Bei blutigen Unruhen starben mindestens 17 Menschen. Das Schicksal des Innenministers ist unklar - möglicherweise ist er tot.
Bischkek/Moskau. Blutige Unruhen mit mindestens 17 Toten haben die zentralasiatische Republik Kirgistan in eine schwere Krise gestürzt. Tausende Demonstranten stürmten am Mittwoch den Regierungssitz, setzten das Büro des Staatsanwalts in Brand und plünderten die Zentrale des staatlichen Fernsehens. Bei Zusammenstößen mit der Polizei wurden mindestens 17 Menschen getötet und 180 verletzt.
In der Hauptstadt Bischkek feuerten Polizisten in eine aufgebrachte Menge, die den Sitz der Regierung angriff. In zwei weiteren Städten gab es ebenfalls schwere Zusammenstöße, in Naryn wurde nach Angaben eines Oppositionssprechers der Gouverneur abgesetzt. Mindestens zehn Oppositionsführer wurden verhaftet.
Unklar war zunächst das Schicksal von Innenminister Moldomusa Kongatijew. Ein Oppositionsaktivist, Schamil Murat, teilte mit, der Minister sei in der rund 300 Kilometer westlich von Bischkek gelegenen Stadt Talas von Demonstranten zusammengeschlagen worden und wenig später seinen Verletzungen erlegen. In Talas begannen die Unruhen bereits am Dienstag. Dort wurde Gouverneur Bolotbek Beischenbekow als Geisel genommen und später von Einsatzkräften der Polizei befreit.
In der Hauptstadt gab es am Mittwoch Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei, die zunächst Gummigeschosse, Tränengas und Wasserwerfer einsetzte. Gruppen schwarzgekleideter Demonstranten jagten am Morgen hinter Polizisten her, verprügelten sie, bemächtigten sich ihrer Fahrzeuge und versuchten, mit einem Schützenpanzer das Tor zum Weißen Haus aufzubrechen.
Ausgelöst wurden die Proteste von einer massiven Erhöhung der Strom- und Heizkosten. Demonstranten forderten den Rücktritt von Präsident Kurmanbek Bakijew.
In der Nacht zum Mittwoch wurden nach Angaben der Oppositionsabgeordneten Irina Karamuschkina mindestens zehn Spitzenpolitiker der Opposition verhaftet. „Die Behörden haben Terror als Antwort gewählt“, sagte sie.
Analyse: Russlands Naher Osten
In der Stadt Naryn im Süden des Landes erstürmten rund 5.000 Demonstranten den Sitz der Regionalregierung und setzten einen neuen Gouverneur ein, wie der Oppositionsaktivist Adilet Eschenow mitteilte. Mindestens vier Personen, darunter der regionale Polizeichef, seien bei den zweitägigen Unruhen verletzt worden.
Bereits am Dienstag hatte es in Talas schwere Ausschreitungen mit mehr als 80 Verletzten gegeben, nachdem Demonstranten den Sitz der dortigen Regionalregierung erstürmt und Das Polizeihauptquartier wurde nach Augenzeugenberichten geplündert. Dutzende Polizisten hätten sich den Demonstranten angeschlossen.
Der kirgisische Ministerpräsident Danijar Ussenow beschimpfte die Anhänger der Opposition als Banditen. Bei den Zusammenstößen am Dienstag seien 85 Sicherheitskräfte verletzt worden, sagte er am Mittwoch. 15 weitere Beamte würden vermisst.
Die Unruhen in Kirgistan werden von den USA und ihren Verbündeten in Afghanistan mit großer Sorge beobachtet. In der früheren Sowjetrepublik liegt ein US-Stützpunkt zur Unterstützung des Militäreinsatzes in Afghanistan.
Bakijew kam 2005 selbst an der Spitze einer Protestbewegung an die Macht. Die sogenannte Tulpenrevolution führte zum Sturz seines Vorgängers Askar Akajew, dem Korruption und Günstlingswirtschaft vorgeworfen wurden. Inzwischen sieht sich Bakijew aber mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert. Die Pressefreiheit wurde deutlich eingeschränkt, und Oppositionspolitiker klagen über eine massive Einschüchterung durch die Sicherheitskräfte.