Rauch über einem Anwesen der Familie des Diktators. Bisher 750.000 Flüchtlinge aus Libyen – und die Lage wird immer dramatischer.
Tripolis/New York. Kampfflugzeuge der Nato haben in der Nacht auf Dienstag mindestens vier Luftangriffe auf die libysche Hauptstadt Tripolis geflogen. Es waren laute Explosionen zu hören und über der Stadt stiegen Rauchsäulen auf. Zwischen den Luftangriffen warf ein Flugzeug Leuchtfackeln ab. Einige Bewohner antworteten mit Schüssen in die Luft. Eines der getroffenen Gebäude gehörte nach Angaben von Bewohnern dem Militärgeheimdienst. In den frühen Morgenstunden wurde Journalisten ein getroffenes Gebäude gezeigt, das manchmal von Parlamentariern genutzt wird. Welchen Zielen die anderen Luftangriffe gegolten hatten, war zunächst unklar. Der Rauch schien jedoch über einem weitläufigen Anwesen der Familie von Machthaber Muammar al-Gaddafi aufzusteigen.
Nach den Bombenangriffen waren in der Stadt Sirenen und Gewehrfeuer zu hören. Nach Angaben eines Wächters traf mindestens eine Bombe ein Gebäude, in dem zahlreiche zivile Organisationen untergebracht waren. Berichte über mögliche Opfer gab es zunächst nicht. In einer von Gaddafis Regierung organisierten Tour wurden Journalisten zu einer Spezialklinik für Verbrennungsopfer und plastische Chirurgie geführt. Ein Arzt dort berichtete, bei einem der Bombenangriffe seien Scheiben zu Bruch gegangen, ein junger Patient sei durch Glassplitter verletzt worden. Die genaue Einschlagstelle der Bombe durften Reporter nicht besichtigen.
Nach Uno-Angaben sind seit Beginn der Kämpfe zwischen Truppen von Machthaber Gaddafi und der Opposition bereits fast 750.000 Menschen aus Libyen geflohen. Der Konflikt zwischen Gaddafi-Anhängern und Rebellen, der Zusammenbruch der staatlichen Infrastruktur sowie Mangel an Geld und Benzin stellten die Bevölkerung des Landes vor „ernste Probleme“, erklärte Uno-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos in New York. Angaben zur Zahl der Todesopfer seit Beginn des Konfliktes Mitte Februar nannte Amos nicht.
Nach Erkenntnissen der Uno haben bereits 746.000 Libyer das Land verlassen, etwa 5000 sitzen an Grenzübergängen nach Ägypten, Tunesien und Niger fest und 58.000 sind im Osten Libyens auf der Flucht. Versorgungsengpässe lähmten das ganze Land und bedrohten vor allem die Ärmsten und Schwächsten, warnte die Uno-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos. Von notwendigen 300 Millionen Dollar (208 Millionen Euro) Nothilfe für Libyen hätten die Vereinten Nationen bisher 144 Millionen erhalten. Amos rief zu einer Waffenpause auf, damit Hilfsgüter verteilt werden könnten. Ungeachtet der Forderungen der internationalen Gemeinschaft würden Zivilisten weiter angegriffen. Die Konfliktparteien sollten Zivilisten verschonen, verlangte Amos. (dpa/dapd/AFP)