Wenn Russland ein Minus von 20 Prozent im Vergleich zu 1990 anpeilt, so heißt dies: Der Ausstoß wird erhöht.
Bonn/Hamburg. Ein Ziel für die Uno-Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen scheint klar: Die Staaten der Welt sollten ein Abkommen vereinbaren, das den Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2020 um 25 bis 40 Prozent reduziert. Der Vorreiter EU hat bereits ein Minus von 30 Prozent (wenn andere Industriestaaten mitziehen) beschlossen, Norwegen setzt noch zehn Prozentpunkte drauf, und der russische Präsident Dmitri Medwedew versprach minus 20 Prozent. Doch solche Ankündigungen sind unterschiedlich viel wert, denn sie beziehen sich auf das Emissionsniveau anno 1990. Danach brach in vielen Ostblockstaaten die Wirtschaft zusammen, der Ausstoß des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid(CO2) sank dadurch drastisch. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich manche Ankündigung deshalb als heiße Luft.
Wenn Russland ein Minus von 20 Prozent im Vergleich zu 1990 anpeilt, so heißt dies: Das Land will seinen Treibhausgasausstoß deutlich erhöhen. Das zeigen die Trendzahlen des Sekretariats der Klimakonvention in Bonn (Internet: www.unfccc.int ). Bei der russischen Förderation steht bereits heute ein dickes Minus: Zwischen 1990 und 2007 sanken die Emissionen um 33,9 Prozent - unterm Strich genehmigt sich Medwedew also ein Plus von rund 14 Prozent, gemessen am Ausstoß von 1990. Legt man die kleinere Basis von 2007 zugrunde, sind es sogar gut 20 Prozent - so verkehrt sich das Minus ins Plus.
Alle Staaten des ehemaligen Ostblocks stehen derzeit klimapolitisch glänzend da, ohne dass sie große Klimaschutzanstrengungen machten. Dies war bereits 1997 bei den Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll ein Zankapfel, etwa beim Emissionshandel. Durch ihn lässt sich der industrielle Kollaps nachträglich ein wenig vergolden, in dem die "überschüssigen" Treibhausgas-Einsparungen an Länder, die ihre Vorgaben nicht erfüllt haben, verkauft werden - ein Nullsummenspiel für das Weltklima.
Auch das deutsche Minus von 21,3 Prozent resultiert etwa je zur Hälfte aus dem Zusammenbruch der DDR und echten Klimaschutzanstrengungen. Aus diesem Grund war Deutschland schon in Kyoto bereit, innerhalb der EU-Verpflichtung (minus acht Prozent) einen deutlich größeren Beitrag von minus 21 Prozent zu leisten.
Durch diese interne Lastenverteilung unter den damals 15 EU-Staaten war es möglich, Portugal, Griechenland und Spanien Emissionszuwächse zwischen 15 und 27 Prozent zuzugestehen.
Ganz anders die Türkei - sie hat kein Klimaziel. Das Land hatte 1997 die Klimarahmenkonvention noch nicht unterschrieben. Da diese die Basis des Kyoto-Protokolls bildet, fehlt das Land auf der Liste der Industriestaaten, die das Protokoll zu Emissionsminderungen verpflichtet. 2004 trat die Türkei der Konvention bei und erweiterte damit den Kreis der Industriestaaten.
Richtig schwierig wäre es für die Türkei, ein Minus-Ziel zu akzeptieren - sie müsste ihren Ausstoß von Treibhausgasen mehr als halbieren, um überhaupt auf plus minus null, auf das Niveau von 1990 zu kommen.
Auch die USA stecken in dieser Zwickmühle. Würde Präsident Barack Obama jetzt, wie sein russischer Amtskollege Dmitri Medwedew, der Weltöffentlichkeit ein Minus von 20 Prozent ankündigen, dann wäre dies eine echte Herausforderung für sein Land. Denn die Bush-Administration ließ die Emissionen um 16 Prozent wachsen - minus 20 Prozent würde bedeuten, dass der heutige Ausstoß um fast ein Drittel sinken müsste.