Hamburg. Reisende warten länger auf Gepäck. CDU warnt vor Chaos zu Ferienbeginn. Pilot sagt, wie es bei Sicherheit schneller gehen könnte.
Das ist kein schönes Zeugnis: Der Flugkapitän einer großen Fluglinie hat sich im Gespräch mit dem Abendblatt massiv über die Zustände am Hamburger Flughafen beschwert. Zwar gebe es seit Corona überall in Deutschland Probleme, aber nirgends sei es im Durchschnitt so schlimm wie in Hamburg, sagte der Pilot. „Vor allem am Wochenende ist der Hamburg Airport eine Katastrophe“, so der Mann, der anonym bleiben möchte.
Die größten Probleme gebe es in Hamburg bei „Beladung, Handling, Bundespolizei und Sicherheit“, so der Flugkapitän. Immer wieder komme es aufgrund von Personalmangel oder nicht optimierten Prozessen zu Verzögerungen. Gerade bei Mittelstreckenfliegern, die bis zu vier Flüge am Tag von und nach Hamburg zurück unternehmen, summiere sich die Verspätung dann.
Flughafen Hamburg: „Besonders schlimm ist die Situation am Wochenende“
Dadurch könne es passieren, dass ein am Ende des Tages deutlich verspäteter Rückflug wegen des Nachtflugverbots nicht mehr in Hamburg landen könne – und nach Hannover ausweichen müsse. Solche Verspätungen sorgten dann nicht nur für Unmut bei den Passagieren, sondern führten auch dazu, dass bisweilen deutlich mehr Sprit verbrannt werden müsse.
Besonders schlimm sei die Situation in Hamburg immer an den Wochenenden, sagte der Pilot. Oft seien die Fluggäste deutlich zu spät an Bord, weil die Sicherheitskontrollen so lange dauerten. Auch laufe die Beladung am Wochenende besonders schleppend.
Flugkapitän fordert Optimierung der Sicherheitskontrollen und mehr Personal
Vor allem zwei Dinge müssten sich ändern, so der Flugkapitän: Erstens brauche Hamburg „mehr Personal in den Standardprozessen“, dabei müsse man eventuell auch bessere Löhne zahlen, um Personal zu finden. Zweitens müsse der Flughafen die „Infrastruktur optimieren und die Geschwindigkeit bei den Sicherheitskontrollen erhöhen“.
Die modernen Sicherheitskontrollen, bei denen mit Klebebändern auf Sprengstoff untersucht werden könne, seien deutlich schneller als die noch immer auch in Hamburg genutzte Kontrolle des Handgepäcks und per Scanner.
Dass die Lage am Hamburger Flughafen bei Weitem nicht optimal ist, zeigen auch neue Daten zur Gepäckauslieferung, zu Beschwerden und zum Personal, die der Senat jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU vorgelegt hat. Danach erreicht der Flughafen zuletzt seltener seine eigenen Zielmarken bei der Auslieferung des Gepäcks an die Fluggäste.
Flughafen Hamburg: Zahl der Beschwerden binnen eines Jahres fast verdreifacht
Ziel des Airports ist es, dass das erste Gepäckstück („first bag“) 15 Minuten nach der Landung auf dem Gepäckband liegt und das letzte („last bag“) 45 Minuten nach der Landung. Hier haben sich die Werte im Vergleich zwischen den Wintermonaten 2019/20 (also vor Corona) und den Wintermonaten 2022/23 deutlich verschlechtert. Und die Entwicklung im Frühjahr war nicht besser: Im Mai wurde das 15-Minuten-Ziel für das erste Gepäckstück nur in 56 Prozent der Fälle erreicht.
Angestiegen ist zuletzt auch die Zahl der Beschwerden wegen langer Wartezeiten bei der Gepäckausgabe: von 195 im Jahr 2021 auf 571 im Jahr 2022. Allerdings hatte sich aufgrund des Auslaufens der Pandemie auch die Zahl der Flüge 2022 deutlich erhöht. 2019 hatte die Zahl der Beschwerden sogar bei 1539 gelegen.
Sommerferien: „Die Fluggäste müssen enorme Wartezeiten in Kauf nehmen“
Auch beim Personal ist der Flughafen noch nicht wieder auf dem Stand von vor der Pandemie. Waren Ende 2019 noch rund 900 Stellen für die Gepäck-Be- und -Entladung besetzt, so sind laut Senatsantwort derzeit nur 750 Stellen vorgesehen – wovon 30 zuletzt noch unbesetzt waren, aber in den Ferien besetzt sein sollen.
„Am Hamburger Flughafen herrscht seit dem Ende der Pandemie regelmäßiges Chaos“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering dem Abendblatt. „Bereits jetzt steht fest, dass die Fluggäste in den Hamburger Sommerferien enorme Wartezeiten an den Check-in-Schaltern und vor allem an den Sicherheitskontrollen in Kauf nehmen müssen. So fängt der Urlaub in Hamburg äußerst schlecht an.“
CDU-Fraktionschef Thering: „Bürgermeister Tschentscher trägt die Verantwortung“
Wer in Hamburg lande, müsse „in der Spitze sogar über eine Stunde auf sein Gepäck warten“, so Thering mit Blick auf die neuen Senatszahlen. „Das ist ein selbst verschuldetes Kofferchaos, denn vor der Pandemie waren noch rund 900 Stellen für die Gepäckabfertigung vorgesehen, aktuell sind es nur noch 750, von denen 30 Stellen nicht besetzt sind.“
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Es räche sich, dass SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher den von der CDU vorgeschlagenen „Krisengipfel rechtzeitig vor den Sommerferien“ nicht aufgegriffen habe, so Thering. „Hamburg ist Hauptgesellschafter des Flughafens und deshalb steht Bürgermeister Tschentscher für die unhaltbare Situation auch persönlich in der Pflicht.“
Flughafen Hamburg weist Kritik zurück – und gibt Tipps zum Ferienbeginn
Der Flughafen selbst weist die Kritik zurück, es gebe zu wenig Personal. „Derzeit fehlen uns noch circa 20 Prozent unserer Passagiere im Vergleich zu 2019, und 2022 waren es sogar 30 Prozent“, sagte Sprecherin Katja Bromm dem Abendblatt. „Dementsprechend weniger Koffer gilt und galt es zu transportieren.“ Trotz der nach Corona überall schwierigen Lage „lag und liegt die Mehrheit der Gepäckauslieferung innerhalb der Zielwerte“. Was die Sicherheitskontrollen angehe, so sei dafür nicht der Flughafen zuständig, sondern die Bundespolizei.
Zum Ferienbeginn hat der Flughafen drei Empfehlungen für alle Reisenden. Erstens: „Seien Sie rechtzeitig am Flughafen! Mindestens zwei Stunden vor dem Abflug, das empfehlen wir in Spitzenzeiten wie den Sommerferien.“
Zweitens: „Nutzen Sie den Vorabend-Check-in und alle technischen Services, die Sie zügig ins Flugzeug bringen! Dazu gehören der Online-Check-in, die Reservierung von einem Zeitfenster an der Sicherheitskontrolle, Slot & Fly genannt, und unsere Gepäckautomaten.“
Und drittens: „Reisen Sie mit nur einem Handgepäckstück, dann geht es für alle an der Sicherheitskontrolle schneller!“