Die G20-Länder führen ihre Konjunkturprogramme weiter und wollen die Halbierung der Haushaltsdefizite ab dem Jahr 2013.
Toronto/Hamburg. Weiter mit den gigantischen Konjunkturprogrammen oder noch strenger sparen? Beim G20-Gipfel in Kanada konnten sich die wirtschaftsstärksten Länder der Welt nicht auf eine einheitliche Strategie zur Wiederbelebung der Wirtschaft einigen. Die USA und Präsident Barack Obama beharrten darauf, dass die Konjunkturprogramme weiterhin notwendig sind. Die Länder der Europäischen Union, vor allem Deutschland, fürchten eine neue Schuldenkrise. Nach dem Beinahe-Bankrott Griechenlands wollen die Europäer die Ausgaben kappen und möglicherweise Steuern erhöhen.
Dabei setzten die G20-Teilnehmer bedächtig Fuß vor Fuß. Schließlich sollten die Finanzmärkte nicht mit entgegengesetzten Verlautbarungen nervös gemacht werden. So kam das vorläufige Ergebnis zustande, dass die Haushaltsdefizite bis 2013 halbiert werden sollen. Erst danach geht es an die Schuldenberge. Darauf haben sich die G20 geeinigt:
Konjunktur: Die Staats- und Regierungschefs stimmen überein, dass der Aufschwung gestärkt werden muss. Die bereits aufgelegten Milliardenprogramme zur Konjunkturstützung sollen wie geplant abgeschlossen werden. Die G20 sind sich ebenfalls einig, dass Länder mit Budgetproblemen beschleunigt sparen sollen. Darauf hatten vor allem die Europäer gepocht.
Haushalt: Bis 2013 sollen die Haushaltsdefizite der entwickelten Industrieländer halbiert werden. Spätestens von 2016 an soll mit dem Abbau des angesammelten Schuldenbergs begonnen werden. Es handelt sich um eine Selbstverpflichtung, die rechtlich nicht bindend ist.
Bankenabgabe: G20-Mitglieder können auf nationaler Ebene Bankengaben einführen. Dahinter steht die Idee, die Branche an den exorbitanten Kosten für die Finanzkrise zu beteiligen. Die Idee einer zusätzlichen weltweiten Steuer auf alle Finanztransaktionen, wie sie unter anderem Deutschland fordert, wurde nach Angaben von Diplomaten zurückgewiesen.
Banken-Eigenkapital: Die G20 wollen die schärferen Eigenkapitalregeln für Banken und andere Finanzinstitute ("Basel II") bis spätestens Ende 2012 verankern. Die Umsetzung kann sich dann aber noch länger hinziehen. Mit einem verbesserten Eigenkapital sollen künftige Krisen in der Finanzbranche verhindert werden.
Welthandel: Die Handelsgespräche der Welthandelsorganisation (WTO) im Rahmen der sogenannten Doha-Runde sollen so rasch wie möglich abgeschlossen werden. Ein konkreter Termin wird nicht genannt. Dabei geht es um den Abbau von Handelshindernissen und Agrarsubventionen.
Die Kritik der USA an den europäischen Sparpaketen kam in Südamerika gut an: "Wenn wir überhastet handeln, wenn wir zu schnell Änderungen in der Finanzpolitik vornehmen, könnten wir das Wachstum gefährden, das wir erreicht haben", sagte der brasilianische Wirtschaftsminister Guido Mantega.
US-Finanzminister Timothy Geithner erinnerte an die tiefe Depression der Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren: Die Fehler von einst dürften nicht wiederholt werden. Nach der damaligen Weltwirtschaftskrise hätten viele Regierungen ihre Konjunkturprogramme zu schnell beendet und damit zur Verlängerung der Krise beigetragen.
Und Geithner hatte die deutsche Haltung im Blick, als er sagte: Exportorientierte Staaten hätten bislang nicht genug getan, um die Binnennachfrage zu stärken und dadurch Impulse für die Weltwirtschaft zu geben. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon warnte, "dass wir unter keinen Umständen Haushalte auf dem Rücken der ärmsten Völker der Welt ausgleichen dürfen".
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist enttäuscht. ZdK-Präsident Alois Glück sprach von einer "traurigen und gefährlichen Botschaft". Sie laute: "Die Regierungschefs der 20 wirtschaftlich wichtigsten Länder der Erde können sich nicht auf wirksame Regeln für den internationalen Finanzmarkt einigen." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bedauerte, dass der Gipfel sich in wichtigen Punkten uneinig war: "Wir haben hier leider weder bei der Bankenabgabe unter allen G20-Staaten eine einheitliche Meinung noch bei der Finanztransaktionssteuer", sagte sie.
Immerhin: Der Gastgeber des G8-Gipfels 2011, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, will die Kosten erheblich drücken. Der Gipfel im nächsten Frühjahr in Nizza solle "zehnmal billiger sein" als der Doppelgipfel in Toronto.