Berlin. Deutschland diskutiert über die Rundfunkgebühren. Experten zweifeln, ob Sparvorgaben durch die Politik reichen – und sagen, was möglich wäre.

Weniger Online-Texte veröffentlichen, über 20 Hörfunkprogramme und einige lineare Fernsehprogramme streichen – die Politik hat den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland einige Hausaufgaben in den neuen Reformstaatsvertrag geschrieben. Doch Experten zweifeln, ob sich dadurch wirklich Geld einsparen lässt. Fünf wirklich schmerzhafte Reformen für ARD, ZDF & Co., die vielleicht sogar dazu führen würden, dass der Rundfunkbeitrag sinkt.

1. Zahl der Schwarzseher konsequenter reduzieren

Könnte der Rundfunkbeitrag sinken, wenn alle, die sich bislang weigern, regelmäßig zahlen würden? Vermutlich, sagt der Leipziger Medienrechtsprofessor Hubertus Gersdorf im Gespräch mit unserer Redaktion. „Haushalte, die ihren Rundfunkbeitrag bewusst nicht zahlen, sorgen letztlich für eine Mehrbelastung der Pflichtbewussten. Es liegt an dem Beitragsservice, dafür zu sorgen, die Zahl der Schwarzseher nach unten zu bringen. Dann müsste man den Rundfunkbeitrag nicht erhöhen, sondern könnte ihn sogar senken“, so der Jurist.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland soll sparen. Zuletzt hatten sich die Länder darauf geeinigt, dass der Rundfunkbeitrag zunächst bei 18,36 Euro im Monat bleiben soll, dabei war eigentlich eine Erhöhung um 58 Cent vorgesehen. ARD und ZDF haben schon Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland soll sparen. Zuletzt hatten sich die Länder darauf geeinigt, dass der Rundfunkbeitrag zunächst bei 18,36 Euro im Monat bleiben soll, dabei war eigentlich eine Erhöhung um 58 Cent vorgesehen. ARD und ZDF haben schon Verfassungsbeschwerde eingelegt. © AFP | Tobias Schwarz

Der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio teilte auf Anfrage mit, dass Zahlen dazu, wie viele Menschen „sich weigern, den Rundfunkbeitrag zu zahlen“, nicht vorliegen. Ende 2023 seien aber rund 92 Prozent der insgesamt knapp 47 Millionen Beitragskonten ausgeglichen gewesen. Das heißt aber auch: 8 Prozent – also etwa 3,8 Millionen Haushalte – zahlten die monatliche Gebühr nicht, befanden sich somit im Mahnverfahren oder der Vollstreckung.

2. Beitragsfestsetzungsverfahren verändern

Momentan läuft es so: Die Rundfunksender melden, wie viel Geld sie benötigen, um aus ihrer Sicht ihren Programmauftrag erfüllen zu können. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) prüft und legt dann den konkreten Rundfunkbeitrag für die nächste Beitragsperiode fest. Gersdorf hält das aktuelle Beitragsfestsetzungsverfahren nicht für das richtige Steuerungsinstrument.

„Wir wissen, was beauftragt ist, ist später zu finanzieren. Das ist auch richtig, aber bedeutet, dass man an das Verfahren rangehen muss, wie beauftragt wird“, sagt der Jurist. Derzeit sei es so, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk gewissermaßen selbst beauftrage. „Neben der KEF, die sich um die Wirtschaftlichkeit kümmert, braucht es daher eine externe Angebotskommission, die überprüft, ob ein möglicherweise neues, von den Anstalten vorgeschlagenes Angebot in Einklang steht mit dafür notwendigen Mehrbelastungen der Beitragszahler“, erklärt er. Die dafür notwendige Kommission müsste man nicht neu erfinden. Angesiedelt werden könnte eine solche Stelle bei den Landesmedienanstalten, die derzeit schon als Aufsichtsbehörden für den privaten Rundfunk zuständig sind.

3. Das Zweite Deutsche Fernsehen privatisieren

Selbstverständlich ließe sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in seiner Struktur verändern, wollte man tatsächlich die monatlichen Gebührenzahlungen der deutschen Haushalte reduzieren. Denkbar zum Beispiel ist eine Privatisierung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF). An den Sender fließen derzeit 4,69 der 18,36 Euro Rundfunkbeitrag im Monat – also gut 25 Prozent. Teile von CDU und FDP hatten so einen Schritt in den vergangenen Jahren schon mal ins Spiel gebracht.

