Berlin. Die Union setzt die Ampel gehörig unter Druck. Ihre Methoden sind fragwürdig, der rein nationale Blick auf die Dinge ist befremdlich.
CDU-Chef Friedrich Merz hat gerade einen Lauf. Die Umfragen: verlässlich auf hohem Niveau. Sein Widersacher, der Kanzler: längst der Buhmann der Nation. Die Ampel: hat fertig. Die Wahlen in Thüringen und Sachsen: Für die Christdemokraten ganz gut gelaufen.
Auch inhaltlich sind Merz und seine Leute gerade am Drücker – zumindest, wenn es um die Asylpolitik geht. Nach dem Messer-Attentat von Solingen haben sie beherzt die Hoheit über die sicherheitspolitische Debatte an sich gerissen und die Regierung unter Zugzwang gesetzt. Deutschland solle eine „Notlage“ ausrufen und an den Grenzen systematisch Menschen ohne Aufenthaltstitel zurückweisen, fordert die Union.
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Gewaltiger Handlungsbedarf bei der ungeregelten Migration
Sie bietet der Ampel ein gemeinsames Vorgehen an und fühlte sich in den vergangenen Tagen so stark, dies gleich mit einem Ultimatum zu verbinden. Am Dienstag gab es nach einigem Gezerre ein Treffen von Vertretern von Regierung, Union und Länder. Zuvor war Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in Vorleistung gegangen: Sie kündigte eine Ausweitung der Grenzkontrollen an und stellte auch mehr Zurückweisungen in Aussicht. Nach dem Treffen hieß es am Dienstag vonseiten der Union, man sei in der Sache nicht ausreichend vorangekommen, weitere Gespräche in diesem Format werde es nicht geben. Im Bundestag könnten die Diskussionen mit der Ampel aber fortgesetzt werden.
Ja, in Sachen ungeregelter Migration besteht ein gewaltiger Handlungsbedarf. Die Zahl der neuen Asyl-Anträge ist zwar deutlich gesunken. Viele Kommunen haben aber immer noch größte Probleme, neben ukrainischen Kriegsflüchtlingen (um die es hier nicht geht) auch die Asylbewerber angemessen unterzubringen. Spätestens das Attentat von Solingen hat der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt, dass in den vergangenen zehn Jahren eben nicht nur strebsame, schutzbedürftige Menschen ins Land gekommen sind. Sondern in großer Zahl auch solche, die eine Gefahr für die Sicherheit darstellen.
Zurückweisungen: Der Europäische Gerichtshof könnte sämtliche Pläne zunichte machen
Die Flüchtlingspolitik hat viele Facetten. Sie spielt sich Bund, Ländern und Kommunen ab. Und natürlich auf der Ebene der Europäischen Union. So gesehen ist es nicht nur wünschenswert, sondern zwingend, dass die demokratischen Parteien bei diesem Thema zusammenarbeiten. Anders lassen sich Populisten von rechts und links auch kaum in Schach halten.
Die Union allerdings muss aufpassen, dass sie nicht über das Ziel hinausschießt. Ihr Verhalten war zuletzt fragwürdig: Wenn man es ernst meint in der Sache, dann stellt man keine Ultimaten. Hinzu kommt: Der Aufwand für zusätzliche Grenzkontrollen durch die Bundespolizei ist enorm. Die rechtlichen Hürden für systematische Zurückweisungen sind hoch. Ob sie vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand hätten, ist überhaupt nicht ausgemacht.
Bei der Asylpolitik braucht es eine enge Abstimmung
Vor allem aber ist erschreckend zu sehen, dass in weiten Teilen der Bundespolitik ein europapolitisch heikles Projekt diskutiert wird, ohne die EU-Partner angemessen einzubeziehen. Österreich hat bereits angekündigt, dass es keine zurückgewiesenen Flüchtlinge aus Deutschland übernehmen wird. Andere Anrainer-Staaten dürften es ähnlich halten. Mehr Grenzkontrollen behindern überdies den freien Personen- und Güterverkehr in Europa.
Mit einem nationalen Alleingang würde Deutschland sehr wahrscheinlich seine Nachbarn gegen sich aufbringen. Das wäre riskant: Schließlich ist auch die mächtige Bundesrepublik auf ihre Partner angewiesen – etwa bei der Reform des Europäischen Asylsystems oder zahlreichen anderen Fragen, die deutsche Interessen berühren.
Es bleibt dabei: Die Asylpolitik ist eine komplexe Angelegenheit. Es gibt nicht den einen Schalter, den man nur umlegen müsste, um sich rasch sämtlicher Probleme zu entledigen. Um voranzukommen, braucht es einen langen Atem und eine enge Abstimmung. Wer das Gegenteil behauptet, macht dem Publikum etwas vor. Und sich selbst gleich mit.
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