Statt des stolzen gallischen Hahnes ist ein Rabe zum Symboltier Frankreichs geworden.
Hamburg/Paris. Jedenfalls des politischen Frankreichs, das von einer Affäre um Verleumdung und Schwarzgeldkonten erschüttert wird. Einer Affäre, deren Einschläge sich nun bedrohlich dem Präsidentenpalast nähern.
"Le corbeau" (der Rabe) ist, ähnlich wie einst die legendäre Quelle "deep throat" in der Watergate-Affäre der Nixon-Ära, ein Informant, der offenbar glänzend über die Pariser Intrigen Bescheid weiß. Der Unbekannte hatte im Mai und Juni 2004 dem Untersuchungsrichter Renaud van Ruymbeke eine CD-Rom mit gut 800 Konten der Luxemburger Clearinggesellschaft Clearstream S.A. zugespielt. Clearinggesellschaften verwahren Wertpapiere und wickeln Transaktionen ab. Clearstream ist eine Tochter der Deutschen Börse AG.
Van Ruymbeke, der in einer Schmiergeldaffäre um den Thomsen-Konzern ermittelte, staunte nicht schlecht: Die CD-Rom bewies scheinbar, daß neben diversen Managern auch Politiker dort Konten besaßen, darunter Innenminister Nicholas Sarkozy. Dann erwies sich aber, daß die Namen der Politiker nachträglich eingefügt worden waren. Offenbar wollte jemand Sarkozy, der Staatspräsident Jacques Chirac im Amt beerben will, politisch vernichten. Seitdem will Sarkozy seinen schattenhaften Feind identifizieren. In die Fälschungen soll Frankreichs Auslandsgeheimdienst DGSE verwickelt sein, der dem Verteidigungsministerium unterstellt ist. Und der Rabe soll niemand anders sein als der EADS-Topmanager Jean-Louis Gergorin. Der bestreitet das, trat allerdings gestern überraschend von seinem Posten als EADS-Vizepräsident zurück, um sich "ganz seiner Verteidigung widmen zu können."
Der 60jährige Gergorin ist pikanterweise ein alter Weggefährte von Premier Dominique de Villepin. Wie die gewöhnlich exzellent informierte Zeitung "Canard enchaine" enthüllte, traf Gergorin 2004 mit Untersuchungsrichter Van Ruymbeke zusammen. Und nach Aufzeichnungen des Ex-Geheimdienstgenerals Philippe Rondot, des Beraters von Verteidigungsministerin Michele Alliot-Marie, ging Gergorin schon im November 2003 mit Schwarzgeld-Vorwürfen hausieren. Anfang Januar 2004 soll Gergorin Villepin über die Clearstream-Konten informiert haben. Bei dieser geheimen Zusammenkunft hat Villepin angeblich General Rondot befohlen, Innenminister Sarkozy auszuspionieren.
Seitdem darüber in der Presse berichtet wurde, steht der Regierungschef unter Verdacht. Gestern stellte sich Chirac vor ihn und sagte, die ganze Affäre beruhe nur auf Verleumdungen. Er warnte vor einer "Diktatur des Gerüchts" und davor, die Vorwürfe im anlaufenden Präsidentschaftswahlkampf zu instrumentalisieren. Chirac selber kandidiert nicht mehr.
Gestern berichtete "Canard enchaine" unter Berufung auf Rondot, daß Chirac rund 45,5 Millionen Euro auf dem Konto der japanischen Tokyo-Sowa-Bank habe. Die enorme Summe sei von einer mysteriösen "Kulturstiftung" einbezahlt worden. "Wofür?" fragt das Blatt. Der Präsident dementierte "die Verleumdung kategorisch".