Auf seinem Weg nach Berlin gerät das Flugzeug von Frankreichs neuem Präsidenten in ein Unwetter. Wie schon zuvor sein Auto in Paris.
Paris/Berlin. Der erste Arbeitstag von François Hollande hielt einige Aufregung bereit. Auf dem Weg zu seinem Antrittsbesuch bei Angela Merkel in Berlin wurde das Flugzeug des neuen Präsidenten vom Blitz getroffen und musste umkehren. Hollande wechselte in Paris die Maschine und flog später erneut in Richtung Berlin. Das Gute an der Geschichte: Blitzschlag heißt auf Französisch "Coup de foudre". Und das wiederum steht auch für "Liebe auf den ersten Blick".
Der Tag hatte für den neuen französischen Präsidenten ganz nach Plan begonnen. Um drei Minuten nach zehn Uhr war es, als François Hollande in einem grauen Citroën durch das Portal in den Innenhof seines neuen Arbeitsplatzes fuhr. Der scheidende Präsident Nicolas Sarkozy begrüßte seinen Nachfolger auf dem roten Teppich vor den Stufen des Élysée-Palastes. Etwa 30 Minuten lang unterhielten sich die beiden Männer im Innern des Gebäudes. Dann übergab der Offizier der französischen Atomstreitkräfte dem neuen Präsidenten François Hollande die Einsatzcodes der "Force de Frappe".
+++ François Hollande auf Blitzbesuch bei Angela Merkel +++
Sarkozy verließ den Ort, an dem er fünf Jahre lang die Macht ausgeübt hatte um zwanzig vor elf. Die Präsidenten verabschiedeten sich mit Handschlag, Carla Bruni-Sarkozy und Valérie Trierweiler mit Wangenküssen. Hand in Hand mit seiner Ehefrau schritt Sarkozy den roten Teppich hinab, die Köche und Mitarbeiter des Élysées applaudierten. Dann bestieg er den Citroën, mit dem Hollande gekommen war. Draußen riefen wackere Anhänger dem Wahlverlierer "Merci, Nicolas" zu.
François Hollande hatte sich unterdessen in den Festsaal des Élysée-Palastes begeben, wo der Vorsitzende des Verfassungsrates, Jean Louis Debré, dem Protokoll entsprechend das Wahlergebnis verlas und Hollande offiziell zum Präsidenten der Republik ernannte. Zugleich wurde er zum "Großmeister des Ordens der Ehrenlegion" ernannt. In seiner ersten Rede als Präsident versprach François Hollande anschließend einen "energischen Übergang" in sein fünfjähriges Mandat. Dann nannte er einige Punkte, in denen sich sein Regierungsstil von dem seines Vorgängers absetzen soll.
Er werde "nicht für alle und überall" entscheiden, sagte Hollande und versprach die "Demokratie auf lokaler Ebene" durch neue Maßnahmen der "Dezentralisierung" zu "beleben". An der Spitze des Staates werde Macht künftig "mit Würde und Bescheidenheit" ausgeübt. Frankreich solle einen "gerechten Aufschwung" erfahren, das Land benötige "Befriedung und Versöhnung". Die Schwere seiner Aufgabe sei ihm bewusst, insbesondere die "massive Verschuldung". Dennoch hofft Hollande, "einen neuen Weg für Europa zu eröffnen". Er hatte die Feierlichkeiten im Élysée-Palast bewusst etwas bescheidener ausfallen lassen als üblich. Unter den wenigen Hundert Gästen im Festsaal befanden sich vor allem Vertreter der Verfassungsorgane sowie die ehemaligen sozialistischen Regierungschefs. Nicolas Sarkozy hatte vor fünf Jahren noch seine Kinder und die seiner Ehefrau Cécilia zur Amtseinführung mitgebracht.
+++ Francois Hollande ist neuer Präsident Frankreichs +++
Wohl als Zeichen des Aufbruchs in eine nachhaltigere Präsidentschaft gedacht, stellte sich der neue Präsident anschließend in ein Citroën-DS-5-Cabriolet mit Hybridmotor und ließ sich über die Champs-Élysées fahren. Leider ging exakt in diesem Moment ein schwerer Wolkenbruch über Paris nieder. François Hollande winkte seinen Bürgern am Straßenrand trotzdem wacker zu. In einem völlig durchtränkten Anzug erreichte er den Arc de Tri-omphe und legte einen Kranz am Grabmal des Unbekannten Soldaten nieder. Anschließend kehrte Hollande zu seinem ersten Mittagessen als Präsident zurück in den Élysée-Palast. Am Nachmittag verneigte sich Hollande dann vor einer weltweit geschätzten Frau aus dem Osten, die Physikerin war, bevor sie sich im Westen in einer Männerdomäne durchsetzte. Zu Ehren von Marie Curie legte er einen Kranz nieder und würdigte damit die wissenschaftlichen Leistungen der Nobelpreisträgerin.
Am Abend flog Hollande nach Berlin, um eine Frau zu treffen, die mit Marie Curie durchaus biografische Ähnlichkeiten vorweisen kann. Der Antrittsbesuch bei Angela Merkel bedeutet für den Präsidenten und die Kanzlerin das erste Treffen überhaupt.
Während des Wahlkampfs von Hollande wollte die CDU-Vorsitzende den Gegner ihres bisherigen Partners Nicolas Sarkozy nicht empfangen: Der Ärger über Hollande, der den mühsam ausgehandelten Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin wieder infrage stellte und auch sonst vieles anders machen will, war groß im Kanzleramt.
Immerhin kam Merkel ihrem neuen politischen Partner Dienstagabend ein bisschen entgegen und ist nun bereit, den Fiskalpakt um ein Wachstums-Paket zu ergänzen. Wie dies aussehen soll, ist aber längst nicht geklärt. "Hier wird es sicherlich sehr wichtig sein, dass Deutschland und Frankreich gemeinsam ihre Ideen präsentieren," sagte die Kanzlerin. Beide gaben aber zu, dass man den Wachstumsbegriff auf sehr unterschiedliche Weise auslegen könne. Ansonsten waren Kanzlerin und Präsident darum bemüht, die Gemeinsamkeiten herauszustellen. Hollande sprach davon, dass die deutsch-französische Freundschaft auch für ihn eine "Konstante" sein werde. Aber noch nennt man sich nicht beim Vornamen, sondern blieb bei "Madame Merkel" und "Herr Präsident" - ziemlich neue Freunde also noch. Die meiste Zeit über habe man sich auch in der jeweiligen Muttersprache mithilfe von Dolmetschern unterhalten, verriet Merkel. Hollande fügte schlagfertig hinzu: "Man kann französisch reden und von einer deutschen Kanzlerin verstanden werden. Und umgekehrt gilt das auch."