Das will François Hollande sein. Nach seinem Amtsantritt muss er sofort zum G8-Gipfel und zu einer skeptischen Kanzlerin reisen.
Paris. Es war eine kurze Nacht für François Hollande . Grob geschätzte 100.000 Menschen hatten ihm weit nach Mitternacht einen begeisterten Empfang an jenem Ort bereitet, an dem auch François Mitterrand 31 Jahre zuvor seinen Wahlsieg gefeiert hatte: am Place de la Bastille. Mit angeschlagener Stimme und etwas ermattet von der Größe der eigenen Tat dankte Hollande seinen Wählern und versprach, ein "Präsident der Jugend" und der "Gerechtigkeit" werden zu wollen. Mit 51,62 Prozent der Stimmen hat Hollande die Wahl für sich entschieden. Das Ergebnis sei ein Zeichen der Hoffnung für die Völker Europas, die ein Ende des harten Sparkurses herbeisehnten, krächzte Hollande an der Bastille.
Um kurz nach eins verabschiedete sich der künftige Präsident von seinen Mitstreitern hinter der Bühne. "Ich gehe jetzt ins Bett." Am Montagmorgen begann er seinen Arbeitstag im Büro seines Teams im 7. Pariser Arrondissement, das von einem "Wahlkampfhauptquartier" nun zu einem "Übergangshauptquartier" geworden ist. Einen Vorgeschmack auf künftige präsidiale Aufgaben wird Hollande bereits heute erhalten.
+++ Hollande macht Tempo: Treffen mit Merkel in kommender Woche +++
Der abgewählte, aber noch amtierende Präsident Nicolas Sarkozy hat ihn eingeladen, gemeinsam die Feierlichkeiten zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs auf den Champs-Élysées abzuhalten. So hatte es auch François Mitterrand gehalten, der seinen Nachfolger Jacques Chirac kurz vor dessen Amtsantritt 1995 zu den Feierlichkeiten am 8. Mai einlud. Die Schlüsselübergabe im Élysée-Palast soll am 15. Mai stattfinden. Unmittelbar danach will Hollande sich nach Berlin begeben, um Angela Merkel einen Antrittsbesuch abzustatten. Die Bundeskanzlerin hatte schon am Sonntagabend kurz mit ihm telefoniert und ihn eingeladen. Auch Barack Obama meldete sich bei Hollande und lud ihn ins Weiße Haus ein.
Die Schonfrist von 100 Tagen dürfte für Hollande entfallen. Bereits in der ersten Woche seiner Amtszeit steht er vor wichtigen internationalen Terminen. Er wird zum G8-Gipfel nach Chicago reisen und dort auch am Treffen der Nato-Staaten teilnehmen. Dort wird er erläutern müssen, wie er sich den vorzeitigen Abzug der französischen Truppen aus Afghanistan vorstellt, den er bis zum Jahresende durchführen will. Die Bundeskanzlerin erklärte, sie werde den neuen französischen Präsidenten "mit offenen Armen empfangen", ließ aber gleichzeitig durchblicken, dass sie nicht zu einer Neuverhandlung des Fiskalpakts bereit sei, die Hollande im Wahlkampf immer wieder gefordert hatte. Zwischen Regierungen geschlossene Verträge könnten nicht nach jeder Wahl infrage gestellt werden. So könne man in Europa nicht arbeiten.
Hollande scheint selbst von seinem Maximalziel abzurücken. In einem Interview, das er am Freitag gab und am Sonntagabend autorisierte, als er wusste, dass er die Wahl gewinnen würde, fordert er nicht mehr die Neuverhandlung des Fiskalpakts, sondern lediglich seine Ergänzung um Wachstumsmaßnahmen.
Dabei räumt er ein, dass es sich nicht um "die alten keynesianischen Rezepte von früher" handeln dürfe. "Zusätzliche öffentliche Ausgaben" seien keine geeigneten Maßnahmen. Stattdessen schwebt Hollande eine Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank vor, dazu "die Mobilisierung von Strukturfonds und eine Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen" sowie die Ausgabe von "Euro-Bonds oder Projekt-Bonds". Angesprochen auf den Widerstand von Angela Merkel gegen solche Maßnahmen antwortet Hollande: "Darüber werden wir mit unseren Partnern diskutieren, insbesondere mit unseren deutschen Freunden, aber die können uns nicht gleich zwei Wege gleichzeitig versperren: einerseits die Euro-Bonds und zum anderen die Refinanzierung der Schulden durch die Europäische Zentralbank."
+++ Für Angela Merkel wird es unbequem +++
Die Parteinahme Merkels für Sarkozy im Wahlkampf hat laut Hollande "keinerlei Folgen" für die deutsch-französischen Beziehungen. Auch Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing, Helmut Kohl und François Mitterrand oder Gerhard Schröder und Jacques Chirac hätten gut zusammengearbeitet, obwohl sie verschiedenen politischen Lagern entstammten. Allerdings will der neue französische Präsident künftig den Eindruck eines deutsch-französischen "Duopols" umgehen und die Zusammenarbeit mit den europäischen Institutionen und den übrigen Partnern stärken, um zu vermeiden, dass diese das Gefühl haben, "übergangen oder schlimmer noch unterworfen worden zu sein".
Hollande braucht auch einen Premierminister, der die französische Linke in die Parlamentswahlen führen soll, die am 10. und 17. Juni stattfinden. Die geschlagenen Konservativen der UMP wollen den Wahlgang zu einer "dritten Präsidentenwahlrunde" erklären und hoffen, mit der Furcht vor einem von der Linken kontrollierten Parlament ihre Stammwähler wieder mobilisieren zu können.