Zahlreiche weitere Menschen seien verletzt worden. Mit brutaler Härte gehen die Anhänger Gaddafis gegen Regierungsgegener vor.

Hamburg/Kairo. Libysche Spezialeinheiten haben am Sonnabend nach Krankenhausangaben 15 Menschen getötet, die eine Trauerfeier für 35 getötete Gegner des libyschen Staatschefs Muammar al Gaddafi verlassen wollten, um sich Protestkundgebungen anzuschließen. Zahlreiche weitere Menschen seien verletzt worden, hieß es.

Nach den gewaltsam niedergeschlagenen Protesten in Libyen und Bahrain mit Dutzenden Toten hat sich die Lage im Nahen und Mittleren Osten deutlich verschärft. In Libyen drohten die regimetreuen Revolutionskomitees mit massiver Gewalt gegen die Opposition, falls sie sich zu weiteren Kundgebungen versammle.

Die Revolutionskomitees sind eine wesentliche Stütze von Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, dessen Regime Libyen seit 1969 diktatorisch beherrscht. Die Revolution und ihr Führer (Gaddafi) seien die rote Linie - wer sie überschreite, riskiere den Selbstmord, hieß es auf der Website der regimetreuen Zeitung "Assaf al-Achdar". Bei den Protesten in Libyen wurden nach Angaben der Organisation "Human Rights Watch" seit Dienstag mindestens 84 Menschen getötet.

Während sich in der Hauptstadt Tripolis am Freitag wieder Hunderte Anhänger von Gaddafi versammelten, verhinderte in der Stadt Benghasi im Osten des Landes ein starkes Polizeiaufgebot weitere regimefeindliche Proteste. Wie libysche Medien berichteten, entsandte Gaddafi seinen Sohn Al-Saadi al-Gaddafi nach Benghasi, um die Menge zu beruhigen. Al-Saadi ist ein populärer Fußballspieler. In der Stadt Al-Baidha, ebenfalls im Osten, soll eine Elitebrigade der Armee unter Befehl von Gaddafi-Sohn Chamies damit begonnen haben, Demonstranten zu vertreiben, die angeblich die Kontrolle über die Stadt übernommen hatten. In der Nacht zum Freitag waren im Osten mindestens 20 Menschen getötet worden. Machthaber Gaddafi selber zeigte sich kurz vor Anhängern auf einem Platz in Tripolis. Sie hielten Transparente hoch mit der Aufschrift "Vater des Volkes". Eine Ansprache hielt Gaddafi jedoch nicht. Viele Libyer beklagen Arbeitslosigkeit und fehlende Bürgerrechte. Der Ölreichtum kommt bei vielen einfachen Menschen nicht an. Experten glauben jedoch nicht an einen raschen Machtwechsel in Tripolis.

In Kairo kamen nach den Gebeten wieder Hunderttausende Ägypter auf dem zentralen Tahrir-Platz zusammen, um den "Freitag der Sieges und der Fortführung" - nämlich der politischen Veränderung - zu feiern. Der einflussreiche ägyptische Geistliche Scheich Jussef al-Karadawi lobte den Aufstand und sagte offenbar an die Adresse anderer arabischer Despoten gerichtet: "Die Welt hat sich verändert, und die arabische Welt hat sich verändert. Stellt euch dem arabischen Volk nicht in den Weg."

Die ägyptische Armee machte deutlich, dass sie ein Ende der Proteste wünsche; Soldaten halfen der Menge am Freitag allerdings beim Aufbau eines Rednerpodiums und stellten eine Militärkapelle zur Verfügung.

Wie das Gesundheitsministerium in Kairo mitteilte, waren in den 18 Tagen des Aufstandes insgesamt 365 Menschen ums Leben gekommen.

Auch im Jemen kam es wieder zu Kundgebungen gegen das Regime von Ministerpräsident Ali Abdullah Saleh. Bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften kamen mindestens vier Menschen ums Leben; am Vortag waren bereits drei Todesopfer zu beklagen gewesen. Zwei Menschen starben am Freitag, als ein Unbekannter in der Stadt Tais eine Handgranate in die Menge warf. 27 weitere Menschen wurden dabei verletzt. Zwei Personen starben, als Sicherheitskräfte in eine Demonstrantengruppe feuerten.

Im Golf-Königreich Bahrain strömten Tausende Menschen zu Trauerfeiern für die am Donnerstag von der Polizei erschossenen Demonstranten zusammen. Die Rede ist von mindestens fünf Toten und mehr als 230 Verletzten. Die Protestierenden forderten den Sturz des Regimes von König Hamad bin Issa al-Chalifa. Mit Tränengas gingen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in der Hauptstadt Manama vor. Es gab mehr als 30 Verletzte. Nach Augenzeugenberichten feuerten die Soldaten mit Flugabwehrkanonen Warnschüsse über die Köpfe der Menschen hinweg ab.

Angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte in Bahrain hat Bundespräsident Christian Wulff seinen geplanten Staatsbesuch in dem kleinen Königreich am Persischen Golf abgesagt. Versammlungs- und Pressefreiheit müssten in vollem Umfang gewährleistet sein, sagte sein Sprecher.

Im Iran folgten Zehntausende Anhänger des Regimes einem Aufruf von Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad und demonstrierten in aufgeheizter Atmosphäre gegen die Opposition. Vor der Universität von Teheran forderte die Menge in Sprechchören die Hinrichtung der beiden führenden iranischen Oppositionellen Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karubi. Sie hatten es bei der vergangenen Präsidentenwahl - die Ahmadinedschad vermutlich nur durch massive Manipulation gewann - gewagt, den Präsidenten herauszufordern. (dapd/abendblatt.de)