Hamburg. Vereinigung Cockpit nennt zentrale Schwächen im Flugbetrieb. Fluglärminitiative erhebt schwere Vorwürfe gegen Hamburger Senat.
Die Vereinigung Cockpit (VC) hat sich kritisch zur Organisation des Luftverkehrs in Deutschland geäußert und hält manche der Probleme offenbar für hausgemacht.
Es fehle seit Corona oft Personal an den deutschen Flughäfen, und durch teilweise sehr kleinteilige Ausgliederung wichtiger Aufgaben an externe Dienstleister seien die Verantwortlichkeiten bisweilen nicht eindeutig, sagte VC-Vorstand Lars Frontini dem Abendblatt. Zuletzt hatte es auch in Hamburg massive Kritik an der Organisation des Flughafens gegeben.
Auslagerung von Dienstleistungen als Kernproblem?
„Seit vielen Jahren werden die einzelnen Abfertigungsschritte, die notwendig sind, um einen Flug darstellen zu können, an einzelne Dienstleister ausgelagert. Diese stehen teilweise auch in einem künstlichen Wettbewerb untereinander, was den Preis senken soll, aber auch die Reserven aus dem System entfernt hat“, sagte Frontini.
„Diese Dienstleister sind dann in einem gewissen Zeitfenster für einen speziellen Flug verpflichtet, die vereinbarte Dienstleistung zu erbringen. Um dies zum vereinbarten Preis leisten zu können, wird meist mit wenig Puffer geplant. Verspätet sich ein Abflug oder eine Ankunft eines Fluges aufgrund von Wetter, einer Luftraumbeschränkung oder anderen Unwägbarkeiten, fehlt das benötigte Personal schnell bei einem anderen Flugzeug.“
Pilotenvereinigung sieht Systemprobleme in ganz Deutschland
Hinzu komme, dass die Dienstleistungen „immer kleingliedriger aufgeteilt“ würden, „sodass beispielsweise eine Treppe, aber kein Bus vorhanden sein kann“, so der Vorstand der Pilotenvereinigung. „Auch sind die Verantwortlichkeiten dadurch immer diffuser, was dazu führt, dass selbst der Pilot oder die Airline keinen Verantwortlichen und erst recht keinen, der Abhilfe schaffen könnte, ans Telefon bekommt. Es ist schlicht oft kein Personal vorhanden.“
Diese Situation habe sich durch den Personalabbau während der Corona-Zeit verschärft, „da längst nicht überall wieder die gleiche Personalmenge und erst recht nicht die gleiche Erfahrung vorhanden ist“, so der VC-Vorstand. „Ein Nadelöhr scheint auch immer wieder die Sicherheitskontrolle zu sein. Diese ließe sich beispielsweise durch moderne Scanner, die das Aus- und Einpacken von Flüssigkeiten und elektronischen Geräten überflüssig machen, beschleunigen. Leider sind diese noch immer nicht an allen Airports und auch nicht an allen Schleusen installiert. Das liegt sicher zum Teil am Preis aber auch am Zuständigkeitsgerangel der einzelnen Verantwortlichen.“
Vereinigung Cockpit warnt vor Fatigue der Besatzung
Oft verstärkten sich die Verspätungen, „da überall mit weniger Puffer geplant wird“, was zuletzt auch die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) bemängelt habe, so Frontini.
„In diesem Zusammenhang möchte ich ebenso darauf hinweisen, dass es aufgrund der im Laufe des Tages immer größer werdenden Verspätung durchaus passieren kann, dass entweder die Besatzung aufgrund der Flugdienstzeitbeschränkungen oder gar Fatigue den Dienst beenden muss oder ein Flug aufgrund der Nachtflugbeschränkungen an einem Ausweichflughafen landet. Beides kann selbstverständlich zu größeren Auswirkungen wie Verspätungen am Folgetag oder Flugstreichungen führen.“
Fluglärm-Initiative: Senat nimmt Verstöße gegen Nachtflugverbot zu oft hin
Kritik kam in diesem Zusammenhang auch von der Bürgerinitiative für die Reduzierung der Belastungen des Luftverkehrs in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW). Organisationsmängel dürften nicht zu Verstößen gegen das Nachtflugverbot führen, so deren Forderung.
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„Acht von zehn nächtlich verspätete Landungen und Starts am Hamburg Airport sind regelwidrig“, sagte BAW-Sprecher René Schwartz dem Abendblatt. Die aktuelle Diskussion zeige erneut, „dass die Airlines die allzu laxe Auslegung der planfestgestellten Nachtflugbeschränkung am Hamburg Airport billigend in Kauf nehmen“, so Schwartz.
Flughafen Hamburg: „Betriebszeit klammheimlich auf 24 Uhr verlängert“
Vom Senat werde prinzipiell erst einmal „eine angebliche Unvermeidbarkeit der nächtlichen Verspätung angenommen“, sagte der BAW-Sprecher. „Ob diese jedoch tatsächlich unvermeidbar ist oder ob es sich um eine bloße Schutzbehauptung der Airlines handelt, bleibt unklar. Schuld an diesem Debakel ist der Hamburger Senat, der sich seit Jahren ziert, den unbestimmten Rechtsbegriff ,unvermeidbar’ erschöpfend definieren zu lassen und in der Flughafenordnung rechtsverbindlich zu verankern.“
Der gesunde Menschenverstand sage einem, „dass Umlaufverspätungen vermeidbar sind, da die Airlines nach einem verspäteten Start frühmorgens noch genügend Zeit haben, im Laufe des Tages bis zur Nachtruhe am Hamburg Airport gegenzusteuern“, so Schwartz. „Da nach Lesart der Umwelt- und Wirtschaftsbehörde allerdings 99 Prozent der nächtlichen Verspätungen ,unvermeidbar’ sind, führt dies dazu, dass die Betriebszeit am Hamburg Airport klammheimlich um eine Zuschlagsstunde von 23 Uhr bis 24 Uhr erweitert wird.“
Besonders „dreist“ würden die laxen Hamburger Regelungen zuletzt vom „Billigflieger Marabu“ ausgenutzt, so Schwartz. Bei Marabu vergehe „kaum ein Betriebstag, an dem kein Flieger Verspätungen von mehr als einer Stunde aufweist“.