Jerusalem. Viele Israelis fragen sich, ob der Raketenabwehrschirm einen Angriff aus dem Iran, dem Jemen und dem Libanon tatsächlich abwehren kann.
Kurz vor dem erwarteten Großangriff des Iran und seiner Verbündeten herrscht in Israel angespannte Ruhe. Premier Benjamin Netanjahu versicherte in einer Fernsehansprache, die Armee sei auf alle Szenarien vorbereitet. Gleichzeitig warnte er die libanesische Hisbollah-Miliz, die Huthi-Bewegung im Jemen und dem Iran vor den Konsequenzen eines Angriffs auf Israel. „Jeder Akt der Aggression gegen uns wird einen hohen Preis haben.“
In Tel Aviv und Jerusalem verlief der Nachmittag vor dem am Freitagabend beginnenden Schabbat so geschäftig wie immer. Die Schlangen vor den Geschäften waren etwas länger als sonst, Anzeichen für Hamsterkäufe aber gibt es nicht. „Ich vertraue darauf, dass die Armee alle iranischen Raketen wie im April vom Himmel holt, sagt ein Markthändler. Der Tod von Hamas-Anführer Ismails Hanija und dem Militätchef der Hisbollah, Fuad Schukr, wird dennoch eher mit Besorgnis statt Erleichterung zur Kenntnis genommen. Viele fragen sich, ob der Raketenabwehrschirm „Iron Dome“ einen koordinierten Raketen-Angriff aus dem Iran, dem Jemen und dem Libanon tatsächlich abwehren kann.
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An der Straßenbahnhaltestelle auf der Jaffa Straße von Jerusalem starren die Wartenden auf ihr Mobiltelefon. Viele israelische Medien berichten live über die Beerdigung von Ismail Hanija am Nachmittag. Nach dem Ende der von mehreren Tausend Trauergästen besuchten Zeremonie könnte es losgehen, vermuten viele.
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Im Sacher Park von Jerusalem treffen sich wie an jedem Abend Gruppen von jungen Frauen und Männern in olivgrünen T-Shirts und Hosen und trainieren ihre Fitness. „Wir sind jederzeit bereit zu unseren Armeeeinheiten zurück zugehen, wenn die Lage eskaliert“, sagt der 19-jährige Ori. Auch auf seinem Telefon läuft ein Liveticker über die neuesten Drohungen der in Doha versammelten Hamas-Führung.
Überrascht hat die jungen Soldaten die Streichung fast aller internationaler Flüge nach Tel Aviv. Israelische Fluggesellschaften halten ihren Flugbetrieb zwar aufrecht, doch Nachrichten wie diese kratzen am Gefühl der militärischen Überlegenheit, dass die Experten in den staatlichen TV-Sendern verbreiten. Könnte doch alles schlimmer kommen als gedacht? Auf dem Gemüsemarkt nahe der Jaffa Straße sagen viele, dass sie in den nächsten Tagen zuhause bleiben wollen. Es wäre nicht das erste Mal: „Für mich ist das der ganz normale Wahnsinn“, sagt einer.
Im Norden Israels sind die Gesichter deutlich besorgter. Betonbarrieren sollen die Krankenhäuser schützen - gegen die Splitter der Hisbollah-Raketen. In den letzten Wochen wurden zudem Blutkonserven und Verbandsmaterial aufgestockt. Ein massiver Beschuss Nordisraels könnte der Zündfunke für einen regionalen Krieg sein, fürchten hier viele.
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