Frankreichs Präsident Hollande will China und Russland von einem Eingreifen in Syrien überzeugen. Obama-Sprecher warnt vor “Chaos und Gemetzel“. Nach dem Blutbad in Al-Hula haben Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Spanien sowie die USA, Australien und Kanada syrische Diplomaten ausgewiesen.
Paris/Damaskus. Für den französischen Präsidenten François Hollande ist eine Militärintervention in Syrien mit einem UN-Mandat nicht ausgeschlossen. Hollande sagte am Dienstagabend dem Fernsehsender France 2: "Es ist an mir und den anderen, die Russen und Chinesen zu überzeugen“, damit sie dagegen im UN-Sicherheitsrat kein Veto einlegen. Er werde am Freitag mit Russlands Präsident Wladimir Putin reden, um ihn von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Sanktionen nochmals deutlich zu verschärfen, sagte Hollande. „Man darf Baschar al-Assad nicht weiter sein eigenes Volk massakrieren lassen.“
Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, hatte bereits zuvor erklärt, die USA lehnten eine Militärintervention zum jetzigen Zeitpunkt weiter ab. Washington halte eine weitere Militarisierung in Syrien nicht für richtig. "Wir glauben, es würde zu größerem Chaos, größerem Gemetzel führen“, sagte Carney am Dienstag in Washington. Die USA hofften, dass der Druck auf das Assad-Regime Wirkung zeigt.
Zehn Staaten weisen syrische Diplomaten aus
Nach dem Blutbad in der syrischen Ortschaft Al-Hula haben Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Spanien sowie die USA, Australien und Kanada syrische Diplomaten ausgewiesen . Die Ausweisung eines Botschafters gehört im diplomatischen Umgang zu den härtesten Strafmaßnahmen, über die ein Land verfügt. Grundlage dafür ist Artikel 9 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin: "Syrien hat unter Assad keine Zukunft. Er muss den Weg für einen friedlichen Wandel in Syrien freimachen“. Westerwelle machte den syrischen Präsidenten Assad direkt für das Massaker verantwortlich. "Wer unter Missachtung von Resolutionen des Sicherheitsrats schwere Waffen gegen das eigene Volk einsetzt, muss mit ernsten diplomatischen und politischen Konsequenzen rechnen.“
+++ Opposition setzt auf militärische Lösung +++
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warf dem syrischen Regime vor, sich damit an den menschlichen Grundwerten versündigt zu haben. "Die Geduld hat ihre Grenzen, und ich hoffe, das gilt auch für die Geduld des Weltsicherheitsrates“, sagte er in einer Rede vor Abgeordneten seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara.
Hula-Untersuchung: Opfer aus nächster Nähe erschossen
Das Massaker von Al-Hula war die schlimmste Gräueltat an einem Ort seit dem Ausbruch der Proteste gegen das Assad-Regime vor fast 15 Monaten. Bei dem Angriff waren am Freitag mehr als 100 Zivilisten niedergemetzelt worden, etwa ein Drittel davon Kinder. Die meisten Opfer wurden aus nächster Nähe erschossen. Zu diesem Ergebnis kommt eine erste Untersuchung von UN-Experten. "Es sieht so aus, als ob ganze Familien in ihren Häusern erschossen wurden“, sagte in Genf Rupert Colville, Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte. "Das ist ziemlich grauenhaft. Fast die Hälfte der uns bekannten Opfer sind Kinder, das ist unverzeihlich.“
Nach dem Treffen des UN-Sondergesandten Kofi Annan mit Assad sagte ein Sprecher, der frühere UN-Generalsekretär habe darauf hingewiesen, dass der von ihm formulierte Sechs-Punkte-Plan nur funktionieren könne, wenn ernsthafte Schritte unternommen würden, die Gewalt zu beenden und Gefangene freizulassen.
Annan betonte, sein Sechs-Punkte Plan für Frieden in Syrien sei bislang nicht umgesetzt worden. Nach einem vielversprechenden Start im April sei die Waffenruhe in sich zusammengebrochen. Die Opposition sieht den Annan-Plan, der eine von unbewaffneten UN-Beobachtern überwachte Waffenruhe beinhaltet, ohnehin als gescheitert an.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte in einem Telefonat mit Annan, dass alle syrischen Konfliktparteien auf Gewalt verzichten müssten, damit "ähnliche Vorfälle“ wie in Al-Hula in Zukunft vermieden würden. Zugleich forderte Lawrow eine unabhängige und vorurteilsfreie Untersuchung des Massakers.
Am Dienstag wurden nach unterschiedlichen Angaben von Oppositionellen zwischen 72 und 33 Menschen in Syrien getötet.
Frankreich für Einschalten des Strafgerichtshofs
Außenminister Laurent Fabius sagte, Frankreich setze sich dafür ein, dass der Internationale Strafgerichtshof eingeschaltet wird. "Baschar al-Assad ist der Mörder seines Volkes“, sagte Fabius.
Die Europäische Union kündigte in Brüssel weiteren diplomatischen Druck an. Ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton sagte jedoch: "Alles muss auf Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats beruhen.“ Die EU hat bereits 16 Sanktionsbeschlüsse gegen das Assad-Regime verhängt. Dazu gehören Einreiseverbote, das Einfrieren von Vermögenswerten, ein Ölembargo sowie Ausfuhrverbote für zahlreiche Güter.
Ashton will die Lage in Syrien nach Angaben ihres Sprechers zu Beginn der kommenden Woche bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow diskutieren. Auch der britische Außenminister Hague strich die Bedeutung einer Unterstützung der Maßnahmen durch Russland heraus. „Russland hat besonderen Einfluss auf das Regime und spielt deshalb eine besondere Rolle in der Krise“. Die EU hat inzwischen bereits 16 Sanktionsrunden gegen das Regime Assads beschlossen.
Die Vereinten Nationen veröffentlichten unterdessen Details zu dem Massaker im syrischen Hula, wonach die meisten Opfer nicht beim Artilleriebeschuss durch die syrischen Truppen ums Leben kamen, sondern bei zwei gezielten Tötungen.
Weniger als 20 der 108 Opfer von Hula wurden beim Artilleriebeschuss getötet, wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte am Dienstag erklärte. Zu diesem Schluss sei man aufgrund von Angaben der UN-Beobachter und anderen Quellen gekommen. „Die meisten anderen Opfer wurden bei zwei getrennten Zwischenfällen gemeinsam hingerichtet“, sagte Kommissariatssprecher Rupert Colville vor Journalisten in Genf. Augenzeugen hätten mit der Regierung verbündete Milizionäre der Schabiha für die Angriffe verantwortlich gemacht. Diese operierten häufig in Absprache mit den Regierungstruppen. Bei dem Massaker kamen am Freitag nach UN-Angaben 108 Menschen ums Leben, darunter 49 Kinder und 34 Frauen.
Die syrische Regierung wies jede Verantwortung für die Tötungen zurück und machte „bewaffnete Terroristen“ für die Taten verantwortlich. „Es ist irrational, dass eine Partei, die Annans Mission zum Erfolg verhelfen will, jemals solch ein Massaker verüben würde“, sagte der stellvertretende Außenminister Faisal Mekdad am Dienstag vor Journalisten. Syrien unterstütze den Plan weiter und habe nicht gegen die Vereinbarungen verstoßen.
Mit Material von dpa und dapd