François Hollande liegt bei der Präsidentenwahl vor Nicolas Sarkozy. Bis zur Entscheidung am 6. Mai müssen beide neue Wähler gewinnen.
Paris. Noch einmal fünf Jahre Nicolas Sarkozy oder doch lieber der bodenständige, aber blass wirkende Sozialist François Hollande? Das ist nach der ersten Runde der Präsidentenwahl die große Frage in Frankreich. Erwartungsgemäß gewann am Sonntag der Herausforderer Hollande.
Im ersten Wahlgang bekam Hollande 28,63 Prozent der Stimmen, Sarkozy jedoch nur 27,08 Prozent. Dies teilte das Innenministerium am Montagmorgen in Paris nach Auszählung fast aller Stimmen mit. Es fehlten nur die Stimmen der im Ausland lebenden Franzosen.
Alles deutet nun darauf hin, dass er den Amtsinhaber Sarkozy auch in der Stichwahl in zwei Wochen schlagen kann. Sarkozy gilt in Umfragen als "unbeliebtester Präsident" in der Geschichte der 1958 gegründeten fünften Republik.
In der deutschen Regierung wird der erbitterte Machtkampf im wichtigsten EU-Partnerland mit Sorge beobachtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) droht im Ringen um mehr Finanzdisziplin ihren wichtigsten Verbündeten zu verlieren. Denn Hollande hat angekündigt, den mühsam geschnürten EU-Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen. Mit dem 57-Jährigen käme 17 Jahre nach dem Ende der Amtszeit von François Mitterrand erstmals wieder ein Sozialist an die Macht.
Mit SPD-Chef Sigmar Gabriel ist Hollande längst beim Du. Die deutschen Sozialdemokraten gehören zur selben Parteienfamilie wie die französischen Sozialisten. Sie setzen darauf, dass ein linker Wahlsieg in Frankreich den Trend für weitere Wahlen in Europa vorgeben könnte.
Sarkozy hatte bis zuletzt gehofft, dass er der Kandidat einer "stillen Mehrheit" ist. "Ich werde ein anderer Präsident sein", versprach er den 44,5 Millionen wahlberechtigten Franzosen mit Blick auf seine viel kritisierte Amtsführung. Doch viele, die ihm vor fünf Jahren noch ihre Stimme gaben, glauben Sarkozy nicht mehr. Mit seiner großen Nähe zu Wirtschaftselite und Showbiz sowie einer teilweise als arrogant empfundenen Amtsführung stieß er vor allem die einfachen Franzosen vor den Kopf. "Ich habe genug vom Bling-Bling-Präsidenten und der Koalition der Reichen", kommentierte eine 63 Jahre alte Rentnerin gestern, nachdem sie in Saint-Denis bei Paris ihre Stimme abgegeben hatte. Hollande müsse allerdings aggressiver werden, wenn er als Präsident bestehen wolle. Der Sozialist muss nun bis zur Stichwahl die Wähler der extremen Linken motivieren. Deren Spitzenkandidat Jean-Luc Mélenchon sicherte dem Sozialisten zwar seine Unterstützung zu. Doch zugleich spottete er: "Warum soll man mitten im Sturm einen Tretbootkapitän wie Hollande wählen?"
+++ Leitartikel: Sonnenkönig in Not +++
Und Sarkozy muss die Anhänger des Zentrumspolitikers François Bayrou auf seine Seite ziehen. Dieser machte bislang aber keine Anstalten, eine entsprechende Wahlempfehlung auszusprechen. Als sicher gilt Sarkozy lediglich die Unterstützung durch einen Teil der Wählerschaft von Marine Le Pen. Sie erhielt im ersten Wahlgang immerhin die Stimme von etwa jedem fünften Wähler. Ein neuer Rekord! Die konservativen Anhänger der rechtsextremen Front National hatten Sarkozy bereits im Jahr 2007 zum Wahlsieg gegen Hollandes frühere Lebensgefährtin Ségolène Royal verholfen. "Die Franzosen haben ein Votum der Krise abgegeben und ihre Beunruhigung ausgedrückt, ihr Leiden und ihre Furcht vor einer sich abzeichnenden neuen Welt. Diese Ängste verstehe ich", sagte Sarkozy nach der Wahl in Paris. Noch am Sonntagabend kündigte er schärfere Grenz- und Einwanderungskontrollen sowie eine härtere Verbrechensbekämpfung an. Auch bei den Anhängern des fast schon abgeschriebenen Amtsinhabers kehrte die Zuversicht zurück: "Wir werden gewinnen", riefen sie.
Eine neue Umfrage kommt zu einem anderen Ergebnis: das Pariser Ifop-Institut ermittelte, dass bei der Stichwahl 54,5 Prozent der Wähler für Hollande und nur 45,5 Prozent für Sarkozy stimmen werden. Entsprechend zuversichtlich zeigte sich der Herausforderer. "Am 6. Mai will ich einen Sieg, einen schönen Sieg", sagte Hollande nach seinem ersten Erfolg gestern.
Aus Berlin werden an das Lager von Hollande seit Wochen Warnsignale geschickt. Ein Aufschnüren des Fiskalpakts sei mit der Bundesregierung nicht zu machen, heißt es. Auch die von Hollande geforderten Kredite der Europäischen Zentralbank (EZB) an einzelne EU-Staaten gelten in Deutschland als ein Tabu. Zumindest öffentlich weist der Sozialist solche Vorgaben der konservativ-liberalen deutschen Regierung zurück. In einem TV-Interview kündigte Hollande jüngst an, dass er sich im Fall eines Wahlsiegs nicht um von Berlin gezogene "rote Linien" scheren werde: "Es ist nicht Madame Merkel, die im Namen aller Europäer entscheidet."