Technische Störung beim ZDF - Mediathek nicht erreichbar
Das Gebäude des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) auf dem Lerchenberg in Mainz. Den Sender privatisieren, um den Rundfunkbeitrag zu senken? Eine denkbare Möglichkeit. © picture alliance/dpa | Helmut Fricke

Aufkündigen müsste die Politik dafür zunächst den sogenannten ZDF-Staatsvertrag. Danach denkbar: eine Privatisierung einzuleiten. Betriebsvermögen wie Studios, Technik oder Immobilien sowie die Marke ZDF an sich dürften viele Milliarden wert und interessant für Investoren sein. Experte Gersdorf hat zu diesem Szenario allerdings eine klare Meinung: „Würde man das ZDF privatisieren, würde ein Investor sicherlich zuerst beim Informationsangebot sparen, weil man mit Nachrichtensendungen kein Geld verdienen kann. Für uns als demokratische Gesellschaft wäre das ein sehr schlechter Schritt“, sagt der Rundfunkexperte.

4. Profi-Fußball-Übertragungen und Unterhaltungsshows streichen

Die Sportschau mit Zusammenfassungen der Bundesliga, Fußball-Länderspiele der Männer-Nationalmannschaft als Live-Übertragung, die Schlagersendungen mit Florian Silbereisen oder die Musikshow mit Giovanni Zarrella – laut Hartmut Gersdorf alles verzichtbar, zumindest im Ersten und im ZDF. „Ich finde es fragwürdig, in das Portemonnaie der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen, für etwas, das problemlos auch im Privatfernsehen verfügbar wäre“, sagt Gersdorf.

Dem neuen Reformstaatsvertrag zufolge müssen sich ARD und ZDF in Bezug auf Fußball & Co. zunächst allerdings nicht einschränken. Auch in den kommenden Jahren stehen für den Kauf von Sport-Übertragungsrechten 400 Millionen Euro zur Verfügung – pro Jahr. Gersdorf hält das für falsch. Stattdessen sollten sich die Sender auf Nischensportarten konzentrieren, die bei den werbefinanzierten Privatsendern kein Publikum finden würden.

ARD-Livesendung «Das Adventsfest der 100.000 Lichter»
Moderator Florian Silbereisen bei einer „Feste“-Show im Ersten: Ein Professor fordert solche Unterhaltungssendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu streichen. © DPA Images | Bodo Schackow

Widerspruch kommt von Marcus Maurer, Publizistik-Professor von der Uni Mainz. Maurer sagt, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Bildungsauftrag überhaupt erfüllen könne, müssten auch Inhalte gezeigt werden, für die sich die Menschen interessierten. „Nur für die Tagesschau würde letztlich auch niemand mehr einschalten“, so Maurer.

5. Rundfunkanstalten zusammenlegen

Die wohl älteste Idee in der Debatte um schärfere Sparvorgaben für die Öffentlich-Rechtlichen: Strukturen zu verschlanken, in dem man die Zahl der ARD-Rundfunkanstalten reduziert. Ein solcher Schritt ist machbar, ist bislang aber immer an den Bundesländern selbst gescheitert. Selbst so kleine Ländersender wie Radio Bremen oder der Saarländische Rundfunk existieren noch immer als eigenständige Einheit – mit jeweils hochbezahlten Intendanten.

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Würde man Sender zusammenlegen, ließe sich sparen, vor allem im Bereich Verwaltung und Personal. Ein wirklich großer Wurf wären sogenannte Mehrländeranstalten. Vorbild dafür könnte zum Beispiel der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) sein, der für die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zuständig ist. „Denkbar wäre, in etwa gleich große Einheiten aufzubauen – jeweils mit Blick auf die zu erreichende Bevölkerung im Sendegebiet“, erklärt Jurist Gersdorf.

Also: Der WDR könnte mit einem potenziell zu erreichenden Publikum von knapp 18 Millionen Menschen wohl eigenständig bleiben. MDR und RBB würden sich zusammenschließen, ebenso der HR und der BR. Radio Bremen würde im NDR aufgehen, der Saarländische Rundfunk im SWR. So würden aus neun ARD-Anstalten fünf.