Washington. Formalität macht den Weg frei für die Rückkehr ins Weiße Haus. Um die Neuauflage von Trumps Präsidentschaft rankt sich eine zentrale Frage.
Vier Jahre sind seit Donald Trumps erster Präsidentschaft verstrichen, und in einem Monat wird der Republikaner seine zweite Amtszeit im Oval Office des Weißen Hauses antreten. Seit Trumps Abschied hat sich die Demokratie, die mit dem blutigen Aufstand im Kapitol ins Wanken geraten war, erkennbar stabilisiert.
Das kommt nicht zuletzt in der Auszählung der 438 Elektorenstimmen zum Ausdruck, die am Dienstagabend in den Hauptstädten der 50 US-Staaten stattfand. Die Wahlmänner bestätigten problemlos den relativ deutlichen Wahlsieg des ehemaligen und künftigen Präsidenten.
Donald Trump durch das Electoral College bestätigt
Die Auszählung durch das sogenannte „Electoral College“ unterstreicht, wie sich die Demokratie seit den Turbulenzen während der ersten Trump-Regierung erholt hat. So haben jahrzehntelang weder die Medien noch die Öffentlichkeit von der amtlichen Bestätigung des Wahlausgangs Notiz genommen. Denn das Verfahren selbst sollte eine reine Formalität sein, und das war dieses Jahr zum ersten Mal seit 2016 wieder der Fall.
Die Elektoren-Versammlungen liefen nämlich ohne Zwischenfälle ab. Durchaus passend war, dass die 40 Wahlmänner im tief republikanischen Texas den Immobilien-Tycoon als Sieger bestätigten. Anschließend unterschrieben die Wahlaufseher sogenannte „Feststellungszertifikate“ – „certificates of ascertainment“.
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Diese werden an das Nationalarchiv in Washington gehen. Am 6. Januar 2025 wird dann der Senatspräsident – bis zu Trumps Inauguration wird das Vizepräsidentin Kamala Harris sein – die Stimmen auszählen und Donald Trump als 47. Präsidenten „zertifizieren“.
„Falsche Wahlmänner“ sollten 2020 Bidens Sieg kippen
Deutlich mehr als eine prozedurale Formalität war aber das Verfahren vor vier Jahren. Trump, sein damaliger Anwalt Rudy Giuliani und die republikanischen Parlamentsvorsitzenden in sieben Staaten wollten den legitimen Sieg des Demokraten Joe Biden nicht anerkennen. Sie tüftelten einen komplexen Plan aus, um eine Liste „alternativer Wahlmänner“ nach Washington zu schicken.
Die Advokaten beriefen sich auf ein umstrittene Gesetzeslücke, die es dem damaligen Vizepräsidenten Mike Pence theoretisch erlaubt hätte, die „falschen Elektoren“ anzuerkennen und bei der Zertifizierung Trump zum Sieger zu erklären.
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Pence berief sich aber auf seine verfassungsmäßige Pflicht als Senatspräsident und widersetzte sich dem Willen seines Chefs. Das wiederum pflasterte den Weg für den blutigen Aufstand am 6. Januar, bei dem aufgebrachte Trump-Anhänger die „Hinrichtung“ seines Stellvertreters forderten.
Wird Trump den Rechtsstaat unterlaufen?
Unterdessen rankt sich eine zentrale Frage um die Neuauflage der Trump-Präsidentschaft: Wie geht es mit der US-Demokratie weiter? Sorgen sind angebracht, weil Trump während seiner ersten Amtsperiode gelernt hat, die Schalthebel der Macht zu manipulieren. Wird er diese Machtinstrumente nun nutzen, um den Rechtsstaat zu stärken, oder um diesen zu unterlaufen?
Letzteres durch eine protektionistische Handelspolitik, die auf Dekreten beruht und den Kongress umgeht? Durch eine Außenpolitik, die gültige, internationale Abkommen ignoriert? Und durch eine Personalpolitik, die von Ideologie und persönlicher Loyalität geprägt ist? Wo das Misstrauen gegenüber rechtsstaatlichen Institutionen Vorrang hat vor fachlicher Kompetenz?
