Berlin. AfD-Politiker wollen mit der NPD-Nachfolgepartei koalieren. Die AfD versucht, sich zu distanzieren – doch dafür könnte es zu spät sein.
Der Verfasser der Erklärung versucht gar nicht erst, den Ernst der Lage zu leugnen. „Die Vorgänge haben uns sehr erschreckt, ich bin persönlich bisher davon ausgegangen, dass so etwas in unserer Partei niemals möglich sein kann“, heißt es da. Und weiter: „Ich kann mich nur bei all unseren Wählern in Lauchhammer und dem Kreis Oberspreewald-Lausitz entschuldigen, die mit ihrer Stimme sicherlich nicht die Ex-NPD unterstützen wollten. Ich führe intensive Gespräche, um die Situation so schnell wie möglich zu heilen.“
Geschrieben hat diese Zeilen René Springer, Landeschef der AfD in Brandenburg. Und am Dienstagvormittag hat er sie eilig verschickt. Es ist der Versuch zu retten, was zu retten ist. Denn mehrere Parteikollegen von Springer planen eine besondere Zusammenarbeit: Sowohl in der brandenburgischen Stadt Lauchhammer als auch im Kreis Oberspreewald wollen AfD-Politiker im Kreistag und in der Stadtverordnetenversammlung eine Koalition mit „Die Heimat“ eingehen, der Nachfolgepartei der rechtsextremistischen NPD. So etwas hat es vorher noch nicht gegeben. Der offene Pakt mit den Rechtsextremisten ist ein Tabubruch – selbst für die AfD.
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„Die Heimat“ steht sogar auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD – einem Verzeichnis, das Mitgliedschaften in bestimmten Organisationen für AfD-Politiker verbietet. Mit dieser Liste wollte die AfD eigentlich beweisen, dass sie mit Rechtsextremen nichts zu tun hat. René Springer schreibt in seiner Erklärung, gegen die entsprechenden AfD-Politiker werde ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet. Doch der Eklat ist da.
„Ein Wendepunkt“: NPD-Nachfolger Heimat überrascht Brandenburger AfD-Führung
In der Partei ist deshalb das Chaos ausgebrochen. Handys klingeln ununterbrochen, mancher versucht, Sprachregelungen zu vereinbaren, eine einheitliche Linie festzuzurren. Denn die Koalition auf Kommunalebene, die manche AfD-Kommunalpolitiker da planen, rüttelt an einer grundsätzlichen Frage, die die Partei beschäftigt. Sie lautet: Wie nah steht die AfD den Rechtsextremisten? Der Pakt ist kein Zufall, kein unglückliches Missgeschick, wie es in der Erklärung von René Springer anklingt. Sondern in Wahrheit nur der vorläufige Höhepunkt einer langen Reise nach rechts, die innerhalb der AfD von manchen angetreten wurde.
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In Lauchhammer und im Kreis Oberspreewald zeigt sich symptomatisch, wie sich die AfD zu den Extremisten öffnen könnte. In der Mitteilung von „Die Heimat“ war das Vorhaben schon vollmundig angekündigt worden: Die Zusammenarbeit sei „ein Wendepunkt“, tönten die Rechtsextremisten. Die gemeinsame Fraktion in Lauchhammer werde damit zweitstärkste Kraft, angeführt von AfD-Mann Bernd Dietrich. Der „Heimat“-Abgeordnete Thomas Gürtler werde wiederum die Kreistagsfraktion anführen. Der wird zitiert damit, dass die Zusammenarbeit ein „Meilenstein“ sei.
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft „Die Heimat“ als rechtsextremistische Partei ein, die offen einen „fundamentalen Systemwechsel“ in Deutschland anstrebt. Die Rechtsextremisten verbreiten verschwörungstheoretische Äußerungen, wie dass Israel selbst den Überfall der Hamas initiiert habe.
Will die AfD wirklich etwas damit zu tun haben? Intern wiegelt mancher ab, das gehe nun wirklich zu weit. Doch da ist noch ein Statement von AfD-Bundeschef Tino Chrupalla, das jetzt die Runde macht. In einer Pressemitteilung erläutert „Die Heimat“ zu der geplanten Koalition: „Dieser Schritt wurde durch die deutlichen Aussagen von AfD-Chef Tino Chrupalla möglich, der kürzlich betonte, dass es auf kommunaler Ebene keine Brandmauern zu anderen Parteien geben werde.“ Seine Worte hätten „den Weg für diese Allianz“ bereitet.
AfD und die Neonazi-Szene: Persönliche Kontakte in Brandenburg sind dokumentiert
In dem Brandenburger Fall zeigt sich auch ein Mechanismus, der für die AfD zum Problem werden könnte. Der „Heimat“-Abgeordnete Thomas Gürtler und AfD-Mann Bernd Dietrich kennen sich schon lange und haben eine gemeinsame Vorgeschichte. Ähnlich läuft es in anderen Kreisverbänden: Man kennt sich, man schätzt sich – wieso soll man nicht auch gemeinsam in den kommunalen Parlamenten abstimmen? Der persönliche Kontakt könnte sich noch zu einem Problem für die AfD auswachsen. In Brandenburg scheint manchem die Berliner Politik weit entfernt zu sein – und niemand hat etwas dagegen, gemeinsam die etablierten Parteien zu überstimmen, wenn es um lokale Projekte geht.
Die Bundesspitze sucht dabei noch nach dem richtigen Kurs. Die AfD reagierte auf eine Anfrage dieser Redaktion bis Dienstagnachmittag nicht. Auch nicht auf Frage, ob eine Zusammenarbeit nun auch auf Landesebene denkbar sei.
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Doch auch unabhängig davon zeigt sich, wie die AfD sich langsam immer weiter nach rechts ausstreckt. Dass die AfD in Brandenburg Kontakte ins rechtsextreme Milieu und zu Neonazis unterhält, ist gut dokumentiert: Beispielsweise beim Spitzenpersonal wie dem ehemaligen Landesvorstand Andreas Kalbitz, der wegen Neonazi-Kontakten aus der Partei ausgeschlossen wurde, aber immer noch Teil der Landtagsfraktion ist. Auch über die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, bestehen Verbindungen. Schon im April 2024 zeigten Recherchen, dass bei mehr als 10 von 25 Mitarbeitern der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag Berührungspunkte zu verschiedenen rechtsextremen Organisationen nachgewiesen werden können.
SPD-Politikerin Katja Mast zu Brandenburg-Eklat: „Die AfD lässt ihre Maske fallen“
In der Berliner Politik sorgt die geplante Koalition derweil für Empörung. SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast sagt dazu unserer Redaktion: „Die AfD lässt ihre Maske fallen und offenbart ihre wahre Gesinnung.“ Es sei „eine Schande“ und ein „alarmierendes Zeichen für unsere Demokratie, dass eine Partei im Bundestag sich derart radikalisiert und mit der NPD-Nachfolge-Partei paktiert“. Mast setzte hinzu: „Alice Weidel und Tino Chrupalla sind bereit, Demokratie und Freiheit zu opfern.“