Von heute an ringen in Kopenhagen fast 200 Staaten darum, wie die Erwärmung der Erde noch zu stoppen ist. Es sei die letzte Chance, mahnen Experten. Und wie klimaschonend ist der Gipfel selber? Angelika Hillmer hat viel Vorbildliches, aber auch schon ein paar Sünden entdeckt.

Die Bahnfahrt zum Klimagipfel erinnert stark an den Verhandlungsweg dorthin. Immer wieder wird der "Climate Express" auf Nebengleise gelenkt und abgebremst, damit die regulären Züge überholen können. So wie auch die Arbeit an den Vorbereitungen für die größte und wichtigste Uno-Konferenz aller Zeiten regelmäßig ins Stocken geriet. Dafür aber bringt dieser Sonderzug 400 Gipfelteilnehmer, darunter führende Vertreter europäischer Delegationen, CO2-frei von Brüssel via Köln und Hamburg nach Kopenhagen. Der Strom für die Lok - das versichert jedenfalls die Deutsche Bahn - stammt aus deutschen Wasserkraftwerken. Immerhin, ein guter Anfang.

Die große Mehrheit der gut 20 000 Teilnehmer jedoch wird aus aller Welt nach Kopenhagen fliegen. Solch eine Mammutkonferenz kann unter dem Strich dem Klima nicht guttun - es sei denn, die Beschlüsse, die dabei herauskommen, sind so gut und weitreichend, dass alle Gipfel-Emissionen zu Peanuts werden.

Darauf hofft Achim Steiner, einer der Gastgeber im Zug. "Wir haben vor dem Gipfel von vielen Staaten, nicht nur von den USA durch Präsident Obama, positive Signale bekommen. Die Chancen für einen Erfolg sind deutlich gestiegen", sagt der Chef des Uno-Umweltprogramms Unep. Seine Organisation hat die Zugfahrer mit einer königsblauen Tragetasche begrüßt, die auffällig nach Chemie riecht - der Weg in eine "grüne Wirtschaft", für die Steiner immer wieder wirbt, ist eben weit, auch im Kleinen.

Das Abendessen im Zug ist vegetarisch und obendrein, wie wiederum die Bahn verspricht, zu 100 Prozent aus ökologischem Landbau - klimafreundlicher geht's nicht. Auch der Kaffee an Bord ist bio, die Milch dazu kommt allerdings aus Portionsverpackungen: Plastik mit Alu-Deckel ...

Nach sechseinhalb Stunden Fahrt von Hamburg schaukelt der Zug in der Nacht zum Sonntag in den Hauptbahnhof der verregneten dänischen Hauptstadt ein. Am Morgen darauf zeigt sich das Wetter etwas versöhnlicher, es ist trocken, die Temperaturen liegen deutlich über null. Das bringt den eisigen Eisbären am Platz "Nytorv" an der Kopenhagener Flaniermeile Stroget zum Schmelzen. Symbolisch stark, schließlich veranschaulicht nichts die Erderwärmung so drastisch wie das Schicksal der Eisbären am Nordpol. Der WWF hat die bronzene Skulptur am Sonnabend errichtet und mit Eis ummantelt. An einigen Stellen lugt schon jetzt das braune Metall durch. Die zweiwöchige Konferenz wird diese Plastik jedenfalls nicht als Eisbär überleben.

Ein paar Schritte weiter, am Rathausplatz, erhebt sich eine riesige Weihnachtstanne mit 7000 Lichtern. Drumherum sind 15 Fahrräder aufgeständert: Wer mag, kann hier kräftig in die Pedale treten und über einen Generator die Baumkerzen zum Leuchten bringen. Allerdings nur zwischen 11 und 17 Uhr. Für den Rest des Abends hängt die Tanne am dänischen Stromnetz, das vor allem aus Kohlekraftwerken und zu rund 20 Prozent mit Windkraft gespeist wird.

Ansonsten herrscht auf dem Stroget, dem "Strich", vorweihnachtliche Betriebsamkeit. Nur ab und an erinnert hier ein Plakat an den bevorstehenden Klimagipfel. Und doch ist Dänemarks Hauptstadt bereits auf der grünen Spur. Rund um den Hauptbahnhof zeugen Hunderte dicht gedrängt parkende Fahrräder vom Ökobewusstsein der Kopenhagener. Die Fahrradwege sind so breit wie eine Autospur. Und seit Monaten werden die Dänen gezielt auf Klimaschutz getrimmt, mit Bildungskampagnen in Schulen, Plakaten, Fernsehwerbung, Zeitungsanzeigen, Broschüren. Sie stehen nur noch kurz unter der heißen Dusche, nutzen Energiesparlampen, radeln zur Arbeit.

Oder sie nehmen die hochmoderne Metro, etwa um mit ihr zum Bella Center zu fahren. Das Konferenz- und Messezentrum, auf der grünen Wiese erbaut, ist von heute an der Nabel der Klimapolitik, hier treffen sich die Unterhändler der mittlerweile 193 Vertragsstaaten der Klimakonvention.

Energiesparlampen der Deckenbeleuchtung und Scheinwerfer sorgen dafür, dass man selbst bei hitzigen Debatten nicht so schnell ins Schwitzen gerät. Auch sonst reklamieren die Betreiber des Bella Centers für sich, Klima und Umwelt ernst zu nehmen. Über den Gebäuden dreht sich ein Windrotor. Die 122 000 Quadratmeter Hallenfläche, aufgeteilt in Konferenzsäle, Medienzentrum, Ausstellungsflächen und Gastronomie, werden durch eine moderne, energieeffiziente Klimaanlage gekühlt, erklären die Veranstalter. Spezielle Solarfolien an den Fenstern verhindern, dass im Sommer die Sonne die Räume allzu stark aufheizt. Auch das spart Strom. Modernste Glasfaserkabel sorgen für einen effizienten und somit Strom sparenden Datentransport. Die Reinigungskräfte nutzen Mikrofasertücher und -mopps und sparen dadurch Putzmittel. Und die je vier Mülleimer (Papier, Plastik, Bio, Rest) erinnern stark an deutsche Disziplin bei der Abfalltrennung. Um der Umwelt jährlich 100 000 Plastikflaschen zu ersparen, bekommen die Konferenzgäste gekühltes Leitungswasser serviert. Getränke werden größtenteils in biologisch abbaubaren Bechern ausgegeben (bei dieser Massenkonferenz sind aber auch Pappbecher im Einsatz), Essensreste landen zur Energiegewinnung in einer Biogasanlage. Und natürlich ist das Personal angehalten, mit dem Rad zur Arbeit zu kommen.

Dass die Mehrzahl der Gipfelteilnehmer mit dem Flugzeug anreist, ist bei den Entfernungen zu den meisten Kontinenten wohl unvermeidbar. Da haben es jene aus dem Nachbarland Deutschland vergleichsweise leicht, sich klimatisch korrekt zu verhalten. Sehr viel mehr haben da schon jene Umweltexperten und Journalisten auf sich nehmen müssen, die vergangenen Monat im japanischen Kyoto in den Zug stiegen, um (mit Unterbrechungen an zahllosen Bahnhöfen) transsibirisch nach Kopenhagen zu reisen. Da fiel am Ende ein kleiner Umweg über Brüssel gar nicht ins Gewicht. Diese Hardcore-Bahnfahrer wollten es sich nicht entgehen lassen, auf ihrer letzten Etappe ebenfalls im "Climate Express" zu reisen.