EU beschließt Waffenembargo gegen Syrien und friert Vermögen von 13 Regierungsbeamten ein. Regime durchsucht Häuser nach Gegnern.

Beirut. Die syrische Armee hat am Montag in den Vorstädten von Damaskus, in Homs und in Banias erneut hunderte Menschen festgenommen. In Homs rückten gepanzerte Einheiten in drei Stadtviertel ein, berichteten Menschenrechtsaktivisten. Die Sicherheitskräfte würden Haus für Haus nach Sympathisanten der Protestbewegung durchsuchen. In Homs und in Banias kappten die Behörden den Berichten zufolge die Strom- und Wasserversorgung sowie Telefon- und Internet-Verbindungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich besorgt über die Gewalt gegen Demonstranten in Syrien. Die EU beschloss Sanktionen gegen Führungspersonen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad, jedoch nicht gegen den Machthaber selbst.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, dass „eine groß angelegte Operation“ im Gang sei, „um jeden Versuch der Destabilisierung des Landes zu unterbinden“. Insgesamt sechs Armeeangehörige, unter ihnen drei Offiziere, seien getötet worden, als sie in Homs und Banias unter Feuer gerieten. Von unabhängiger Seite ließ sich das nicht bestätigen.

Seit Beginn der Proteste am 18. März starben nach Informationen der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter 631 Zivilisten und mehr als 120 Angehörige der Sicherheitskräfte. Das Regime von Präsident Assad versucht mit massiver Gewalt, die landesweite Massenbewegung für einen demokratischen Wandel zu unterdrücken.

Sana meldete außerdem, zehn Arbeiter seien in der Nähe von Homs angegriffen und getötet worden. Die Männer hätten im Libanon gearbeitet und seien auf dem Weg in ihre Heimatstadt Homs gewesen. Sie wurden laut Sana Opfer einer „bewaffneten Bande“. Ein Oppositioneller zog diesen Bericht in Zweifel. Er sagte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Beirut: „Wer würde es denn wagen, auf einen Bus zu schießen, während hunderte Soldaten in den Straßen stehen?“

Die Regierungen der 27 EU-Staaten stimmten einer bereits am vergangenen Freitag auf den Weg gebrachten Liste von Sanktionen nun offiziell zu, wie der Ministerrat in Brüssel mitteilte. Darin heißt es auch, die EU habe ein Einreiseverbot gegen 13 syrische Regierungsbeamte verhängt, wonach ihnen Reisen in die 27 EU-Mitgliedstaaten untersagt seien. Die Vermögen der 13 Beamten würden eingefroren, hieß es weiter.Außerdem verhängte die EU ein Waffenembargo.

Die Entwicklung im Nahen Osten war nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert Thema eines Telefonats von Bundeskanzlerin Merkel mit dem Emir des Golfstaates Katar, Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani. Merkel habe dabei erneut ihre große Besorgnis angesichts des gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstranten in Syrien zum Ausdruck gebracht.

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Assad geht brutal gegen Frauen und Kinder vor

Die Lage in Syrien verschärft sich zunehmend. Immer massiver geht Präsident Baschar Assad gegen Regierungsgegner vor. So wurde etwa die Küstenstadt Banias komplett abgeriegelt.Banias, eine der wichtigsten Städte für den syrischen Ölexport, hat eine potenziell explosive, religiöse Mischung aus Sunniten und Alawiten, der Religionsgruppe von Präsident Assad. Die Stadt ist eine der Hochburgen der Proteste gegen die Regierung. Sicherheitskräfte riegelten am Wochenende die Stadt komplett ab und nahmen mehr als 200 Menschen fest. Darunter auch ein gerade mal zehn Jahre altes Kind. wie der Leiter der Organisation SOHR, Rami Abdul Rahman, am Sonntag erklärte. Weitere Augenzeugen vor Ort berichteten, dass mindestens sechs Menschen getötet worden seien.

