Der Sozialist François Hollande und Amtsinhaber Nicolas Sarkozy gehen in zwei Wochen in die Stichwahl. Rekordergebnis für die Rechtspopulisten.
Paris. Nach seinem Sieg in der ersten Runde ist der Sozialist François Hollande der große Favorit für die Stichwahl um die französische Präsidentschaft in zwei Wochen. Eine schallende Ohrfeige musste Amtsinhaber Nicolas Sarkozy hinnehmen: Er landete zwar auf Platz zwei, doch Marine Le Pen fuhr das bislang höchste Ergebnis für die rechtsextreme Front National ein. Besonders darin schlug sich die große Enttäuschung der Franzosen über Sarkozy nieder.
Nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen erreichte Hollande am Sonntag 28,2 Prozent, Sarkozy 27 Prozent und Le Pen 18,62 Prozent. „Ich bin in der besten Position“, rief Hollande seinen jubelnden Anhängern im zentralfranzösischen Tulle zu. Er versprach, für eine „gerechte Erneuerung Frankreichs“ zu kämpfen und Europa auf Wachstum und Beschäftigung auszurichten. Nach einer Telefonumfrage des Ifop-Institutes vom Wahlabend hätte Hollande am 6. Mai einen Vorsprung von neun Punkten.
Der Herausforderer machte den Noch-Präsidenten für das Rekordergebnis der Rechtsextremen verantwortlich. Das sei „eine Sanktion für die abgelaufene Amtszeit“, sagte Hollande. Noch nie habe die Front National ein solch hohes Ergebnis erreicht. Und das bei einer sehr hohen Wahlbeteiligung von über 80 Prozent. Le Pens Vater Jean-Marie war mit knapp 17 Prozent vor zehn Jahren in die zweite Runde eingezogen.
Sarkozy wandte sich in seinem Auftritt sofort den rechten Protestwählern zu. „Die Menschen haben ihre Sorgen, ihre Leiden und ihre Angst zum Ausdruck gebracht, und ich verstehe diese Angst“, sagte er. Es gehe den Protestwählern um die Beherrschung der Zuwanderung, den Wert der Arbeit und um Sicherheit, und darum werde er sich kümmern.
Sarkozy erklärte die Stichwahl zu einem „Moment der Wahrheit“ für Frankreich. Nun gehe es um die Konfrontation von zwei Persönlichkeiten. Er verlangte, dass es in den kommenden zwei Wochen drei TV-Duelle geben solle. Hollande will nur ein Duell, wie es in Frankreich Tradition ist. Der Amtsinhaber will sich mit dem Herausforderer aber mehrfach duellieren, zu den Themen Wirtschaft, Soziales und internationale Politik.
Le Pen ließ sich nach ihrem Überraschungserfolg feiern und kündigte einen harten Kampf aus der Opposition an. „Was auch immer kommt, der Kampf Frankreichs beginnt erst“, rief sie. „Ich werde das System zum Beben bringen.“ Ihr Wahlkampfleiter Florian Philippot stellte klar, man werde den amtierenden Élysée-Chef nicht unterstützen. „Nicolas Sarkozy ist schon erledigt“, sagte er.
Von einem „sehr alarmierenden Ergebnis“ sprach der Antikapitalist Jean-Luc Mélenchon von der Linksfront, der mit knapp elf Prozent auf dem vierten Platz landete. Mélenchon rief seine Anhänger indirekt zur Unterstützung Hollandes bei der Stichwahl auf: „Wir werden Sarkozy bekämpfen.“ Der Zentrumspolitiker François Bayrou erreichte mit gut neun Prozent Platz fünf. Er gab keine Wahlempfehlung ab.
Hollande und Sarkozy hatten die Abstimmung zu einer Richtungswahl erklärt. Der Favorit will den Sparkurs abmildern und auf Wachstum setzen. Sarkozy dagegen erklärte, das links ausgerichtete Programm Hollandes werde Frankreich in die Krise stürzen. Der hat laut Wahlforschern aber das deutlich größere Wählerreservoir für den 6. Mai. Er kann nicht nur auf die Stimmen des linken Lagers hoffen, sondern auch auf „Anti-Sarko“-Wähler aus dem Le-Pen-Lager. Gewinnt Hollande in zwei Wochen, würde er das erste Mal seit François Mitterrands Sieg im Jahr 1988 den Élysée-Palast für die Sozialisten zurückerobern.
