Sofern Libyens Despot Gaddafi nicht kapituliere, könne die Nato Angriffe monatelang fortsetzen, so der britische Verteidigungsminister.
London. Die NATO ist dem britischen Verteidigungsminister Liam Fox zufolge auf einen längeren Libyen-Einsatz vorbereitet. Es gebe Pläne für eine ganze Bandbreite von möglichen Szenarien, darunter auch eine monatelange Fortsetzung der NATO-Luftangriffe. Gleichwohl hoffe er, dass sich der libysche Machthaber Muammar al Gaddafi dem internationalen Druck beuge und abtrete, sagte Fox vor Abgeordneten. „Die Hoffnung von uns allen ist, dass Oberst Gaddafi erkennt, das Spiel ist aus.“
Fox bestätigte, dass die NATO diskutiere, welche weiteren Einrichtungen als Ziele von der verabschiedeten UN-Resolution zum Libyen-Einsatz gedeckt sind. Die internationale Gemeinschaft „wird nicht aufhören, bis die Aufgabe ordentlich erledigt ist“, sagte der britische Verteidigungsminister.
Auch am Montag flog die Allianz mehrere Angriffe auf Libyen, darunter auch auf die Hauptstadt Tripolis. Nachdem drei Explosionen zu hören waren, stieg eine dichte Rauchwolke auf, die gut vom Rixos-Hotel zu sehen war, wo viele Journalisten untergebracht sind.
Das libysche Fernsehen berichtete von Angriffen auf den Stadtteil Tadschura sowie auf die 50 Kilometer westlich gelegene Stadt Sawija. Dabei soll es dem Staatsfernsehen zufolge Tote und Verletzte gegeben haben.
Den Haag beantragt Haftbefehl gegen Gaddafi
Wie wichtig kann dieser Schritt sein? Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Haftbefehl gegen Muammar al Gaddafi sowie seinen Sohn Seif al Islam und den Geheimdienstchef Abdullah al Sanussi beantragt. Der stellvertretende Außenminister kündigte an, in Tripolis schenke man dieser Tatsache keine Beachtung. Guido Westerwelle dagegen begrüßte diese Entscheidung. Ein weiteres Ereignis in Libyen begleitete diesen Vorgang: In Misrata konnten Kämpfer der Rebellen eine strategisch wichtige Stellung erobern.
IStGH-Chefankläger Luis Moreno-Ocampo warf Gaddafi, dessen Sohn Seif al Islam und dem Geheimdienstchef Abdullah al Sanussi vor, illegale Angriffe angeordnet, geplant und durchgeführt zu haben. Die Vorgänge stellten nicht nur ein Verbrechen gegen das libysche Volk, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.
Gaddafis Streitkräfte hätten Zivilpersonen in ihren Häusern angegriffen, auf Demonstranten geschossen, Trauerfeiern unter Beschuss genommen und Scharfschützen aufgestellt, um Menschen zu töten, die Moscheen verließen, sagte Moreno-Ocampo. Gaddafi habe die Anweisungen gegeben, sein Sohn Seif habe Söldner rekrutiert, und Sannusi sei direkt an den Übergriffen beteiligt gewesen.
Richter müssten jetzt die vorliegenden Beweise bewerten und entscheiden, ob ein Haftbefehl gegen die drei Libyer erlassen wird. „Der Fall liegt jetzt in ihren Händen“, sagte Moreno-Ocampo auf einer Pressekonferenz in Den Haag. Sein Team habe bereits so viele Beweise gesammelt, dass er bereit sei, vor Gericht zu gehen. Er ermittle außerdem weiter zu Vorwürfen von Massenvergewaltigungen und Kriegsverbrechen, die während des Konflikts von „verschiedenen Parteien“ verübt worden sein sollen.
Die libyschen Rebellen begrüßten die Entscheidung Moreno-Ocampos. Sie sei „ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg, mehr Druck auf Gaddafi und seinen Sohn auszuüben“, sagte Guma el Gamati, ein Vertreter der libyschen Opposition in Großbritannien.
Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Beantragung der Haftbefehle und das entschlossene Vorgehen des IStGH. Gaddafi und seine Gefolgsleute seien mit äußerster Härte und Menschen verachtender Brutalität gegen die Rebellen vorgegangen, teilte er in einer Erklärung mit. Der britische Außenminister William Hague sagte, „das Verhalten des Regimes von Gaddafi sorge weiterhin für große Beunruhigung“.
In der Hafenstadt Misrata konnten die Aufständischen unterdessen eine weitere strategisch wichtige Stellung der Regierungstruppen erobern. Nach den Luftangriffen der NATO in den vergangenen Tagen sei es möglich gewesen, den in einem Außenbezirk von Misrata gelegenen Ort einzunehmen, sagte Abdel Salam, ein Kämpfer der Rebellen, der Nachrichtenagentur AP.
In der südöstlich von Tripolis gelegenen Stadt Slitan konnten die Rebellen eigenen Angaben zufolge am Montag zwei Brigaden der Regierungstruppen vertreiben. Von unabhängiger Seite konnten die Angaben zunächst nicht bestätigt werden.
Die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls dürfte keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Kampfhandlungen in Libyen haben. Da die Untersuchung vom UN-Sicherheitsrat beantragt worden war, wären aber alle UN-Staaten dazu verpflichtet, Gaddafi festzunehmen, sollte dieser ihr Staatsgebiet betreten.
Einige Staaten haben allerdings bereits angekündigt, einen möglichen Haftbefehl zu missachten, sollte Gaddafi ins Exil gehen. In einem ähnlichen Fall hatten in der Vergangenheit auch drei Staaten einen Besuch des sudanesischen Präsidenten Omar al Baschir erlaubt, gegen den ebenfalls nach einem Antrag des Sicherheitsrates ein Haftbefehl des IStGH erlassen wurde.