Hamburg. Studierendenschaft der TUHH hat sich an den Senat gewandt, um auf die kritische Finanzsituation hinzuweisen. Das sagt die Behörde.

Schon mehrfach berichtete das Abendblatt über das Ringen der Hochschulpräsidenten mit der Wisssenschaftsbehörde über die Grundfinanzierung der Hochschulen von 2021 bis 2027. Dabei äußerte sich auch TUHH-Chef Andreas Timm-Giel über die finanzielle Lage an seiner Hochschule: Die TUHH habe sich in Forschung und Lehre sehr gut entwickelt in den vergangenen Jahren, sagte er im November. „Aber wir machen uns große Sorgen, ob wir das so weiterführen können“. Nun legen Studierendenvertreter der TUHH mit einem offenen Brief an den Senat und die Bürgerschaftsabgeordneten nach.

In einem Brandbrief, der dem Abendblatt vorliegt, sprechen die Verfasser von einem "erschreckenden Ausmaß der finanziellen Schieflage". Damit verbunden sei eine Gefährdung ihres Studiums. Sie fordern nun den Hamburger Senat zum Handeln auf.

Behörde zu Brandbrief: Rufschädigende Darstellung

"Das jährlich wachsende, durch den Senat wissentlich verursachte Defizit der Hamburger Hochschulen gefährdet die Grundsubstanz unserer Universität", heißt es in dem offenen Brief. "Durch die letzte Hochschulvereinbarung wurden Kosten- und Tarifsteigerungen der letzten sieben Jahre nicht ausreichend gedeckt."

Die Wissenschaftsbehörde zeigte sich am Freitag äußerst verwundert über den offenen Brief. "Die TUHH befindet sich in einer herausfordernden Situation, über die wir mit ihr im Gespräch sind", teilte die Behörde auf Anfrage mit. Das Schreiben erwecke aber den Eindruck, als stehe die Hochschule vor dem Zusammenbruch. "Bei allem Verständnis für zugespitzte Formulierungen – das ist eine sehr überzeichnete Darstellung, die dem guten Ruf der TUHH schadet."

TUHH-Studierende klagen über Millionen-Defizit

Auch TUHH-Chef Timm-Giel hatte seine Sorge im November damit begründet, dass die Haushaltssteigerung von 0,88 Prozent pro Jahr deutlich unter der Lohnsteigerung von jährlich bis zu drei Prozent für das Personal der Hochschule gelegen habe. Bei dem gewünschten Erhalt ihrer Leistungsfähigkeit habe die TUHH die Differenz bis jetzt nur ausgleichen können, indem sie ihre finanziellen Reserven aufgebraucht habe, so Timm-Giel.

Professor Andreas Timm-Giel ist  Präsident der TU Hamburg.
Professor Andreas Timm-Giel ist Präsident der TU Hamburg. © Eva Haeberle

Die Studierendenvertreter erklären, die Lage sei dramatisch: "Reserven und HSP-Mittel, welche zum Ausgleich dieser immer größer werdenden Kluft eingesetzt wurden, sind an der TUHH längst vollständig aufgebraucht. Diese Verluste führen inzwischen zu einem Defizit von über zehn Millionen Euro pro Jahr."

Studierendenvertreter: "Forderung der Behörde halten wir für unhaltbar"

Der TUHH sei über Jahre hinweg immer wieder von der Politik zugesichert worden, dass zukünftige Gelder dieses Defizit kompensieren würden. "Die bisherigen Gespräche zeigen jedoch keine entsprechenden Ergebnisse", so die Studierendenvertreter. Wegen der Pandemie sei es der zuständigen Wissenschaftsbehörde nun nicht möglich, den nötigen Ausgleich zu schaffen. Stattdessen sei die TUHH aufgefordert worden, ohne zusätzliche Mittel einen ausgeglichenen Haushalt für die kommenden Jahre vorzulegen und damit das Defizit in bestehenden Strukturen einzusparen. "Diese Forderung der Behörde halten wir für unhaltbar und sie bringt im Kontext der vergangenen Zusicherungen einen fundamentalen Vertrauensverlust mit sich."

