Die US-Regierung warnt Medien indes vor Kooperation mit der Internetplattform. Schweden verweigern dem Gründer den Aufenthalt.
Reykjavik. Die auf Enthüllungen spezialisierte Internetplattform Wikileaks hat eine baldige Veröffentlichung zahlreicher geheimer US-Dokumente zum Irak-Krieg angekündigt. Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson sagte am Montag in der isländischen Hauptstadt Reykjavik, die Papiere sollten „sehr bald“ publik gemacht werden. Er trat gleichzeitig Vermutungen entgegen, denen zufolge die Veröffentlichung der rund 400.000 Dokumente für Montag geplant gewesen sein soll. „Diese Gerüchte sind offenkundig nicht richtig.“ Einen Zeitpunkt für die Veröffentlichung nannte Hrafnsson nicht. Wikileaks hatte im Juli 77.000 geheime US-Dokumente zur Lage in Afghanistan veröffentlicht. Dabei wurde das Material dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Spiegel“ sowie der „New York Times“ und „The Guardian“ vorab zur Verfügung gestellt. Auch bei der nun erwarteten Veröffentlichung des Dokumente zum Irak-Krieg, das dreimal so umfangreich sein soll wie jenes über den Afghanistan-Einsatz, will Wikileaks offenbar mit Medien zusammenarbeiten.
Das US-Verteidigungsministerium rief die Medien am Montag dazu auf, die Veröffentlichung der Irak-Unterlagen nicht zu unterstützen. „Die Medien sollen gewarnt sein“ und Wikileaks nicht den „Anschein von Rechtmäßigkeit“ verleihen, sagte Pentagon-Sprecher Dave Lapan in Washington. Die US-Regierung habe bezüglich der bevorstehenden Veröffentlichung noch keine Anfragen von Medien erhalten. Es seien jedoch 120 Mitarbeiter mit der Sichtung des vorhandenen Irak-Materials befasst, um bei einer Veröffentlichung umgehend reagieren zu können. An Wikileaks appellierte Lapan, die „gestohlenen“ Unterlagen zurückzugeben.
Wikipedia-Gründer Wales beim Hamburger Abendblatt
Die schwedische Regierung verweigerte Wikileaks-Gründer Julian Assange indes eine im August beantragte Aufenthaltsgenehmigung. Er erfülle die Anforderungen nicht, erklärte Gunilla Wikstroem, Sprecherin der schwedischen Ausländerbehörde, am Montag in Stockholm, ohne nähere Angaben zu machen. Die schwedischen Behörden ermitteln seit August wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen den Australier, hatten ihn aber vor einiger Zeit aus dem Land ausreisen lassen.
Lesen Sie dazu auch:
Die Enthüller fliehen vor dem Pentagon nach Schweden
In einem Raum, der aussieht wie eine Mischung aus einer Garage und einer Bude im Studentenwohnheim, sitzen zwei junge Schweden und hacken auf Computer-Tastaturen ein. Um sie herum liegen Kabel, Cola-Dosen und eine leere Ketchup-Flasche. Es sieht nach vielem aus, aber nicht nach einem Ort, um den sich das US-Verteidigungsministerium Sorgen machen müsste .
Aber dieser kleine Raum in einem Vorort von Stockholm ist das Nervenzentrum der Enthüllungs-Website Wikileaks. Dessen Gründer Julian Assange hielt sich zuletzt häufiger in Schweden auf, wo Journalisten durch eines der stärksten Pressegesetze der Welt geschützt sind. Anwälten zufolge braucht die Website einen Rückzugsort, insbesondere nachdem sie sich den Zorn des Pentagons zugezogen hat, weil sie Geheimdokumente des US-Militärs zum Afghanistan-Krieg ins Internet stellte. Die Berichte zeichnen ein ernüchterndes Bild von der Lage am Hindukusch.
Von Schweden aus kann der aus Australien stammende Assange (39) damit seinem Ziel näher kommen, die Welt transparenter zu machen. Der US-Regierung dürfte es schwer fallen, gegen das schwedische Gesetz zur Meinungsfreiheit anzugehen, sagt Jonathan Coad von der Medienrechtskanzlei Swan Turton in London. „Ich denke nicht, dass es einen Mechanismus gibt, der es den USA gestattet, etwas dagegen zu tun.“
In Schweden ist etwa der Quellenschutz eine gesetzliche Pflicht für Journalisten. Wikileaks strebt daher eine entsprechende Veröffentlichungsgenehmigung in dem Land an, wie die in Island ansässige Sprecherin der Website, Kristinn Hraffnson, sagt. Diese brauchen Journalisten, um den Schutz in Anspruch zu nehmen. Assange wird zudem künftig Kolumnen für das Boulevardblatt „Aftonbladet“ schreiben.
Assange kann dabei auf eine breite Unterstützung in Schweden bauen. Die schwedische Piraten-Partei etwa, die sich für eine Reform des Urheberrechts einsetzt, stellt Wikileaks Server zur Verfügung. „Jeder, der Wikileaks attackieren will, muss nun eine politische Partei in Schweden attackieren“, sagt der Piraten-Chef Rick Falkvinge der Nachrichtenagentur Reuters. Dies mache es schwieriger, rechtlich gegen Wikileaks vorzugehen.
Anwälten zufolge darf sich Wikileaks in Schweden aber auch nicht allzu sicher fühlen. So könnte dem Dienst Ärger drohen, wenn er aufgefordert wird, Quellen offenzulegen oder Material zu übergeben. Per Eric Alvsing, Anwalt bei der schwedischen Kanzlei Vinge, betont zwar, die Identität eines Informanten sei durch die Verfassung geschützt. Aber wenn die nationale Sicherheit berührt werde, könne es Ausnahmen geben. „Unser Fazit ist: Auch wenn Wikileaks eine schwedische Veröffentlichungsgenehmigung bekommt, ist dies kein hundertprozentiger Schutz.“
Falls sich Wikileaks jemals vor einem schwedischen Gericht verantworten müsste, dann scheint die Strategie zu sein, alles, was dem Dienst zur Verfügung steht, in die Waagschale zu werfen, um seine Ziele voranzutreiben. „Wikileaks nutzt seine Macht sowie praktische und rechtliche Unverwundbarkeit – die es zu besitzen glaubt – um den Gang der Geschichte zu ändern“, sagt Coad. „Es ist außergewöhnlich – ein Kampf wie David gegen Goliath.“