Arabien muss seine Revolutionen selber ausfechten.
Der französische Kaiser Napoleon Bonaparte, der die Revolution von 1789 begrüßte, um sich ein Jahrzehnt später zum Alleinherrscher aufzuschwingen, definierte eine Revolution als jenen Moment, in dem Meinung auf Bajonette trifft.
Als der Umsturz in der arabischen Welt zügig und recht unblutig zwei Tyrannen hinwegfegte, wurde er voreilig mit dem historischen Wandel in Osteuropa ab 1989 verglichen. Mittlerweile zerschellt die freie Meinung vielerorts an den Bajonetten. In Ägypten ist der revolutionäre Schwung erst einmal erlahmt, macht sich Enttäuschung breit, während die Armee und die alten Eliten bissig ihre Macht verteidigen.
In Libyen ergibt sich derweil eine Zweiteilung des Landes, gräbt sich Diktator Gaddafi immer tiefer ein, während die an der Seite der Rebellen fechtende Nato allmählich ermüdet. In Syrien begeht das Assad-Regime ungestraft jene Massaker an Oppositionellen, die der Westen in Libyen mit seinem Einsatz verhindern wollte. Und in Bahrain hat die militärische Intervention der saudischen Armee ermöglicht, dass man Demokraten nun den Prozess macht - vom Westen allenfalls mit mildem Tadel bedacht.
Die Haltung des Westens zum Aufbegehren der arabischen Völker ist uneinheitlich und widersprüchlich, eine klare Strategie nicht erkennbar. Als Schnellpflaster auf die Wunden der libyschen Rebellen hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle nun deren Anerkennung aus dem Hut gezogen. Es ist eine höfliche, zunächst aber noch völlig wirkungsfreie Geste. Noch herrscht Gaddafi - und sollte er dereinst stürzen, so ist keineswegs sicher, dass die Sieger im libyschen Machtkampf lupenreine Demokraten sein werden, die dieser Anerkennung gerecht werden.
Doch das Hauptproblem liegt ohnehin woanders. Der Versuch der Nato, drohende Massenmorde zu verhindern, ist gewiss lobenswert, doch der Sturz der unliebsamen arabischen Despoten sollte nicht auf der militärischen Agenda des Westens stehen - mal ganz abgesehen von der Frage, was dann im Falle der Tyranneien im Iran, in Saudi-Arabien, Birma, China, Weißrussland und anderen Staaten geschehen soll. Die arabische Welt wird ihren tief verankerten Minderwertigkeitskomplex und ihr profundes Misstrauen gegenüber dem Westen jedenfalls kaum abwerfen können, wenn dieser ihr jetzt auch noch die Revolutionen aus der Hand nimmt. Die Bajonette der Diktaturen müssen letztlich vor allem von den arabischen Völkern selber überwunden werden.