Berlin. Der im Senegal geborene SPD-Politiker ist Ziel von Hass und Hetze. Im Interview erklärt Diaby, warum er der Politik den Rücken kehrt.
Karamba Diaby hat Geschichte geschrieben: Als erster in Afrika geborener Schwarzer zog der SPD-Politiker 2013 in den Bundestag ein. Seitdem sitzt Diaby für den Wahlkreis Haale (Saale) im Parlament. Der 62-Jährige wurde in Marsassoum im Senegal geboren. Als junger Mann kam Diaby zum Studium in die damalige DDR. Er studierte Chemie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und promovierte auf dem Gebiet der Geoökologie.
In den vergangenen Jahren wurde der Sozialdemokrat immer wieder Ziel von Hass und Hetze. Kürzlich veröffentlichte Diaby auf seinem Instagram-Profil eine gegen ihn gerichtete Morddrohung. „Ich lasse mich nicht einschüchtern. Ich wehre mich“, schrieb Diaby. Nun hat er angekündigt, nicht mehr für den Bundestag zu kandieren. Im Interview mit dieser Redaktion erklärt er, warum.
Herr Diaby, warum wollen Sie nicht mehr für den Bundestag kandidieren?
Karamba Diaby: Ich habe seit einigen Monaten über diesen Schritt nachgedacht. Jetzt habe ich mit meiner Familie endgültig entschieden, dass ich bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr kandidiere. Ich bin 62 Jahre alt, es ist Zeit für eine neue Generation.
Welche Rolle haben bei der Entscheidung Drohungen und Hass gespielt, die Ihnen immer wieder entgegengeschlagen sind?
Diaby: Ich kann das alles nicht wegwischen, das sind keine Kleinigkeiten. Allerdings sind Rassismus und Hass nicht der Hauptgrund, warum ich nicht mehr für den Bundestag kandidiere. Mein Entschluss hat einerseits persönliche Gründe. Andererseits möchte ich Platz für Jüngere machen.
Hat der Rassismus, den Sie erleben, seit Ihrem Einzug in den Bundestag zugenommen?
Diaby: Ja. Der Ton ist rauer geworden. Auf der Straße und ganz besonders auch im Internet. Im Bundestag erleben wir besonders seit 2017 Redebeiträge der AfD, die voller Hass und Herabwürdigung gegenüber Migranten und andere Minderheiten sind. Das ist Nährboden für Hass auf der Straße. Diese Gesellschaft muss sich Gedanken machen, ob wir das als neue Normalität akzeptieren.
Was hat Ihnen am meisten Angst gemacht?
Diaby: Angst ist das falsche Wort. Aber ich war oft sehr erschüttert. Ich habe kürzlich Morddrohungen erhalten, im vergangenen Jahr hat es einen Brandanschlag auf mein Büro in Halle gegeben. Das Schlimmste ist aber, dass auch mein Team bedroht wird. Das ist eine rote Linie, die da überschritten wird. Wir müssen und dürfen knallhart miteinander diskutieren. Aber Gewalt darf niemals ein Mittel sein.
Würden Sie einem jungen Menschen, der wie Sie zum Beispiel Wurzeln in Afrika hat, aufgrund dieser Erfahrungen davon abraten, heute noch in Deutschland in die Politik zu gehen?
Diaby: Ich empfehle jedem, der die Möglichkeiten dazu hat, sich in dieser Gesellschaft einzubringen. Die Demokratinnen und Demokraten in diesem Land sind immer noch die Mehrheit. Die Hetzer sind laut und präsent – aber in der Minderheit. Das muss auch so bleiben.
Was kommt für Sie nach der Bundestagswahl?
Diaby: Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich habe noch ein Jahr Zeit, bis dahin konzentriere ich mich auf meine Aufgaben als Abgeordneter. Die Menschen in meinem Wahlkreis haben ein Recht darauf, dass ich meine Arbeit bis zum Ende mit voller Kraft mache. Sicher ist, dass ich ein politischer Mensch bleibe.
- Interview: Pistorius: „Putin weiß, wie er Nadelstiche bei uns setzen muss“
- Vertrauensfrage: Fünf Erkenntnisse aus einem historischen Tag
- Buchpräsentation: Diesen Putin-Satz vergisst Merkel bis heute nicht
- Podcast: Bärbel Bas über ihre Kindheit und Armut
- Infrastruktur: Gekappte Ostsee-Kabel – Die Angst um unsere Lebensadern