Kommt nun eine US-Autokratie?
So undramatisch die Abstimmung der Wahlmänner in den 50 Hauptstädten am Dienstag verlief, wird auch Trumps Bestätigung am 6. Januar über die Bühne gehen. Wie aber geht es weiter, wenn der Unternehmer zwei Wochen später die Regierungsgeschäfte übernimmt?
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Trump hat bereits angekündigt, dass die Begnadigung vieler der Randalierer vom 6. Januar zu seinen ersten Amtshandlungen zählen wird. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Justiz und insbesondere der Richter“ schimpft der Rechtsanwalt Michael Armstrong. „Diese Gerichte haben gewalttätige Verbrecher in völlig korrekten Verfahren verurteilt. Trump will sie nur deswegen begnadigen, weil sie zu seinen glühendsten Anhängern zählten“.
Wie Trump Importzölle im Alleingang anordnen könnte
Bald danach könnte wie auch 2017 der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen folgen. Zudem plant der Republikaner, während der ersten Tage umfassende Einfuhrzölle zu verhängen. Anders als frühere Präsidenten aber nicht auf der Grundlage gültiger Handelsgesetze. Trump will nämlich die Abgaben, die für Einfuhren aus Europa 20 Prozent und für chinesische Importe 60 Prozent erreichen könnten, im Alleingang anordnen.
Berufen könnte er sich dabei auf den „International Emergency Economic Powers Act“ (IEEPA) oder den „Trading with the Enemy Act“ (TWEA) aus dem Jahr 1917. Diese räumen einem Präsidenten im Falle eines „nationalen Notstands“ oder beim „Handel mit Feinden“ unbegrenzte Vollmachten ein. Wann aber ein „Notstand“ vorliegt oder ein Handelspartner ein „Feind“ ist, das wird Trump selbst bestimmen.
Trumps Kampfansage an die Medien
Autokratische Züge weist auch sein gestörtes Verhältnis zum Justizministerium und den Geheimdiensten auf. Die Trumpistin Pam Bondi soll an der Spitze des Justizressorts seinen politischen Gegnern Prozesse machen. Die frühere Staatsanwältin hatte nach der Wahlniederlage vor vier Jahren gesagt, „dass meine Kollegen und ich Pennsylvania nicht verlassen werden, eher Präsident Trump zum Sieger erklärt wird“.
Sämtliche Klagen, die sie dort einreichte, wurden aber abgewiesen. Auch Kash Patel, den der künftige Präsident an die Spitze des Bundeskriminalamts FBI berufen will, hat versprochen, „dass ich alle Gegner des Präsidenten verfolgen werde“.
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Unterdessen feierte Trump im Kampf gegen eines seiner größten Feindbilder – nämlich freie Medien – einen wichtigen Etappensieg. Trump erhielt im Zuge eines Vergleichs 15 Millionen Dollar Schadenersatz, weil Moderator George Stephanopoulos gesagt hatte, dass Trump wegen Vergewaltigung verurteilt wurde.
Haarspalterei, sagen Experten, denn tatsächlich verlor der Republikaner das Verfahren wegen eines „sexuellen Überfalls“. Der Vergleich hat aber Trump Mut gemacht. Mittlerweile hat er weitere Klagen eingereicht.
„Donald Trump ist ein Faschist“
Der drohende Wandel von der US-Demokratie zu einem autoritären System ist mittlerweile auch Gegenstand mehrerer Bücher. In „Democracy Awakening“ warnt Heather Cox Richardson vor der Gefahr einer Autokratie unter Trump. „Machen wir uns nichts vor, Donald Trump ist ein Faschist“ sagt die Autorin.
„Er will seine Gegner bestrafen, darunter die Medien. Er will die Geheimdienste, die Justiz und das Militär kontrollieren, um seinen eigenen Willen durchzusetzen“. Dass ein Präsident so unverfroren über den Sturz der Demokratie redet, „das hat es in Amerika noch nie gegeben“.
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