Die Kanzlerin schaut nach Paris
Noch einmal fünf Jahre Nicolas Sarkozy oder dann doch lieber der bodenständige, aber blass wirkende Sozialist François Hollande? Das ist jetzt die große Frage in Frankreich. Aus der ersten Runde der Präsidentenwahl ging erwartungsgemäß der Herausforderer als Sieger hervor. Alles deutet nun darauf hin, dass Hollande den Amtsinhaber Sarkozy auch in der Stichwahl in zwei Wochen schlagen kann. Sarkozy gilt in Umfragen als „unbeliebtester Präsident“ in der Geschichte der 1958 gegründeten fünften Republik.
In der deutschen Regierung wird der erbitterte Machtkampf im wichtigsten EU-Partnerland mit Sorge beobachtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel droht im Ringen um mehr Finanzdisziplin ihren wichtigsten Verbündeten zu verlieren. Denn Hollande hat angekündigt, den mühsam geschnürten EU-Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen. Mit dem 57-Jährigen käme 17 Jahre nach dem Ende der Amtszeit von François Mitterrand erstmals wieder ein Sozialist an die Macht.
Mit SPD-Chef Sigmar Gabriel ist Hollande längst beim Du. Die deutschen Sozialdemokraten gehören zur selben Parteienfamilie wie die französischen Sozialisten. Sie setzen darauf, dass ein linker Wahlsieg in Frankreich den Trend für weitere Wahlen in Europa vorgeben könnte.
Sarkozy hatte bis zuletzt gehofft. Dass er der Kandidat einer „stillen Mehrheit“ ist, dass die Wähler die Umfrageinstitute Lügen Strafen und dass er – wie alle seine Amtsvorgänger – zumindest die erste Abstimmungsrunde gewinnt. „Ich werde ein anderer Präsident sein“, versprach er den 44,5 Millionen wahlberechtigten Franzosen mit Blick auf seine viel kritisierte Amtsführung und verwies auf seine mutigen Reformen wie die Anhebung des Rentenalters.
Doch viele, die ihm vor fünf Jahren noch ihre Stimme gaben, glauben ihm nicht mehr. Mit seiner großen Nähe zu Wirtschaftselite und Showbiz sowie einer teilweise als arrogant empfundenen Amtsführung stieß er vor allem die einfachen Franzosen vor den Kopf. „Ich habe genug vom Bling-Bling-Präsidenten und der Koalition der Reichen“, kommentierte eine 63 Jahre alte Rentnerin am Wahlsonntag in Saint-Denis bei Paris. Hollande müsse allerdings aggressiver werden, wenn er als Präsident bestehen wolle.
Hollande muss nun die Wähler der extremen Linken motivieren. Deren Spitzenkandidat Jean-Luc Mélenchon sicherte dem Sozialisten zwar seine Unterstützung zu. Doch zugleich verspottete er ihn: „Warum soll man mitten im Sturm einen Tretbootkapitän wie Hollande wählen?“
Und Sarkozy muss die Anhänger des Zentrumspolitikers François Bayrou auf seine Seite ziehen Dieser machte bislang aber keine Anstalten, eine entsprechende Wahlempfehlung auszusprechen. Als sicher gilt Sarkozy lediglich die Unterstützung durch einen Teil der Wählerschaft von Marine Le Pen. Die konservativen Anhänger der rechtsextremen Front National verhalfen Sarkozy bereits 2007 zum Wahlsieg gegen Hollandes frühere Lebensgefährtin Ségolène Royal.
Aus Berlin werden an das Lager von Hollande seit Wochen Warnsignale geschickt. Ein Aufschnüren des Fiskalpakts sei mit der Bundesregierung nicht zu machen, heißt es. Auch die von Hollande geforderten Kredite der Europäischen Zentralbank (EZB) an einzelne EU-Staaten gelten in Deutschland als Tabu.
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Zumindest öffentlich weist dieser solche Vorgaben brüsk zurück. In einem Fernsehinterview kündigte der Sarkozy-Herausforderer jüngst an, dass er sich im Fall eines Wahlsiegs nicht um „rote Linien“ der Bundesregierung scheren werde: „Es ist nicht Madame Merkel, die im Namen aller Europäer entscheidet.“
Fast vergessen wird angesichts dieser Konfliktlinien, dass auch bei „Merkozy“ in den vergangenen fünf Jahren bei weitem nicht alles glatt lief. Erst vor rund einer Woche sorgte Sarkozy wieder einmal für Aufregung, als er ganz „à la Hollande“ eine neue Debatte über die Rolle der EZB forderte. Einen Tag später musste er zurückrudern. Natürlich stelle Sarkozy damit nicht die Unabhängigkeit der EZB infrage, hieß es aus dem Lager des selbst ernannten Merkel-Verehrers. (dpa/dapd/abendblatt.de)