Immer mehr Hitzewellen, mehr Stürme und Sturmfluten und im Schnitt zwei Grad wärmere Temperaturen. Das hat Folgen für das Leben in der Metropolregion.
Hamburg. Aber wir können uns wappnen. Wissenschaftler sagen, was nötig ist.
Der Klimawandel wird das Leben in Hamburg in vielen Facetten verändern. Deshalb widmete sich das 43. Umwelt-Forum von NDR 90,3 und Hamburger Abendblatt den absehbaren oder bereits eintretenden Folgen des Wandels. Auf der Veranstaltung im Rahmen der Fachmesse acqua alta im CCH bildete die steigende Hochwassergefahr den Schwerpunkt.
Die größten Herausforderungen für die Metropolregion Hamburg?
Wir werden uns auf wärmere Sommer einzustellen haben. Im Winter könnte mehr Regen fallen und für Probleme sorgen. Auch das Sturmflutgeschehen kann sich in Zukunft verändern.
Dr. Insa Meinke, Leiterin des Norddeutschen Klimabüros, GKSS
Was ist mit der Deichsicherheit?
Wir sind in Hamburg gut gewappnet. Wir sind momentan sicher, wahrscheinlich auch noch in 30 Jahren. Bis zum Ende des Jahrhunderts rechnen wir aber damit, dass Sturmfluten bis zu 1,10 Meter höher auflaufen können als heute. Davor müssen wir uns zusätzlich schützen.
Insa Meinke
Es gibt keine absolute Sicherheit. Zusammen mit Partnern untersuchen wir derzeit an der TU, ob es schon heute eine Sturmflut geben kann, die die Deiche überflutet. Generell sollte man sich auf die Möglichkeit einstellen, dass die Deiche nicht halten. Evakuierung ist das oberste Gebot, um Todesopfer zu vermeiden. Aber man muss auch bauliche Vorkehrungen treffen und darf städtebaulich nicht mehr alles zulassen. In der Elbmarsch dürfte nicht mehr mit Keller, es sollte mindestens zweigeschossig gebaut werden. Und man sollte sich überlegen, wo man seine Heizung hinbaut.
Prof. Eric Pasche, Institut für Wasserbau, Technische Universität HH-Harburg
Müssen wir denn überall siedeln? In hochwassergefährdeten Gebieten sollten in Zukunft Freiräume geschaffen werden. Man kann sich fragen, ob Wilhelmsburg oder die HafenCity die richtigen Gebiete sind, um Stadtentwicklung zu betreiben. Bauen am Wasser ist eine großartige Sache. Aber die alleinige Betonung von Vorzeigeprojekten ist zu verkürzt. Wir brauchen auch Lösungen, die für Städte der Dritten Welt bezahlbar sind.
Prof. Jürgen Oßenbrügge, Inst. für Geografie, Universität Hamburg
Deiche immer höher bauen?
Wir untersuchen Alternativen, etwa Entlastungsräume hinter den Deichen zu schaffen. Da kann Landwirtschaft betrieben werden, aber ein Logistikzentrum sollte dort nicht entstehen. Ein weiter Ansatz lautet: Wir lassen das Wasser über die Deiche und schaffen zweite, dritte Deichlinien, die es auffangen. Dort könnten schwimmende Stadtteile entstehen, die im Katastrophenfall, wenn der Deich überspült wird, nicht untergehen. Wir müssen das Wasser annehmen, das die Elbe uns bringt - und nicht nur Angst vor ihm haben.
Eric Pasche
Plus zwei Grad bis 2100 - ist das in Hamburg überhaupt spürbar?
Viele Städter würden sich über ein wärmeres Klima freuen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Wir werden mehr Hitzewellen haben. 2003 hatte eine derartige Hitzewelle insbesondere in Frankreich dramatische Folgen - es gab deutlich mehr Todesfälle, als statistisch zu erwarten waren. Die Eigenschaft von Städten als Wärmeinseln, bei denen die Temperatur höher ist als im Umland, werden wir deutlicher zu spüren bekommen.
Jürgen Oßenbrügge
Welche Rolle spielt die höhere Luftfeuchtigkeit?
Wie auch beim Wind werden wir stärkere Unterschiede bekommen, auf die wir uns schlechter einstellen können. Allerdings sind die Wirkungen lokal sehr unterschiedlich. Schon innerhalb eines Stadtteils, sogar eines Straßenzuges können solche Effekte variieren. Das ist eine Herausforderung an die Stadtplaner.
Jürgen Oßenbrügge
Sollte man Baulücken bewusst offen lassen, um mehr Luft in die Stadt zu lassen?
