gestürzten und hingerichteten irakischen Tyrannen Saddam Hussein, Udai und Kusai.
Nun dient Maher seinem Bruder Baschar und räumt ihm dessen Gegner aus dem Weg. Maher al-Assad, so heißt es, mache Handyfotos von verstümmelten Leichen, sei ein brutaler Schläger und am Mord an dem liberalen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik al-Hariri beteiligt gewesen. Der 43-jährige Maher befehligt die elitäre 4. Panzerdivision sowie die dem Regime treu ergebene Republikanischen Garde und hat viel Einfluss in Geheimdienstkreisen. Mit seinem Schwager, General Assef Shawkat, den er niederschoss, Ehemann seiner Schwester Bushra, verbindet ihn angeblich eine Männerfreundschaft.
Sollte er tatsächlich an dem Mord an Hariri beteiligt gewesen sein, so stünde dieses Attentat ohne Zweifel im Zusammenhang mit der engen Bindung des Assad-Regimes an die Mullahs in Teheran. Der dem Westen zugeneigte Libanese Rafik al-Hariri war eine Bedrohung für die vom Iran und von Syrien finanzierte und ausgebildete Hisbollah-Miliz, die heute im Libanon die militärisch stärkste Kraft ist.
Und der Iran ist in Syrien direkt involviert. Die "Washington Post" meldete, Teheran liefere Damaskus Waffen, Helme, Knüppel und Überwachungstechnik. Wie der "Spiegel" schrieb, würden Experten bei Einsätzen der syrischen Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle Methoden erkennen, die iranische Behörden seit Langem anwenden.
Das Mullah-Regime will verhindern, dass seine Allianz mit Syrien, dem wichtigsten arabischen Verbündeten, zerstört wird - etwa indem im Zuge der Revolte eine womöglich iranfeindliche Führung in Damaskus an die Macht gelangt. Wie der Londoner "Guardian" berichtete, sollen sich Hunderte Angehörige der berüchtigten Al-Kuds-Brigaden, der Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, in Syrien aufhalten. Die Al-Kuds-Brigaden hatten auch jene Hisbollah-Kämpfer trainiert, die Israels Armee im Libanon-Krieg 2006 erbitterten Widerstand leisteten.
Wie die "New York Times" gestern schrieb, wächst die Angst vor einem Bürgerkrieg zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen - nicht nur zwischen Armee und Rebellen, sondern auch zwischen der Mehrheit der Sunniten und der Minderheit der Alawiten, zu denen das Assad-Regime zählt. "Wir sehen Elemente einer bewaffneten Opposition quer durch Syrien", sagte ein US-Regierungsbeamter.