Berlin. Nach dem Ende der Koalition spielt der Bundespräsident eine zentrale Rolle. Ein vertrauliches Treffen mit Friedrich Merz hat Brisanz.
Es ist ein vertrauliches Treffen, doch nach dem Ampel-Bruch bekommt es plötzlich große öffentliche Bedeutung: Am Donnerstag steht im Terminkalender von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Informationen unserer Redaktion ein Gespräch mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Der Austausch sei vor Wochen vereinbart worden, bestätigt das Präsidialamt, so wie Steinmeier auch die anderen Parteichefs und den Kanzler regelmäßig zu Unterredungen ins Schloss Bellevue einlade. Aber auch wenn Steinmeiers Umfeld zu geplanten Inhalten des Treffens schweigt, es wird nun vor allem um das Ende der Ampel-Koalition gehen – und um mögliche Optionen für die nächsten Monate. Denn dabei spielt der Bundespräsident eine Schlüsselrolle, er hat auch ein paar Fragen an Friedrich Merz.
Steinmeier, wird in seiner Umgebung versichert, ist sehr genau im Bilde über die Szenarien rund um das Ampel-Aus. Nach dem Grundgesetz können weder die Bundestagabgeordneten noch der Bundeskanzler einfach selbst Neuwahlen beschließen. Stattdessen erlaubt die Verfassung die vorzeitige Auflösung des Bundestages nur in zwei Fällen – und in beiden ist der Präsident gefragt. Entweder erreicht nach einer Wahl kein Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers die absolute Mehrheit im Bundestag. Oder ein amtierender Bundeskanzler stellt die Vertrauensfrage und verliert, hat also die Mehrheit sichtbar nicht mehr hinter sich – dann kann der Präsident das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen, er muss es aber nicht. Steinmeier muss sich also entscheiden, wenn Olaf Scholz die angekündigte Vertrauensfrage wie zu erwarten nicht besteht.
Ampel-Krise: Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist es nicht die erste Krise
Solche Krisen sind die eigentlichen Bewährungsproben für das Staatsoberhaupt. Für Steinmeier ist es nicht das erste Mal. Nach der Bundestagswahl 2017 hatte der Präsident maßgeblichen Anteil daran, dass sich Union und SPD doch noch zu einer Großen Koalition zusammenrauften, nachdem Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und den Grünen für ein Jamaika-Bündnis gescheitert waren. Steinmeier signalisierte den Parteigranden von Union und SPD, dass er wenige Monate nach der Bundestagswahl nicht so einfach Neuwahlen ausrufen werde.
Er bat sie zum Gespräch ins Schloss Bellevue, wo er ihnen eindringlich ins Gewissen redete. Notwendig sei Gesprächsbereitschaft, um eine Regierungsbildung in absehbarer Zeit zu ermöglichen. Steinmeier, selbst ein Mann des Ausgleichs und in der Großen Koalition bis Anfang 2017 Außenminister, setzte sich durch, es kam noch einmal zu einer Regierung von Union und SPD.
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Merz sieht im Falle des Ampel-Bruchs Neuwahlen als einzige Lösung
CDU-Chef Merz scheint zu befürchten, dass Steinmeier ein ähnliches Ansinnen nun auch an ihn richten könnte, deshalb ignoriert er die übliche Diskretion: In der Sitzung des CDU-Vorstands am Montag schloss Merz mit Blick auf das bevorstehende Gespräch nach Teilnehmerangaben aus, dass CDU und CSU im Fall der Fälle in eine Regierung unter Kanzler Olaf Scholz eintreten oder eine Minderheitsregierung von Scholz unterstützen könnten. Merz schickte so vorab eine Botschaft an Steinmeier: Neuwahlen sind die einzige Lösung.
Der Bundespräsident hatte bisher eher in die andere Richtung argumentiert: Er klagt zwar seit Monaten über „das öffentliche Gezerre“ der Koalition, doch drängt der Präsident zur Regierungsdisziplin, fordert „Anpacken statt spekulieren“ und ein „Zurück an die Werkbank.“ Nach dem Ampel-Aus ist nun eigentlich der Kanzler sein erster und wichtigster Gesprächspartner. Scholz muss dem Präsidenten erklären, wie er jetzt weiterzumachen gedenkt. Dass Scholz das Gespräch mit Merz suchen will, um für eine Zusammenarbeit bis zu Neuwahlen zu werben, dürfte dem Bundespräsidenten gefallen. Gut möglich, dass Steinmeier versucht, Merz in die Pflicht zu nehmen und zur Kooperation mit dem Kanzler zu ermahnen.
Der Präsident wird aber den Weg für Neuwahlen freimachen, wenn Scholz die Vertrauensfrage verliert, daran haben auch Koalitionspolitiker keinen Zweifel. Zu eindeutig ist die Stimmung im Land. Die Union macht ohnehin Druck. Politiker wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatten den Bundespräsidenten schon zum aktiven Eingreifen gemahnt: Steinmeier solle den drei Ampelparteien „die Möglichkeiten zur Trennung aufzeigen“. Das ist nun nicht mehr nötig, aber gebraucht wird der präsidiale Segen für den Neuanfang.
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