Nach den blutigen Protesten hat die Übergangsregierung in Kirgistan eine Staatstrauer ausgerufen. Noch immer ist die Lage dort angespannt.
Bischkek. Dutzende Tote und über 1000 Verletzte: Es ist eine traurige Bilanz, die Kirgistan nach dem blutigen Volksaufstand zieht. Die von der Opposition eingesetzte Übergangsregierung hat nun eine zweitägige Staatstrauer ausgerufen. Die Flaggen sollen am Freitag und Samstag auf halbmast wehen und bei Trauerfeiern der Opfer gedacht werden, sagte die Chefin der Übergangsregierung, Rosa Otunbajewa, am Donnerstagabend nach Berichten der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Zugleich kündigte sie Entschädigungen für die Familien der Opfer an.
Nach offiziellen Angaben kamen bei dem Volksaufstand gegen die autoritäre Regierung von Präsident Kurmanbek Bakijew seit Dienstag 75 Menschen ums Leben, mehr als 1000 wurden verletzt. Nach wie vor ist die Sicherheitslage angespannt. Am Donnerstag zogen Plünderer durch die Hauptstadt Bischkek, Gebäude wurden in Brand gesteckt. Wie Interfax berichtete, waren am Abend Schüsse zu hören. Zuvor hatte die Übergangsregierung die Sicherheitskräfte angewiesen, notfalls auch mit Waffengewalt gegen Plünderer vorzugehen. Um weiter für Ruhe und Ordnung zu sorgen, patrouillierten Bürgerwehren in der Hauptstadt, teilte Otunbajewa mit.
Unterdessen erhebt Bakijew weiterhin Anspruch auf die Führung des zentralasiatischen Landes. „Ich bin ein gewählter Staatschef und erkenne überhaupt keine Niederlage an“, sagte er dem russischen Radiosender Echo Moskwy, der auch in Kirgistan zu empfangen ist. Der 60-Jährige hält sich nach eigenen Angaben im Süden des Landes auf, seiner Hochburg. Die Opposition forderte ihn auf, seine Niederlage einzugestehen.
Die selbsternannte Übergangsregierung sucht derweil den Beistand Russlands. Die neuen Machthaber dankten Russland am Donnerstag für dessen Rolle beim Sturz von Präsident Kurmanbek Bakijew und erklärten Moskau zum wichtigsten strategischen Partner. Russland erkannte die neue Regierung um die bisherige Oppositionsführerin Rosa Otunbajewa umgehend an. Der russische Regierungschef Wladimir Putin sicherte dem Bruderstaat aus gemeinsamen Sowjetzeiten „humanitäre Unterstützung“ zu, um die gegenwärtige Krise zu überwinden. Ihm zufolge hat sein Land die kirgisischen Proteste aber nicht unterstützt. „Russland hat seine eigene Rolle beim Sturz Bakijews gespielt“, sagte dagegen Omurbek Tekebajew, ein Vertreter der Übergangsregierung, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Freude Russlands über dessen Entmachtung sei offensichtlich gewesen.
Die Übergangsregierung erwägt nun auch die frühzeitige Schließung des für die Nato in Aghanistan wichtigen US-Luftwaffenstützpunkts Manas. Den Stützpunkt nutzt die Nato zur Sicherung des Nachschubs für Afghanistan. Generell ist Kirgistan für den Westen von großem strategischen Interesse. Das Land liegt nördlich von Iran und Afghanistan und soll ein Bollwerk gegen islamische Extremisten bilden. Die USA hatten den Manas kurz nach Beginn des Kriegs in Afghanistan 2001 gepachtet. 2009 hatte Bakijew Russland die Schließung zugesagt, nachdem ihm Moskau Milliarden-Hilfen in Aussicht stellte. Später machte der Präsident jedoch einen Rückzieher und erlaubte den USA zu bleiben – für eine höhere Pacht.
Anders als Russland hat die USA noch nicht über die Anerkennung der Regierung Otunbajewa entschieden. Ein hochrangiger Berater der US-Regierung betonte jedoch, man stehe bereits seit Jahren mit den Personen in Kontakt, die nun offenbar die Macht in Kirgistan übernommen hätten. „Dies ist kein anti-amerikanischer Putsch. Und wir wissen sicher, dass der Coup nicht von den Russen gefördert wurde.“
Die US-Regierung mahnte zudem die Wahrung von Menschenrechten und Demokratie in Kirgistan an. Präsident Barack Obama verfolge die Ereignisse gemeinsam mit seinem Team für Nationale Sicherheit sehr genau, teilte Sprecher Robert Gibbs am Donnerstag mit. „Wir dringen darauf, dass in Bischkek und anderen betroffenen Gegenden unter Achtung demokratischer Prinzipien und mit Respekt vor den Menschenrechten wieder Ruhe hergestellt wird.“ Obama sprach am Rande der Unterzeichnung des START-Abrüstungsvertrags in Prag auch mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew über die Lage in Kirgistan.
Die Vereinten Nationen und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schickten Sondergesandte in das Land. Bundesaußenminister Guido Westerwelle verlangte ein Ende der Gewalt. Das Land müsse so schnell wie möglich Sicherheit und Stabilität wiederherstellen, sagte er.