Berlin. Social Clubs könnten als gemeinnützig anerkannt werden. Für die Vereine wäre das ein Vorteil, doch die Lage ist unübersichtlich.
- Ab Juli können Cannabis-Anbauvereine in Deutschland ihr Geschäft aufnehmen
- Doch einige Rechtsfragen bleiben offen
- Am Ende könnte der Staat Cannabis-Konsum sogar subventionieren
Der Gesundheitsminister gab alles und warb leidenschaftlich für sein Gesetz. Auch er sei über viele Jahre hinweg ein Gegner der Cannabis-Legalisierung gewesen, sagte Karl Lauterbach (SPD) Ende Februar im Deutschen Bundestag. Aber so wie die Situation jetzt sei, könne sie einfach nicht bleiben.
Immer mehr Kinder und Jugendliche konsumierten die Droge, es gebe etliche Strafverfahren gegen junge Menschen, die deren Leben zerstörten. Auf dem Schwarzmarkt werde verstärkt verunreinigtes Cannabis angeboten – mit unmittelbaren Folgen für die Gesundheit. Deshalb werbe er für die Legalisierung des Eigenkonsums, für Alternativen zum Schwarzmarkt und für mehr Aufklärung.
„Das ist der Weg, der funktioniert. Weg von der Bestrafung, weg von der Tabuisierung. Wir müssen uns dem Problem stellen“, rief Lauterbach kurz vor der Cannabis-Abstimmung Anfang Mai ins Plenum des Bundestags. Wenig später stimmte das Parlament mit deutlicher Mehrheit für das umstrittene Gesetz.
Ob die Reform tatsächlich mehr Probleme löst, als sie schafft, wird man sehen müssen. Allerdings stellen sich schon jetzt Fragen, die die Berliner Ampelkoalition im Gesetzgebungsverfahren offenbar nicht so richtig auf dem Schirm hatte. Sie betreffen einen Bereich, der kaum etwas mit Gesundheitspolitik zu tun hat: das Steuer- und Vereinsrecht.
Kiffen: Die „Cannabis Social Clubs“ sollen eine Alternative zum Schwarzmarkt sein
Laut Gesetz ist es ab diesem Juli möglich, in sogenannten Anbauvereinigungen Cannabis-Pflanzen für den Eigenbedarf zu züchten und die Droge in begrenzten Mengen an volljährige Mitglieder weiterzugeben. Die Vereinigungen werden auch „Cannabis Social Clubs“ genannt. Sie dürfen maximal 500 Mitglieder haben und nicht für ihre Aktivitäten werben. Die Vereine sind verpflichtet, den Stoff nur in kontrollierter Qualität und in Reinform weiterzugeben. All das darf nicht kommerziell sein, es ist eben als Alternative zum Schwarzmarkt gedacht.
In der Kifferszene, aber auch unter Steuer- und Rechtsexperten, wird jetzt sehr ernsthaft die Frage diskutiert, ob die Clubs womöglich vom Finanzamt als gemeinnützige Vereine anerkannt werden können oder sogar müssen. Denn in der Abgabenordnung, dem grundlegenden Gesetz des deutschen Steuerrechts, gibt es einen Passus, der diesen Gedanken nahelegt.
In Paragraf 52 der Abgabenordnung werden die gemeinnützigen Zwecke von Körperschaften aufgezählt. Die Förderung des Sports gehört beispielsweise dazu, die von Wissenschaft und Forschung oder von Kunst und Kultur. Aber eben auch die Förderung der Pflanzenzucht. Gedacht war das ursprünglich einmal für Vereine, die sich mit Gartenbau und Landwirtschaft befassen. Nun könnten sich auch Kifferclubs angesprochen fühlen.
Gemeinnützigkeit von Cannabis-Clubs: Bundesregierung verweist auf Länderbehörden
Eine Anerkennung als gemeinnützig hätte für die Anbauvereine erhebliche Vorteile: Sie könnten Spendenbescheinigungen ausstellen, die die Spender dann ihrerseits von der Steuer absetzen dürfen. Das wäre für Privatleute und Firmen ein immenser Anreiz, die Vereine finanziell zu unterstützen. Außerdem sind gemeinnützige Vereine selbst von der Steuer befreit, für sie gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz von sieben Prozent. Sie genießen auch einen vereinfachten Zugang zu staatlichen Fördermitteln. Kurzum: Es stellt sich die Frage, ob der Fiskus Kifferclubs in Zukunft genauso behandelt wie Fußballvereine, die Landfrauen oder Greenpeace.
Das Bundesfinanzministerium von Ressortchef Christian Lindner (FDP) räumt auf Anfrage unserer Redaktion ein, dass es bisher keine eindeutige Festlegung dahingehend gibt, ob Anbauvereine als gemeinnützig anerkannt werden können oder nicht. „Der Steuervollzug und die Bewertung im Einzelfall obliegt den zuständigen Länderfinanzbehörden“, teilt ein Sprecher mit.
Das legt den Schluss nahe, dass sich früher oder später die Gerichte mit dem Thema befassen müssen. Das Finanzministerium selbst vertritt die Auffassung, dass die Anbauvereinigungen „regelmäßig nicht den gemeinnützigen Zweck der Pflanzenzucht erfüllen dürften“. Begründung: Pflanzenzucht sei „die bewusste Auswahl und Kreuzung von Pflanzen, um Nachkommen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen“. Bei den Cannabis-Clubs hingegen stehe der bloße Anbau von Pflanzen sowie die Weitergabe von pflanzlichem Material an die Mitglieder im Vordergrund.
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Cannabis: Steuer-Gewerkschaft fordert eine Klarstellung vom Bund
Rechtlich bindend ist diese Einschätzung bisher freilich nicht. Bei Finanzbeamten, die sich mit der Gemeinnützigkeit von Vereinen befassen, sei die Verunsicherung entsprechend groß, berichtet der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Florian Köbler. Er sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Wir brauchen Klarheit beim Thema Gemeinnützigkeit – es kann doch nicht sein, dass der Staat jetzt Kiffen noch subventioniert.“
Köbler ergänzt: „Wenn man das schon legalisiert, dann muss man sich auch um die steuerlichen Folgen kümmern.“ Die Bundesregierung müsse jetzt eine einheitliche Vorgehensweise vorgeben – entweder in Form einer Verwaltungsanweisung an die Finanzämter oder durch eine Klarstellung im Gesetz.
Und noch ein anderes Thema treibt den Gewerkschafter in diesem Zusammenhang um: Er fragt sich, warum der Konsum von Cannabis eigentlich steuerfrei sein soll – während der Staat bei jedem Glas Bier und jedem Glas Wein, das die Menschen trinken, kräftig mitverdient. Auch Tabakprodukte werden hoch besteuert. Köbler sagt: „Wir müssen darüber nachdenken, ob es in Zukunft eine Cannabis-Steuer braucht.“