Diese Einsparungen würden nach Ansicht der Studierendenvertreter massive Folgen haben. Auch der Ruf der TUHH würde demnach darunter leiden. Grundlagenvorlesungen wie Tragwerke oder Thermodynamik könnten in Gefahr geraten, wodurch Studierende der Studiengänge Allgemeine Ingenieurwissenschaften, Bauingenieurwesen, Bioverfahrenstechnik, Engineering Science, Maschinenbau und Verfahrenstechnik ihr Bachelor-Studium nicht mehr, verspätet oder mit schlechter Qualität abschließen könnten", heißt es weiter. "Allein das Verhandeln um die eventuelle Aussetzung von Professuren in Grundlagenfächern ist absolut erschütternd."

TUHH-Chef: Zusätzliche Mittel keine Hilfe bei Finanzierung des Grundbetriebs

Zwar bekommt die Hochschule seit 2018 bereits zusätzliche Mittel von 3,8 Millionen Euro pro Jahr bis 2022. Doch dieses Geld sei zweckgebunden für zusätzliche Projekte, Personal und Professuren im Rahmen des Wachstumsprogramms, sagte Timm-Giel Ende vergangenen Jahres. "Wir können uns damit in Zukunftsfeldern weiter profilieren – es hilft aber nicht, unseren Grundbetrieb in Forschung und Lehre zu finanzieren.“

Die Studierendenvertreter halten die Forderungen der Behörde für "besonders zynisch", da sich die TUHH bereits seit Jahren auf einem Sparkurs befinde. Seit 1999 habe sich die Zahl der Studierenden mehr als verdoppelt, während die Anzahl der grundfinanzierten Professoren von 101 auf 89 gefallen sei und die Anzahl der grundfinanzierten wissenschaftlichen Mitarbeiter (von 170 auf 253) und Oberingenieure (von 55 auf 60,5) nicht ausreichend gestiegen sei. Ihr Fazit: "Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie die Einsparungen sowie der erforderliche, aber nicht mögliche, personelle Ausbau die Bedingungen für qualitativ hochwertige Lehre an der TUHH beeinträchtigen."

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Ihre Forderung lautet nun: "Angesichts der akuten Gefahr für unsere Universität fordern wir den Senat und die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg auf, die Grundfinanzierung der TUHH sicherzustellen und Tarifsteigerungen in Zukunft vollständig auszugleichen." Ohne eine Anpassung der Grundfinanzierung sei die Struktur der TUHH grundlegend gefährdet.

Wissenschaftsbehörde und TUHH sind im engen Austausch

Die Wissenschaftsbehörde weist darauf hin, dass das Präsidium der TUHH die zuständige Behörde im Juli 2020 über eine Defizitentwicklung informiert hat. Seitdem befinden sich beide in einem engen Austausch über die Finanzsituation der TUHH, so der Sprecher der Wissenschaftsbehörde. "Wir gehen davon aus, dass für 2020 ein ausgeglichenes Ergebnis erreicht werden kann."

Für die zukünftige Entwicklung habe das Präsidium im November 2020 mögliche Szenarien vorgelegt. "Diese werden in weiteren Gesprächen zwischen Hochschule und Behörde ausgewertet", so der Sprecher. Für Behörde und TUHH stehe im Vordergrund, die Ziele des Wachstumsprozesses auch unter "herausfordernden finanziellen Rahmenbedingungen" zu erreichen. "Denn ungeachtet der aktuellen Probleme: Eine leistungsfähige TUHH als Innovationsmotor für die Region wird dringend gebraucht."

Kritik der Studierendenvertreter – Behörde wiederspricht

Laut Wissenschaftsbehörde seien zudem mehrere Aspekte in dem offenen Brief der Studierendenvertreter nicht richtig. So sei die TUHH Mitte der 2000er-Jahre unterausgelastet gewesen und habe dementsprechend wenige Studienanfänger und Studierende gehabt. "Das relativiert doch sehr den im Brief erweckten Anschein, die TUHH laufe über", sagte der Behördensprecher.

Zudem seien die Professuren mit Gründung der HCU 2006 – damals war der Fachbereich Stadtplanung der TUHH an die HCU übertragen worden – naturgemäß geringer geworden. Laut Statistik liegt die TUHH seitdem rund um 90 Professuren. "Die Studierenden sagen selbst, dass die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter von 170 auf 253 gestiegen sei", heißt es vonseiten der Behörde. "Jede einzelne Professur ist somit statistisch gesehen seitdem wesentlich besser ausgestattet worden." Nach den bundesstatistischen Daten liege die TUHH im gehobenen Mittelfeld bei den Mitteln pro Professur. "Daraus lässt sich kaum ableiten, dass die Wissenschaftsbehörde die TUHH nicht ausreichend finanziert."