Hamburg. Sieben Jahre Planungssicherheit für Hochschulen in Hamburg. “Die Kostenschere besteht weiterhin”, sagt HAW-Präsident Teuscher.
Am Ende taten die Wissenschaftsbehörde und die Präsidenten der sechs staatlichen Hamburger Hochschulen zunächst fast so, als habe es keinen Konflikt über viele Verhandlungsmonate gegeben. Im Oktober noch hatte die Landeshochschulkonferenz (LHK) „große Sorge“ um den Wissenschaftsstandort geäußert.
Zwei Brandbriefe landeten im Januar beim rot-grünen Senat, erst von Studierenden der Technischen Universität in Harburg, die ein „erschreckendes Ausmaß der finanziellen Schieflage“ an ihrer Hochschule beklagten, dann von 20 Professoren der Universität Hamburg, die „weder für die grundständige Forschung noch für Reformen in der Lehre hinreichenden Spielraum“ sehen.
Fegebank: Gemeinsam geschafft, Hochschulen neue Möglichkeiten zu bieten
Von einem „Meilenstein für die Wissenschaft in der Stadt“ sprach dagegen Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) bei der Präsentation der sogenannten Zukunftsverträge mit den Hochschulen am Donnerstag. „Gemeinsam haben wir es geschafft, Hamburgs Hochschulen ganz neue Möglichkeiten zu bieten“, erklärte sie.
Die Verträge seien „durch die enge und gute Zusammenarbeit aller Beteiligten in vertrauensvollen und konstruktiven Verhandlungen mit der Behördenleitung“ erreicht worden”, erklärte Prof. Micha Teuscher, Präsident der HAW Hamburg und Vorsitzender der LHK, in der sich die Hochschulpräsidenten zusammengeschlossen haben. Teuscher hatte noch im Oktober für die LHK erklärt, das Angebot der Behörde zur künftigen Grundfinanzierung der Hochschulen reiche „bei weitem nicht aus“.
"Entwicklungsmittel für individuelle Profilstärkung“ der Hochschulen
Nun zeigt sich: Bei diesem Angebot ist es geblieben. Bis 2020 waren die Haushalte von Uni Hamburg & Co. lediglich um 0,88 Prozent pro Jahr gewachsen – nicht ausreichend, um insbesondere Lohnsteigerung zu kompensieren, hatten die Hochschulen oft erklärt. Künftig soll dieses Problem entfallen: Von 2021 bis 2027 sollen Tarif- und Inflationssteigerungen „bis zu einer Höhe von zwei Prozent“ übernommen werden.
Vorgesehen sind außerdem „Entwicklungsmittel für die individuelle Profilstärkung“ der Hochschulen von „durchschnittlich 0,5 Prozent“ – wenn dadurch die Übernahme von maximal zwei Prozent für Tarif- und Inflationssteigerungen nicht überschritten wird. Aus der Behörde hieß es, man gehe davon aus, dass Tarif- und Inflationssteigerungen nicht über 1,5 Prozent liegen werden, deshalb sei es „realistisch“, dass die „Entwicklungsmittel“ ausgezahlt werden.
750 Millionen Euro für sechs Hochschulen, UKE und Unibibliothek
Zusätzliche Mittel für Sanierungen und die Digitalisierung zählt die Behörde ebenfalls zur Grundfinanzierung, wodurch nach ihrer Lesart eine Steigerung „von insgesamt deutlich über drei Prozent sichergestellt“ werden soll. Kumuliert ergebe dies 750 Millionen Euro über sieben Jahre zusätzlich zur bisherigen Finanzierung für die sechs staatlichen Hamburger Hochschulen sowie für das Universitätsklinikum Eppendorf und die Staats- und Universitätsbibliothek.
„Auch in einer besonders angespannten wirtschaftlichen und finanziellen Situation, in der wir uns gegenwärtig befinden, setzt Hamburg ein starkes Signal für die Entwicklung des Hochschulbereichs“, erklärte Fegebank. Die LHK ließ am Donnerstag zunächst nur noch anklingen, dass sie zentrale Forderungen nicht durchsetzen konnte.
Auch wegen der Pandemie konnten nicht alle Wünsche berücksichtigt werden
Insbesondere die Corona-Pandemie fordere „auch von den Hochschulen einen Tribut, denn die finanziellen Belastungen bedeuten gerade für staatliche Institutionen auch, wenn möglich, einen Beitrag zu leisten“, erklärte Micha Teuscher. „Somit konnten nicht alle Wünsche und Hoffnungen berücksichtigt werden.“
Es sei „daher auch klar, dass pandemiebedingt nicht immer alle ambitionierten Ziele derzeit so angegangen werden können, wie man es sich vielleicht wünschen würde und sich dadurch auch Verschiebungen ergeben können“.
Universität Hamburg sprach zuvor von einer "Finanzierungslücke"
Zuvor hatten die Präsidenten der drei größten Hamburger Hochschulen erklärt, die Wissenschaftsbehörde berücksichtige nicht die Altlasten der Hochschulen. Beispiel Uni Hamburg: Weil die Hochschule steigende Personalkosten von mehr als zwei Prozent pro Jahr habe schultern müssen, ihr Grundhaushalt aber nur um 0,88 Prozent pro Jahr stieg, sei eine „Finanzierungslücke“ entstanden, hatte Uni-Kanzler Martin Hecht auf Nachfrage mitgeteilt. Zusätzliche Kosten in Höhe von 22 Millionen Euro pro Jahr seien nicht mehr vom Grundhaushalt abgedeckt.
