Erfurt/Berlin. 2020 machte FDP-Politiker Kemmerich Schlagzeilen, als er mit AfD-Stimmen in Thüringen ins Amt kam. Jetzt ist die Lage wieder kompliziert.
Erlebt Thüringen erneut eine schlagzeilenträchtige Ministerpräsidentenwahl? Vier Jahre nachdem der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten gewählt wurde, steht an diesem Donnerstag wieder eine Ministerpräsidentenwahl im Erfurter Landtag an.
Einziger Kandidat im ersten Wahlgang ist der CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt. Seine mühsam geschmiedete Koalition aus CDU, BSW und SPD verfügt allerdings nur über 44 von 88 Stimmen im Landtag. Er braucht deshalb mindestens eine Stimme aus der Opposition, um direkt im ersten Wahlgang gewählt zu werden. Allerdings gibt es Unvereinbarkeitsbeschlüsse der CDU mit der AfD und der Linken. Beide Parteien stellen die Opposition im Landtag.
CDU-Zentrale akzeptiert Zusammenarbeit seit 2020 stillschweigend
Deshalb wird die CDU-Zentrale in Berlin ganz genau hinschauen, wie Voigt das Dilemma löst. Schon nach der Landtagswahl 2019 und der durch die Kemmerich-Wahl ausgelösten Regierungskrise in Thüringen war es zu einer faktischen Zusammenarbeit zwischen der Linken als Regierungspartei und der CDU in der Opposition gekommen.
In der Unionsspitze wurde das stillschweigend akzeptiert. Bringt nun die neuerliche Zusammenarbeit den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in Bedrängnis? Nach Informationen dieser Redaktion hat Voigt das Adenauerhaus darüber informiert, mit den Linken ins Gespräch zu gehen, und soll darauf gedrungen haben, dass es keine Einmischungen aus Berlin gibt. CDU-Chef Merz wiederum betonte in der Vergangenheit, dass die Thüringer Themen auch in Thüringen gelöst würden.
Nachdem Bodo Ramelow in Thüringen als linker Ministerpräsident eine Minderheitskoalition geführt hat, der vier Stimmen zur Mehrheit fehlten, schickt sich Mario Voigt nun an, eine Regierung zu bilden, die ebenfalls nicht auf eine Mehrheit kommt. Der Unterschied allerdings: CDU, Wagenecht-Partei und SPD verfügen zumindest über die gleiche Stimmenanzahl wie die Opposition. Heißt: Es fehlt nur eine Stimme zur Mehrheit.
Patt in Thüringen: Brombeer-Koalition hat 44 von 88 Stimmen
Dass Voigt nun schon im ersten Wahlgang Ministerpräsident werden könnte, liegt vor allem an den mit der Linken geführten Gesprächen. Am Mittwoch signalisierte deren Fraktionsvorsitzender Christian Schaft gegenüber dieser Redaktion, dass seine Fraktion gewillt sei, ihren Beitrag zu leisten, dass es zu einer „demokratischen Mehrheit“ im Landtag komme. Heißt übersetzt: Die Linken lassen Voigt ins Amt, wenn der ihre Bedingungen erfüllt und die Zusammenarbeit der sogenannten „Brombeer“-Koalition mit der Linkspartei regelt. Dass das geschieht, danach sah es am Mittwoch aus.
Die eine Stimme, die im ersten Wahlgang zur Mehrheit reichen würde, könnte ausgerechnet der geschäftsführende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) liefern, der als Abgeordneter über genau diese eine Stimme verfügt. Ramelow betonte stets, dass er alles in seiner Macht stehende für einen geordneten Regierungswechsel unternehmen wolle. Die Stimmen der Linken gebe es aber nur zusammen.
Höcke-AfD stellt im ersten Wahlgang keinen Kandidaten
Ausgeschlossen ist, dass die AfD einen Kandidaten im ersten Wahlgang stellt. Die von dem Rechtsextremisten Björn Höcke geführte Fraktion könnte frühestens im zweiten Wahlgang eingreifen, da sie die 48-Stunden-Frist für einen Wahlvorschlag im ersten Wahlgang hat verstreichen lassen.
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