Jerusalem. Die Hisbollah greift Israel massiv an – das seinerseits in der Hauptstadt Beirut zuschlägt. Ist ein großer Krieg noch zu verhindern?
Nach der spektakulären Pager-Attacke mit Tausenden Verletzten und 37 Toten im Libanon hat die Hisbollah Israel am Freitag massiv attackiert. 140 Raketen registrierte die israelische Armee, die aus dem Libanon auf den Norden Israels abgefeuert wurden. Berichte über Verletzte lagen zunächst nicht vor. Dass der Angriff nicht noch heftiger ausgefallen war, lag vor allem daran, dass Israels Armee bereits am Donnerstagabend durch gezielten Beschuss rund einhundert Abschussrampen der Hisbollah unschädlich machte.
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Die geladenen Rampen – sie hätten wohl mehr als tausend Raketen abschießen können – standen im Süden des Libanons zum Einsatz bereits und hätten wohl gravierende Folgen für die Israelis im Norden des Landes gehabt. Am Donnerstag waren zwei Soldaten bei Hisbollah-Angriffen auf Israels Grenzregion ums Leben gekommen. Am Freitag griff Israel ein Ziel in Libanons Hauptstadt Beirut an.
Der Angriff hat israelischen Medien zufolge einem Chef einer Elite-Einheit der pro-iranischen Miliz gegolten. Der Kommandeur der Radwan-Einheit, Ibrahim Akil, wurde dabei getötet, teilte Israels Armeesprecher Daniel Hagari mit. Vor der gezielten Tötung des Hisbollah-Militärchefs Fuad Schukr durch die israelische Armee im Juli in Beirut galt Akil demnach als „zweithöchster Kommandeur“. Am Abend hat die libanesische Hisbollah-Miliz den Tod ihres Militärkommandeurs Akil infolge eines israelischen Luftangriffs in Beirut bestätigt.
Die libanesische Hisbollah-Miliz plante nach Aussagen eines israelischen Armeesprechers einen ähnlich verheerenden Überfall auf Israel wie die Terrorattacke der islamistischen Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres. Der getötete Hisbollah-Militärkommandeur Ibrahim Akil sei Drahtzieher eines Plans gewesen, Nordisrael anzugreifen, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari.
Hisbollah greift Israel an: Nasrallah spricht von einer „Kriegserklärung“
Die Hisbollah-Miliz gibt allerdings nicht auf, im Gegenteil: Ihr Führer Hassan Nasrallah kündigte Israel am Donnerstag Vergeltung für die Pager-Attacken an. Mit Sprengsätzen bestückte Pager-Geräte und Walkie-Talkies waren zeitgleich an zahlreichen Orten im Libanon in die Luft gegangen. Es gilt als gesichert, dass Israels Auslandsgeheimdienst Mossad hinter der Aktion steckt, die viele Hisbollah-Kämpfer getroffen haben soll. Nasrallah spricht deshalb von einer „Kriegserklärung“ durch Israel, auf die man reagieren wird. Wann und wie das geschehen soll, verrät Nasrallah nicht. „Sie werden es herausfinden, wenn es passiert“, sagte er.
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Zugleich sagen gut informierte Stimmen im Libanon, dass die Hisbollah kein großes Interesse an einer weiteren Eskalation hat. Die Miliz hat während des fast zwölfmonatigen Schlagabtauschs mit Israel bereits Hunderte Kämpfer und einige Munitionsdepots verloren. Viele sind sauer auf Nasrallah: Sie werfen ihm vor, dass er mit der Entscheidung, auch einfache Mitglieder mit Pagern auszurüsten, die Attacke auf die Geräte erst möglich gemacht hat.
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Die Hisbollah ist gedemütigt – und könnte nun ein Zeichen setzen wollen
Zugleich steht die pro-iranische Miliz nach der für alle überraschenden Attacke nun geschwächt und gedemütigt da. Sie könnte sich gezwungen sehen, wieder Stärke zu zeigen und ein Zeichen zu setzen, um Israel ebenfalls zu schwächen. Nun ist die Frage: Kann es gelingen, ein solches Signal zu setzen, ohne gleich den Einmarsch der israelischen Bodentruppen zu riskieren?
Eine solche Invasion steht im Raum, seit Verteidigungsminister Joav Gallant von einer „neuen Kriegsphase“ gesprochen hat. Schon bevor die Hisbollah am Freitag angriff, hatte der israelische Zivilschutz am Donnerstag um 23 Uhr in einigen nördlichen Kommunen strenge Sicherheitsvorschriften ausgegeben: Bewohner sollten Versammlungen vermeiden, die Eingänge zu Siedlungen bewacht halten und sich stets in der Nähe der Luftschutzräume aufhalten. Am Freitagmorgen waren die Vorschriften aufgehoben worden.
Die Hisbollah ist militärisch viel besser aufgestellt als die Hamas in Gaza, sie verfügt über modernere Raketen und ein großes Arsenal an Mittelstrecken-Raketen. Trotzdem wäre ein voller Kriegsausbruch mit Israel riskant. Zwar müsste sich Israel zugleich auch gegen Angriffe aus dem Jemen, dem Irak und Syrien verteidigen, hätte dabei aber die Unterstützung der USA. Das hat das Weiße Haus am Donnerstag erneut bekräftigt.
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