Panzer der “Faina“ waren für Rebellen im Sudan bestimmt. Dokumente zeigen auch, wie die USA Druck auf Deutschland im Fall al-Masri ausübten.
Hamburg. Als somalische Piraten im September 2008 den ukrainischen Frachter "Faina" mit Waffengewalt im Golf von Aden aufbrachten, begann ein politisches Mysterienspiel, dessen Auslösung erst jetzt durch die Veröffentlichung diplomatischer US-Depeschen durch WikiLeaks zu erfolgen scheint.
Die Piraten hatten damals die übliche Beute an Bord des in Schweden gebauten 10 000-Tonnen-Motorschiffs vermutet - und staunten nicht schlecht, als sie 33 Kampfpanzer des sowjetischen Typs T-72 sowie 150 Granatwerfer, sechs Luftabwehrkanonen und jede Menge Munition fanden.
Nach Wochen des Feilschens wurden 3,2 Millionen Dollar Lösegeld gezahlt, die "Faina" kam Anfang Februar 2009 frei - und die Waffen wurden in Mombasa ausgeladen. "Das ist ein großer Verlust für uns", hatte Alfred Mutua, der Sprecher der kenianischen Regierung, nach der Aufbringung des Schiffs durch die Piraten geklagt. Die Regierungen der Ukraine und Kenias erklärten gleichlautend, es handle sich um eine Waffenlieferung für die kenianische Armee. Sie bestritten vehement Behauptungen der Piraten, die aufgrund von Frachtpapieren an Bord berichteten, die Lieferung sei für die Rebellenarmee im Südsudan bestimmt.
Doch wie nun aus diversen ehemals geheimen Depeschen des US-Außenministeriums in Washington hervorgeht, hatten die Piraten tatsächlich recht. Und nicht nur dies: Die brisante Fracht der "Faina" war nur eine von mehreren solchen Lieferungen. Unmittelbar zuvor waren bereits 67 T-72-Panzer im Südsudan angekommen. Dessen Rebellenarmee kämpft gegen das islamistische Regime in Khartum, das im Verdacht steht, zusammen mit arabischen Reitermilizen entsetzliche Massaker und Menschenrechtsverletzungen in der Region Darfur angerichtet zu haben. Eine militärische Einmischung in diesen Konflikt in Form von Waffenlieferungen für die Rebellen birgt das Risiko einer brandgefährlichen Eskalation.
Doch nicht nur die Ukraine und Kenia waren in die Aufrüstung der Rebellen verwickelt - auch die US-Regierung von Präsident George W. Bush war von den Rebellen und der kenianischen Regierung darüber bestens informiert. Aus Geheimdepeschen der US-Botschaft in Nairobi geht überdies hervor, dass die USA der Rebellenarmee SPLA Kommunikationsmittel lieferten und ihre Soldaten für den Kampf gegen den Norden trainierten. "Wir wussten es, wir wussten es!", rief Ghazi Salah al-Din al Atabani, Top-Berater von Sudans umstrittenem Präsident Omar Hassan al-Baschir nach einem Bericht der "New York Times" aus, als er von den US-Depeschen erfuhr. Die Lieferungen könnten noch zu einer "sehr heißen politischen Angelegenheit werden".
Die Regierung von US-Präsident Barack Obama hat jedoch längst eine politische Wende vollzogen, der Ukraine inzwischen mit Sanktionen gedroht, falls sie ihre Rolle bezüglich der Waffenlieferungen in den Südsudan nicht offenlege. Auch hat Washington offenbar Druck auf die Kenianer ausgeübt, die Panzer nicht an die SPLA auszuliefern.
Auch in einen zweiten Fall, der international Schlagzeilen machte, kommt durch die WikiLeaks-Enthüllungen mehr Licht. Silvester 2003 war der deutsche Staatsbürger libanesischer Abstammung Khaled al-Masri auf einer Reise in Mazedonien von CIA-Agenten nach Afghanistan entführt worden. Al-Masris Name stimmte offenbar mit dem eines Al-Qaida-Mitglieds überein, seinen deutschen Pass hielt man für gefälscht. Er wurde in Afghanistan fünf Monate lang unter entwürdigenden Umständen festgehalten und nach seinen Aussagen gefoltert.
Schließlich wurde er in Albanien an der mazedonischen Grenze ohne Geld und Papiere ausgesetzt. Eine Klage gegen die CIA sowie auf Entschädigung wurde in den USA unter Berufung auf "Staatsgeheimnisse" abgelehnt.
Auf Antrag des Amtsgerichts München I gab das Bundesjustizministerium in Berlin internationale Haftbefehle gegen 13 mutmaßlich an der Entführung beteiligte CIA-Agenten heraus. Wie die Geheimdepeschen belegen, übte die US-Regierung daraufhin massiven Druck auf die Bundesregierung aus, diese Haftbefehle nicht vollstrecken zu lassen. Der Gesandte der US-Botschaft in Berlin, John M. Koenig, warnte die Bundesregierung im Gespräch mit dem damaligen stellvertretenden Abteilungsleiter für Außen- und Sicherheitspolitik im Kanzleramt, Rolf Nikel, dass es "negative Auswirkungen auf unser bilaterales Verhältnis und besonders für unsere Zusammenarbeit bei der Terrorabwehr" haben könne, falls weitere Schritte zum Arrest oder zur Auslieferung der CIA-Agenten erfolgen sollten. Die Warnung zeigte Wirkung: 2007 stellte die Staatsanwaltschaft München das Ermittlungsverfahren ein - man komme nicht weiter.