Berlin. Innenministerin Nancy Faeser hat das Islamische Zentrum in Hamburg verboten. Experten warnen, das könnte noch zu wenig sein.
Die Imam-Ali-Moschee in Hamburg ist schon von Weitem gut zu erkennen. Türkise Fliesen sind an der Fassade angebracht, zwei Türme ragen rechts und links an dem Gebäude in die Höhe, davor plätschert ein Springbrunnen. Und am Mittwochmorgen um 6 Uhr stehen Polizisten vor dem Gebäude an der Hamburger Außenalster, das „Blaue Moschee“ genannt wird, wie Fotos von der Razzia zeigen. Die Beamten führen eine Durchsuchung durch – denn jetzt hat das Innenministerium das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), das die Moschee betreibt, verboten. Das Zentrum wird als „gesichert extremistisch“ eingestuft.
Die Sicherheitsbehörden glauben: Hinter der schönen Fassade verbirgt sich in Wahrheit eine Außenstelle des iranischen Regimes. Das IZH unterstützt wohl auch die in Deutschland verbotene Terrororganisation Hisbollah. Deshalb hat Innenministerin Nancy Faeser nun ein Verbot des Zentrums in Kraft gesetzt. Gleichzeitig wurden 52 andere Objekte in acht Bundesländern wie Bayern, Berlin, Hessen und Niedersachsen durchsucht. Alleine 30 in Hamburg.
Das Verbot war schon lange erwartet worden. Nancy Faeser sagte dazu: „Wir haben heute das Islamische Zentrum Hamburg verboten, das eine islamistische, totalitäre Ideologie in Deutschland propagiert. Außerdem unterstützen das Islamische Zentrum Hamburg und seine Teilorganisationen die Terroristen der ‚Hizb Al- lah‘ und verbreiten einen aggressiven Antisemitismus.“
Wie stark trifft dieser Schlag die islamistische Szene in Deutschland? Und wie geht es jetzt weiter?
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Was über das IZH bekannt ist
Der Verfassungsschutz beobachtet das IZH bereits seit Jahrzehnten. Im aktuellen Bericht wird es als „bedeutendes Propagandazentrum Irans in Europa“ bezeichnet. Laut dem Hamburger Verfassungsschutz ist der IZH-Leiter Mohammad Mofatteh „ein versiert geschulter Vertreter des gegenwärtigen Regimes in Teheran“. Die „Bild“-Zeitung berichtet, dass drei Personen, die in der Moschee geschlafen hatten, nach draußen geführt wurden am Mittwochmorgen – der Zugriff der Sicherheitsbehörden erfolgte überraschend. Und er war schon länger geplant. Im Herbst 2022 reichten die Ampelparteien im Bundestag einen Antrag ein: Das Bundesinnenministerium sollte untersuchen, „ob und wie das Islamische Zentrum Hamburg als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann.“
Welche Rolle das IZH für das Regime in Teheran hat
Der Sicherheitsexperte Hans-Jakob Schindler, der zu Extremismus forscht, sagte dieser Redaktion: „Es ist seit Jahren klar, dass das nicht ein unabhängiges schiitisches Kulturzentrum ist, sondern eine Außenstelle der Islamischen Republik Iran. Der Chef der Organisation wird durch den Obersten Führer der Islamischen Republik direkt ernannt und agiert als sein Stellvertreter in Deutschland.“ Ein langer Arm des Mullah-Regimes, das könnte das IZH gewesen sein, vermutet der Experte.
Der Autor Eren Güvercin, der Mitglied der 4. Deutschen Islamkonferenz ist, sagt dieser Redaktion: „Ich frage mich ehrlich gesagt: Seit 1993 wurde das IZH vom Verfassungsschutz beobachtet — wieso mit einem Durchgreifen dagegen so lange gewartet wurde, erschließt sich mir nicht.“ Tatsächlich wurde schon länger darüber diskutiert, wann das IZH offiziell verboten wird. Eine Vermutung, die von Experten gehegt wird, geht so: Die Behörden wollten ganz sicher sein, dass das Verbot rechtskräftig ist und nicht juristisch angefochten werden kann.
Welche Reaktionen es aus der Politik dazu gibt
Viele Bundestagsabgeordnete der Ampelkoalition unterstützen die Schritte, die jetzt gegen das IZH eingeleitet wurden. Aus allen drei Parteien gibt es positive Wortmeldungen dazu. Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Grünen, sagt, der Schritt sei „folgerichtig und überfällig“. Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat sich erleichtert über das Verbot gezeigt. „Ich begrüße die Entscheidung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, das Islamische Zentrum Hamburg zu verbieten. Seit Jahren verbreitet der Verein, der maßgeblich aus dem Iran gesteuert und unterstützt wird, islamistischen Hass und aggressiven Antisemitismus“ sagte der Politiker dieser Redaktion. Klein findet, das Verbot sei „ein richtiges und wichtiges Zeichen“ für den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und für „die Sicherheit des jüdischen Lebens in Deutschland“.
Wie es jetzt weitergeht
Das IZH galt zwar als zentrale Stelle, von der aus das Regime in Teheran versuchte, Einfluss auf Islamisten in Deutschland zu nehmen. Doch mit dem Verbot ist die Arbeit des Zentrums noch nicht vollständig gebannt. Experte Eren Güvercin sagt unserer Redaktion: „Ein Verbot verbannt ja noch keine Menschen – und keine Ideologie an sich. Wie gefährlich das werden kann, haben wir an der islamistischen Hizb ut-Tahrir-Bewegung gesehen, die schon 2003 verboten wurde. Jetzt ist die Bewegung wieder da, unter neuem Namen nimmt sie unter anderem Einfluss auf die Kalifats-Demonstrationen, die wir in Essen und Hamburg gesehen haben. Der Rechtsstaat muss wachsam bleiben.“ Es ist ein verästeltes Netzwerk, das von den Islamisten in Deutschland betrieben wird.
Auch der Islamismus-Experte Ahmad Mansour warnt: „Wenn man den Islamismus weiter entschieden bekämpfen möchte, muss man auch andere Organisationen im Blick behalten. Dazu gehören Organisationen wie Generation Islam, RealitätsIslam und Interaktiv, aber auch die Strukturen der Muslimbruderschaft in Deutschland, die vor allem seit dem 7. Oktober eine negative Einflussnahme auf Muslime in Deutschland betreiben und sie von den Grundwerten dieser Gesellschaft entfernen.“