Der Nahe Osten ist jene Region in der Welt, die den Präsidenten der USA wie keine andere die Grenzen der Macht zeigt. Jeder US-Präsident der...
Washington/Hamburg. Der Nahe Osten ist jene Region in der Welt, die den Präsidenten der USA wie keine andere die Grenzen der Macht zeigt. Jeder US-Präsident der vergangenen 50 Jahre hat sich im Nahost-Konflikt diplomatisch engagiert, jeder ist bislang am Ziel eines dauerhaften Friedens zwischen Israel und den Palästinensern gescheitert.
Barack Obama reicht im Fernsehsender al-Arabija den Muslimen der Welt die Hand zur Versöhnung - und schaltet sich auf die Gefahr des Scheiterns hin schon in seinen ersten Amtstagen in den Nahost-Konflikt ein. Sein Gesandter George Mitchell wird heute - aus Ägypten kommend - in Israel und bei den Palästinensern erwartet. Empfangen werden ihn dort Gewalt, politischer Stillstand und Ratlosigkeit. Bei einem Bruch des Waffenstillstands durch radikale Palästinenser kamen gestern ein israelischer Soldat durch eine Bombe und wenig später ein Palästinenser durch israelischen Beschuss ums Leben.
Mitchell besucht eine Region in Aufruhr. Im Gazastreifen türmen sich nach den israelischen Luftangriffen die Trümmer. In Israel läuft ein Wahlkampf, der im Februar eine rechtsgerichtete Hardliner-Koalition unter Benjamin Netanjahu an die Macht bringen könnte. Obama wirft nun sein ganzes Gewicht in die diplomatische Waagschale. Die Entwicklung im Nahen Osten sei ihm "persönlich wichtig", sagte er vor Mitchells Abreise. Der Gesandte spreche ausdrücklich im Namen des US-Präsidenten.
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Robert Wood, sagte, Mitchell werde keinen direkten Kontakt mit der Hamas aufnehmen, die Gaza beherrscht, wollte aber nicht ausschließen, dass er den Gazastreifen oder Syrien besucht.
Obama hat die Nahost-Diplomatie zur Chefsache erklärt. Es ist ein Risiko - seine Initiative könnte in der langen Reihe gescheiterter Friedensversuche enden. Denn ungeachtet jahrelanger Krisendiplomatie haben sich Israel und die Palästinenser einer Friedensregelung keineswegs genähert. Im Gegenteil. Der langjährige Nahost-Beobachter Thomas Friedman sieht den Dauer-Konflikt vor einer Weggabelung. "Wir nähern uns gefährlich dem Punkt, an dem sich das Fenster für eine Zwei-Staaten-Lösung schließt", urteilt der angesehene Kolumnist der "New York Times". Friedman sieht zwei widerstrebende Kräfte am Werk: Im Gazastreifen herrsche die radikalislamische Hamas, die keinen Frieden mit Israel wolle, und im Westjordanland behaupte sich die jüdische Siedlerbewegung, die kein Land an einen Palästinenserstaat abgeben wolle.
Zwischen diesen Polen reiben sich die Friedenshoffnungen auf. Obama und Mitchell stehen vor größeren Problemen als alle ihre Vorgänger, müssen sie doch nicht nur zwischen zwei, sondern gleich drei zerstrittenen Seiten vermitteln. Die Palästinenser haben sich in eine Hamas-Bastion im Gazastreifen und einen Fatah-Machtbereich im Westjordanland gespalten. Erst müssten die Palästinenser einen Frieden untereinander finden, ehe es Frieden mit Israel geben kann.
Der Nahost-Experte David Miller vom Woodrow-Wilson-Institut in Washington glaubt, dass Bushs Vermächtnis den Neuanfang für Obama erschweren wird. Obama habe sein Amt angetreten "vor dem Hintergrund unglaublicher Bitterkeit in der arabischen Welt gegenüber Israel und damit auch gegenüber den USA", sagt Miller. Bushs Erbe sei, dass die Araber den USA Parteinahme für Israel unterstellten.
Die Zeit für einen Frieden im Nahen Osten wird knapp, glaubt Kolumnist Friedman: "Wenn die Hamas Raketen mit immer größerer Reichweite erhält und einsetzt, wird es undenkbar, dass die israelische Regierung einen unabhängigen palästinensischen Staat toleriert."
Das Obama-Interview mit dem arabischen Kabel-Fernsehsender al-Arabija sehen Sie auf
www.abend blatt.de/arabia