Berlin. Keine Waffen für die Ukraine, keine US-Raketen: Das BSW glaubt, die Ampel über den Bundesrat in den Schwitzkasten nehmen zu können.
Die Chefin war resolut wie immer. Man werde im Osten nur dann Regierungsbündnisse mit anderen Parteien eingehen, wenn sich auch die eigenen Forderungen in Sachen Außenpolitik im Koalitionsvertrag wiederfinden. „Das ist eine wichtige Frage für uns“, sagte Sahra Wagenknecht, die Gründerin und Vorsitzende der nach ihr benannten Partei BSW.
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Das war im August, kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen, und Brandenburg. Inzwischen ist klar, dass es in allen drei Bundesländern nur mithilfe der Wagenknecht-Leute Mehrheiten gegen die rechte AfD geben kann.
Wagenknecht spricht sich immer wieder gegen Militärhilfe für die Ukraine aus
Wenn Wagenknecht und ihre Anhänger über Außenpolitik reden, dann geht es derzeit vor allem um zweierlei: keine weitere Militärhilfe für die Ukraine und keine Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen in Deutschland. Beides treibt viele Menschen in Deutschland um, im Osten allemal. Über die Beteiligung an Landesregierungen will das BSW Druck auf die Bundespolitik ausüben. Und zwar nicht nur mit Reden und Appellen. Sondern auch mit politischen Initiativen im Bundesrat.
Die Länderkammer habe schließlich auch einen außenpolitischen Ausschuss, sagte unlängst die BSW-Außenpolitikerin und Wagenknecht-Vertraute Sevim Dağdelen. „Im Kriegsfall trifft es alle, da wird nicht unterschieden zwischen Kanzleramt, Auswärtigem Amt und Zielen in Thüringen, Sachsen oder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.“
Mitregieren über den Bundesrat? „Das ist doch alles Kokolores“
Doch wie realistisch sind die Pläne? Das moskaufreundliche BSW hat ja nicht nur in Sachen Außenpolitik grundlegend andere Vorstellungen als die Ampel und die staatstragenden Oppositionsparteien CDU und CSU. Auch wenn es um Wirtschaft und Soziales geht, um Energie oder Gesellschaftspolitik, sind die Unterschiede erheblich. Könnte Wagenknecht also tatsächlich als Junior-Partnerin in zwei oder drei Landesregierungen die Bundespolitik durcheinanderwirbeln?
„Das ist doch alles Kokolores“, sagt ein erfahrener Bundesrats-Stratege aus einem großen westdeutschen Land. Gerade in der Außenpolitik gebe es keinen wirksamen Hebel, um aus der Länderkammer heraus auf die Berliner Regierung einzuwirken. Und wer im Bundesrat politische Initiativen in Form von Gesetzentwürfen oder Entschließungsanträgen starten wolle, der brauche auch dort Mehrheiten.
Wenn es um Angelegenheit der Europäischen Union geht, sind die Länder und der Bundesrat eng eingebunden. So schreibt es das Grundgesetz vor. Ganz anders sieht es in der Außen- und Sicherheitspolitik aus. „Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes“, heißt es in der Verfassung. Der Bund hat demnach auch die „ausschließliche Gesetzgebung“ in der Außen- und Verteidigungspolitik.
Länderkammer: Wer gestalten will, braucht 35 Stimmen
Der Auswärtige Ausschuss des Bundesrats, in den die Länder traditionell ihre Ministerpräsidenten entsenden, tritt nicht einmal regelmäßig zusammen, sondern nur bei besonderen Anlässen. Zwar ist neben dem Bundestag auch die Länderkammer gefragt, wenn es um die Ratifizierung von völkerrechtlichen Verträgen geht. Verändern oder stoppen kann sie die aber nicht. Der Bundesrat wird die Regierung auch nicht dazu zwingen können, keine Waffen mehr an die Ukraine zu liefern, die Finanzhilfen für Kiew einzustellen oder die Vereinbarung zur Stationierung neuer US-Raketen in Deutschland zu widerrufen.
Die Länderkammer hat 69 Stimmen, verteilt auf die 16 Bundesländer und gewichtet nach deren Einwohnerzahl. Für Beschlüsse des Bundesrats braucht es zumindest die absolute Mehrheit von 35 Stimmen. Sie müssen mobilisiert werden, wenn ein Gesetz zur Abstimmung steht oder ein eigener Gesetzentwurf oder Entschließungsantrag beschlossen werden soll. Thüringen und Sachsen, wo das BSW möglicherweise bald in den Landesregierungen sitzen wird, haben jeweils vier Stimmen.
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Das Gleiche gilt für Brandenburg. Die Länder müssen ihre Stimmen immer einheitlich einsetzen, ein Splitting ist nicht vorgesehen. Kann eine Koalitionsregierung auf Landesebene in konkreten Sachfragen keine gemeinsame Linie finden, enthält sich das Land üblicherweise bei den einschlägigen Abstimmungen im Bundesrat.
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Für das BSW bedeutet das: Will das Wagenknecht-Bündnis im Falle einer Regierungsbeteiligung in den Ländern beispielsweise eine Resolution im Bundesrat durchsetzen, welche die Bundesregierung auffordert, die Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen, dann muss es davon erst einmal die eigenen Koalitionspartner überzeugen. Das lässt sich möglicherweise noch bewerkstelligen. Danach bräuchte es aber eine absolute Mehrheit in der Länderkammer – die unter den gegenwärtigen Umständen kaum zu erreichen wäre.
Auch bei den üblichen Gesetzgebungsverfahren dürfte der BSW-Einfluss im Bundesrat überschaubar bleiben. Denn in der Länderkammer kann derzeit keine einzige Partei von sich aus gestalten, auch nicht die Union. Das hat auch damit zu tun, dass es auf Länderebene inzwischen alle möglichen Farbkombinationen gibt – Rot-Grün, Schwarz-Rot, Schwarz-Grün und Grün-Schwarz, um nur einige zu nennen. Um auf eine absolute Mehrheit der Stimmen im Bundesrat zu kommen, braucht es dort häufig so etwas wie eine ganz große Koalition. Auf zwei oder drei mittelgroße Ost-Länder kommt es dabei in der Regel nicht an.
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