So war die LHK zu ihrer Aussage gekommen, ein künftiger Ausgleich von Tarif- und Inflationssteigerungen bis zu zwei Prozent reiche „bei weitem nicht aus“ – der Zuwachs bei der Grundfinanzierung bis 2027 müsse üppiger ausfallen.
HAW-Präsident: Wir haben strukturelle Probleme in allen Hochschulen
Noch am Mittwoch rangen Wissenschaftsbehörde und LHK dem Vernehmen nach um eine öffentlich möglichst übereinstimmende Darstellung der Lage. Erst am Nachmittag wurde die Einladung zu einer Pressekonferenz am Donnerstagmorgen verschickt. Als es dann soweit war, verzichteten fünf Hochschulpräsidenten auf Eingangsstatements.
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Erst auf Nachfrage wurden die Präsidenten am Donnerstag deutlicher. “Wir haben strukturelle Probleme in allen Hochschulen, mehr oder weniger. Wir waren vor der Corona-Zeit optimistisch, diese Themen angehen zu können”, sagte HAW-Präsident Teuscher. Immerhin sei es geschafft, dass sich das Strukturdefizit nicht verschlechtere.
Uni-Präsident Lenzen: Der Standort ist nicht im Abbau begriffen
“Allen Beteiligten ist klar, dass wir nach der Krise diese Themen angehen müssen. Die Kostenschere besteht weiterhin. Sie stellt die Hochschulen weiterhin vor große Herausforderungen für die nächsten Jahre. Aber der Pakt bietet eine Perspektive in einer extrem schwierigen Zeit”, sagte der HAW-Chef.
“Wir haben gesagt, wir blicken jetzt nach vorn. Zunächst war es wichtig, den Status quo abzusichern. Das ist der Fall. Der Standort ist nicht im Abbau begriffen. Das ist mitnichten der Fall”, sagte Uni-Präsident Lenzen. Der Wissenschaftsstandort werde weiterentwickelt. “Wir hoffen, dass sich die Unvorhersehbarkeiten in einem vernünftigen Rahmen halten werden”, sagte Lenzen. “Es gibt für die Zukunft gute Aussichten, auch wenn wir aus der Vergangenheit große Probleme haben, die wir gemeinsam abarbeiten müssen”, ergänzte TU-Präsident Andreas Timm-Giel.
Brandbrief von Hamburger Uni-Professoren – Fegebang irritiert
Und Fegebank machte den Präsidenten Hoffnung. “Wir sind uns gemeinsam darüber im Klaren, dass es aus der Vergangenheit ein paar Problemstellungen gibt, die wir auf der Strecke werden lösen müssen. So wie wir bisher zusammengearbeitet haben, bin ich optimistisch, dass uns das gelingen wird”, sagte Fegebank. Die Zukunftsverträge seien zudem nur ein Baustein der Hochschulfinanzierung.
Und zum Brandbrief des Akademischen Senats sagte Fegebank: “Ich war einigermaßen erstaunt über die Einlassung der Professoren und Professorinnen. Man muss immer auch überlegen, in welche Zeit solche Kritik fällt. Man muss sich überlegen, in welcher Verantwortung man in dieser krisenhaften Situation steht, die wir als Gesellschaft erleben. Manche haben jetzt keine Perspektive für ihr Tun und vielleicht auch für ihre Existenz.”
Die CDU-Wissenschaftspolitikerin Anke Frieling sprach dagegen davon, dass “eine groß Chance vertan" sei. Die aus der Vergangenheit mitgeschleppten strukturellen Defizite würden nicht angegangen. “Die Senatorin weist auf weitere Gespräche über die nächsten Jahre hin. Mit anderen Worten: Die Sparkurse der Hochschulen müssen weitergefahren werden”, sagte Frieling.
AStA der Uni Hamburg kritisiert Finanzierungspläne
Auch vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Universität Hamburg gab es zu den Plänen Kritik: "Durch die Corona-Pandemie und die hierdurch reduzierten Steuereinnahmen begründet, sollen in den nächsten Jahren massive Kürzungen vorgenommen werden, die die langfristige Zukunftsplanung der Hochschulen untergraben und sie unmittelbar zum Struktur- und Personalabbau zwingen werden", hieß es in einer Stellungnahme am Donnerstag.
Das Sparen an der Wissenschaft sei in Hamburg "inzwischen Tradition geworden" und könne daher nicht allein mit der Corona-Krise begründet werden. Durch einen jährlich niedriger als die Inflationsrate angepassten Etat habe die Universität in den vergangenen Jahren Rücklagen aufbrauchen müssen und sei künftig "nicht mehr in der Lage, die kommenden Defizite abzufangen", so der AStA.
Trotzdem sollen die Hochschulen etwa eintausend zusätzliche Studienanfängerplätze schaffen – ohne das entsprechende Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden, heißt es in der Stellungnahme weiter. "Logische Konsequenz ist ein geringerer Betreuungsschlüssel und damit eine weitere Qualitätsminderung in der Lehre." Auch dem Universitätspersonal drohe durch das fehlende Geld "der Verlust ihrer Existenzgrundlage", so der ASta der Uni Hamburg.