Frankreichs Präsidentensohn, Jean Sarkozy, wollte Chef einer einflussreichen Behörde werden. Jetzt hat er einen Rückzieher gemacht.
Paris. Dunkler Anzug, randlose Brille, der junge Jean Sarkozy trat so seriös wie möglich auf, als er am Donnerstagabend in den Nachrichten seinen Verzicht erklärte – seinen Verzicht auf die Kandidatur für den Spitzenposten bei der einflussreichen EPAD-Behörde, den ihm nach Ansicht seiner Kritiker sein Vater Nicolas Sarkozy zuschanzen wollte. Kritiker bemängelten, dass Sarkozy Junior nicht qualifiziert für den Job sei: Der 23-Jährige hat bisher noch nicht einmal sein Jura-Studium abgeschlossen und wollte die EPAD-Behörde leiten, die sich um den Ausbau von La Défense kümmert, dem westlich von Paris gelegenen größten französischen Geschäftsviertel. Die EPAD wickelt Milliardenaufträge ab. In La Défense arbeiten rund 150.000 Menschen. Jean Sarkozy, der ein Mandat im Kreistag des Départements Hauts-de-Seine innehat, sollte bei der EPAD-Aufsichtsratssitzung am 4. Dezember zum neuen Chef gewählt werden. Um ein Mandat im Aufsichtsrat will er sich am Freitag dennoch bewerben.
Jean Sarkozy erklärte nun jedoch, dass er keinen Sieg wolle, der vom Verdacht der Vorzugsbehandlung überschattet sei. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft sei aber falsch. Es handele sich nicht um ein Legitimationsproblem. „Ich bin gewählt worden“, sagte Sarkozy Junior. Die Entscheidung habe er alleine getroffen, doch habe er mit seinem Vater darüber gesprochen, nicht aber in dessen Funktion als „Präsident“ sondern als „Vater“.
Es ist eine dramatische Wende in einer politischen Seifenoper, die viele Franzosen in den vergangenen Wochen teils belustigte, teils beschämte. Noch am Nachmittag hatten Demonstranten im Geschäftsviertel La Défense Bananen geschwenkt, um gegen die Blitzkarriere des Präsidentensohnes zu protestieren. Und für diesen Freitag, den Tag, an dem Jean Sarkozy in den Verwaltungsrat gewählt werden soll, standen schon die Absperrgitter bereit, um die Schaulustigen in Schach zu halten. Mehr als 200 Journalisten hatten sich akkreditiert. Eine Lobbygruppe hatte dazu aufgerufen, in historischen Kostümen zu erscheinen, um die „Wiederkehr des Ancien Régime“ zu feiern.
Tagelang hatte der Präsident alle Vorwürfe der Vetternwirtschaft an sich abprallen lassen und seinerseits den Medien Hetzkampagnen vorgeworfen. Seine Kommunikationsabteilung verteilte „Redebausteine“, mit denen seine Unterstützer die höchst wahrscheinliche Wahl von Jean zum Verwaltungsratschef zu verteidigen hatten: Es sei keine Ernennung, sondern eine Wahl. Der Job sei nicht bezahlt. Vater Sarkozy habe seine Finger nicht im Spiel gehabt. Man müsse jungen Leuten eine Chance geben und dürfe niemanden wegen seiner Herkunft benachteiligen.
Genutzt hat dies wenig. Die Affäre um „Prinz Jean“ zog ihre Kreise, schaffte es bis ins chinesische Fernsehen und spornte Humoristen zu immer neuen Pointen an. Im Internet wimmelte es von Persiflagen, Adoptionsanträgen für die Familie Sarkozy, Twitter- Listen mit absurden Nachrichten („Carla verlässt Nicolas für Jean“), selbst eine iPhone-Anwendung erfand jemand. Hobby-Psychologen attestierten dem Präsidenten den Komplex eines geschiedenen Vaters, der seinem Sohn nichts abschlagen könne. Was für Nicolas Sarkozy schlimmer war: Auch in den eigenen Reihen mehrten sich Klagen, dass die Geschichte einen erheblichen Imageschaden bedeute.
Ob der Präsident seine Hand im Spiel hatte oder nicht – seine Gegner werden diese Wende als eine politische Niederlage deuten. Das dürfte Sarkozy voraussichtlich ebenso ärgern wie die Tatsache, dass er den wirtschaftlich bedeutsamen Ausbau von La Défense jetzt voraussichtlich nicht ganz so sehr unter Kontrolle hat, als wenn sein eigener Sohn dort einen Spitzenposten hätte.