Dies alles geschah in der Nacht zum Sonnabend. Mit dem Vorgehen gegen den zehnjährigen Jungen wollten die Sicherheitskräfte offenbar „seine Eltern bestrafen“. Ausserdem haben syrische Truppen bei ihrem Einmarsch mit Infanterie und Panzern drei friedlich demonstrierende Frauen erschossen. Die Opfer hatten öffentlich die Freilassung ihrer Angehörigen gefordert. Bei den Angriffen erlitten fünf Demonstranten teilweise schwere Verletzungen. In der ganzen Stadt sind die Wasser- und Stromversorgung sowie fast alle Kommunikationsmöglichkeiten unterbrochen. Banias ist jetzt von allen Seiten umstellt, niemand kann hinaus“ sagte ein Bewohner der Stadt. Die Streitkräfte hätten außerdem die ehemalige Kreuzfahrerburg Margat eingenommen, die auf einem Hügel über Banias liegt. Die Panzer seien am Morgen in Richtung der südlichen Stadtteile eingerückt, wo der Widerstand gegen die Regierung in Damaskus besonders stark ist, sagten die Aktivisten. Einwohner hätten „menschliche Schutzschilde gebildet“, um die Panzer an ihrem Vordringen zu hindern. In der Stadt wurden den Angaben zufolge die Kommunikationsverbindungen sowie die Stromversorgung gekappt. Vor der Küste patrouillierten Marineschiffe.

In Banias habe sich eine Atmosphäre der Angst und Besorgnis breitgemacht, sagte ein Augenzeuge. Zwei Drittel der Bevölkerung - vor allem Frauen und Kinder – seien schon zuvor aus der Stadt geflüchtet. Aktivisten, die mit Bewohnern in Kontakt waren, bestätigten die Berichte des Augenzeugen.

Wenige Stunden vor dem Truppenaufmarsch waren bei Massenprotesten gegen Assad nach Angaben von Aktivisten landesweit 30 Menschen getötet worden. Die Einwohner von Banias fürchteten bereits einen groß angelegten Militäreinsatz wie kürzlich in der südlichen Stadt Daraa. Obwohl die Regierung am Donnerstag das Ende des elftägigen Einsatzes ankündigte, haben die Truppen nach Angaben von Bewohnern Daraa bislang nicht verlassen.

In einem anderen Zentrum der Proteste, der Stadt Homs, versammelten sich am Samstag tausende Menschen zum Begräbnis dreier Demonstranten, die am Freitag getötet worden waren. In Sakba, einem Vorort von Damaskus, wurde ein Mann beerdigt, den Sicherheitskräfte auf seinem Motorrad erschossen hatten. Aktivisten berichteten von Anti-Regierungs-Protesten bei beiden Begräbnissen.Internationale Kritik scheint Syriens Despoten Baschar Assad nicht zu stören. Die syrischen Streitkräfte belagern seit Sonnabendmorgen die Küstenstadt Banias und versuchen die Protestbewegung mit massiver Militärpräsenz zu unterdrücken. Panzer rückten in die nordwestsyrische Stadt ein, vor der Küste wurden Kanonenboote stationiert, berichteten Menschenrechtsvertreter. In drei sunnitischen Dörfern südlich von Banias seien Menschen festgenommen, Hausdurchsuchungen durchgeführt worden, hieß es weiter. Stromleitungen wurden gekappt, Telefonverbindungen mit der Stadt und deren Umland waren unterbrochen. Es drangen kaum Informationen nach außen. Derweil hat die Protestbewegung erstmals freie Wahlen als Bedingung zur Beendigung der Demonstrationswelle gegen Präsident Baschar Assad gemacht.

Die UN wollen ein Team nach Syrien entsenden um die Lage zu untersuchen, kündigten sie am Sonnabend an. Die am Freitag beschlossenen Sanktionen der Europäische Union gegen das Regime dürften kommende Woche in Kraft treten. Beide Schritte werden als schwere Schläge für Assad gesehen, der in seinen elf Jahren an der Macht versucht hatte, sein Land aus dem internationalen Abseits zu manövrieren. In Washington forderte der Sprecher des US-Außenministeriums, Mark Toner, von der syrischen Regierung einen Verzicht von „Gewalt gegen unschuldige Bürger, die nur demonstrieren und versuchen ihre Hoffnungen für eine demokratischere Zukunft darzulegen“. Banias ist nach der südlichen Stadt Daraa die zweite Rebellen-Hochburg, in die das Militär einrückte. Am Sonntag wurden auch aus der Stadt Homs Truppenbewegungen berichtet. Insgesamt starben seit Mitte März rund 600 Menschen durch die Gewalt des Regimes.

(abendblatt.de/mit Material von dpa/dapd/afp)