Die zusätzliche Wärme wirkt sich vor allem nachts aus. Man kann sie durch Dachbegrünungen mildern, auch durch offen gehaltene Baulücken. Man kann versuchen, Wasserwege wieder freizulegen, sie wirken kühlend. Man kann sogenannte Riegelbauten abtragen, um die Durchlüftung zu verbessern. Andererseits haben wir in Hamburg das Konzept der Wachsenden Stadt, das besonders auf Innenverdichtung ausgerichtet ist. Das könnte sich negativ auswirken auf das Stadtklima, ermöglicht aber gleichzeitig kurze Wege, etwas sehr Positives.
Jürgen Oßenbrügge
Die Verdichtung erschwert es, das Regenwasser abzuführen. Vermehrte Starkregen und Hitzewellen müssen angemessen in der Stadtplanung berücksichtigt werden, etwa in Form von grünen Lungen und zusätzlichen Wasserflächen. Es spricht vieles dafür, den Charakter der Wasserstadt stärker auszubauen.
Eric Pasche
Wie wirkt sich die fortschreitende Versiegelung aus?
Viel Regenwasser läuft von versiegelten Flächen seitlich weg und entlastet damit die Kanalisation. Wir laufen Gefahr, dass diese Flächen nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn wir weiter versiegeln. Neubaugebiete müssen schon heute Regenwasser zurückhalten, etwa durch Gründächer und Sickerwassermulden. Hier soll kein Regenwasser mehr in die Kanalisation fließen.
Was kommt auf Hausbesitzer zu?
Unsere städtische Kanalisation wird durch sommerliche Starkregen häufiger überlastet sein. Deshalb sollten Hausbesitzer darauf achten, wie ihr Gebäude gegen Platzregen abgesichert ist, wenn das Wasser 20 Zentimeter hoch um das Gebäude steht. Oftmals sind tiefer liegende Garagen durch eine Rampe mit der Straße verbunden. Wenn die Straßensiele überlastet sind, läuft das Wasser in die Garage hinein.
Eric Pasche
Welche Folgen hat die Erwärmung für den Obstbau im Alten Land?
Wir bauen seit einigen Jahren Sorten an, die vor zehn, 15 Jahren nicht in unseren Klimaraum passten, weil sie eine längere Vegetationsperiode brauchen. Bei uns blühen die Obstbäume mittlerweile 19 Tage früher als vor 40 Jahren. Vielleicht können wir in 50 Jahren die ersten Riesling-Reben anbauen.
Dr. Gerd Palm, Obstbauversuchsanstalt Jork
Gibt es durch frühere Blüte mehr Probleme mit späten Frösten?
Generell steigt das Risiko, wenn die Blüte früher eintritt. Wir werden sicherlich in Zukunft noch häufiger unsere Frostschutzberegnung anstellen müssen, um das zarte Grün zu schützen. Aber viel gravierender ist der Anstieg des Meeresspiegels. Die Salzwasserzone der Elbe verschiebt sich allmählich Richtung Hamburg. Wir können für unsere Beregnungen höchstens Brackwasser gebrauchen, auf keinen Fall Salzwasser.
Gerd Palm
Wir haben heute 20 Frosttage weniger als vor 50 Jahren. Das wird sich weiter fortsetzen. Spätfroste werden seltener werden.
Insa Meinke
Gibt es dann mehr Probleme mit Schädlingen?
Der Apfelwickler, eine Made, die im 20. Jahrhundert bei uns überhaupt keine Bedeutung hatte, nimmt deutlich zu. In unbehandelten Parzellen haben wir jetzt in schlechten Jahren 30 bis 35 Prozent Verluste. Die sogenannte schwarze Sommerfäule, ein mediterraner Pilz, gab es bei uns nie. Er tauchte vor zwei Jahren erstmals auf. Bei milderen Wintern können auch manche heimische Schädlinge besser überleben und deutlich mehr Schäden verursachen.
Gerd Palm
Müssen wir Gesundheitsprobleme fürchten?
Wir rechnen damit, dass sich Zecken weiter nach Norden ausbreiten. Aber das ist nicht nur klima-, sondern auch von deren Wirten abhängig. Ähnlich ist es bei der Malaria. Hier gibt es große Unsicherheiten. Sicher ist jedoch, dass sich die Pollenflugzeiten ausdehnen, wenn sich die Vegetationszeiten vergrößern. Dadurch bekommen Allergiker größere Probleme.
Insa Meinke
Eine verkürzte Aufzeichnung des Forums sendet NDR 90,3 als Abendjournal spezial an diesem Sonnabend, 19.05-20 Uhr.