Das Leben von Amerikanern sei nun gefährdet. Geben die geheimen Dokumente von Wikileaks ein „ungefiltertes Bild“ vom Krieg?
Washington/Hamburg. Die auf Enthüllungsgeschichten spezialisierte Internetseite Wikileaks hat mit der Veröffentlichung von Zehntausenden teils geheimen Dokumenten zum Afghanistan-Krieg für Furore gesorgt. Die rund 92.000 Unterlagen von 2004 bis 2010 zeichneten ein „düsteres Bild“ von der Lage am Hindukusch, berichtete der „Spiegel“ nach einer Prüfung der Unterlagen.
Die brisanten Dokumente wurden dem Internetportal Wikileaks von bisher unbekannter Seite zugespielt. Wikileaks wiederum gab das Material vor wenigen Wochen an das Hamburger Nachrichtenmagazin sowie die „New York Times“ und „The Guardian“ weiter. Die drei Medien kamen laut „Spiegel“ nach eingehender Prüfung zu dem Schluss, dass die Dokumente authentisch seien, und berichteten am Sonntag auf ihren Internetseiten zeitgleich über die Enthüllungen.
Laut „Spiegel" zeichnen die Einsatzberichte und Dokumente aus dem US-Verteidigungsministerium aus unmittelbarer Sicht der Soldaten ein „ungefiltertes Bild des Krieges“. Die afghanischen Sicherheitskräfte würden darin „als hilflose Opfer“ von Anschlägen der radikalislamischen Taliban beschrieben. Zudem zeigten die Dokumente, dass der Krieg im Norden des Landes, wo die Bundeswehr stationiert ist, immer bedrohlicher werde.
Für den Norden Afghanistans gibt es demnach zahlreiche sogenannter „Threat Reports“, Bedrohungsszenarien und konkrete Warnungen vor bevorstehenden Anschlägen. Aus den Meldungen gehe anschaulicher als aus den Informationen der Bundesregierung an den Bundestag hervor, dass die Sicherheitslage in der Region immer schlechter werde, berichtete der „Spiegel“.
Die Dokumente offenbaren demnach auch, dass der pakistanische Geheimdienst der „vermutlich wichtigste außerafghanische Helfer der Taliban“ ist. Abgesandte des pakistanischen Geheimdienstes sind dem Bericht zufolge dabei, wenn sich Aufständische zum Kriegsrat treffen und sollen auch präzise Mordbefehle erteilen, etwa gegen den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai.
Das Weiße Haus reagierte verärgert auf die Enthüllungen. Diese könnten „das Leben der Amerikaner und ihrer Partner gefährden und unsere nationale Sicherheit bedrohen“, sagte der Nationale Sicherheitsberater James Jones. Der pakistanische Botschafter in den USA, Husain Haqqani, bezeichnete die Veröffentlichung der Geheimdokumente als „unverantwortlich“, da sie nicht die „tatsächlichen Gegebenheiten“ widerspiegelten. Die USA, Afghanistan und Pakistan seien „strategische Partner“, die militärisch wie politisch das Terrornetzwerk al-Qaida und dessen Verbündete der Taliban bekämpfen wollten.
Die US-Regierung räumte allerdings ein, dass ihr die Verbindungen des pakistanischen Geheimdienstes zu Aufständischen seit geraumer Zeit Sorgen bereiten. Das Weiße Haus veröffentlichte als Beleg dafür mehrere Dokumente, unter anderem ein Schreiben von Verteidigungsminister Robert Gates vom 31. März 2009. Diese Kontakte seien eine „echte Sorge“ für die USA. Dies sei Pakistan auch direkt mitgeteilt worden, heißt es darin.
Die Internetplattform Wikileaks will mit der Veröffentlichung von geheimen Dokumenten aus anonymen Quellen Missstände öffentlich machen. Im April hatte ein armeeinternes Video der US-Streitkräfte weltweit für Bestürzung gesorgt, das den tödlichen Beschuss irakischer Zivilisten durch einen US-Kampfhubschrauber zeigte. Anfang Juni wurde ein US-Soldat festgenommen, der das Video an Wikileaks weitergereicht haben soll.