Hamburg. Online-Umfragen an der Universität Hamburg zeigen: Jeder Zweite kommt gut mit den Corona-Bedingungen zurecht.

Es war absolutes Neuland, das die Universität Hamburg – wie andere Hochschulen – im Frühjahr betreten hat, als sie ihre Lehre von jetzt auf gleich auf digitale Formate umstellen mussten. Keine Vorlesungen und Seminare, kaum Anschauung in den Laboren, kein Kaffee zwischendurch mit den Kommilitonen, kein Campusleben.

Uni Hamburg startete wegen Corona ins Digitalsemester

Stattdessen verfolgten die Studierenden zumeist Online-Vorlesungen am Bildschirm zu Hause. Das erste Digitalsemester in der 101-jährigen Geschichte der Universität hat relativ gut geklappt, wie zwei Erhebungen der Uni jetzt zeigen – aber es gibt auch Kritik.

Das Fazit: Jeder zweite Studierende kam mit den ungewohnten Bedingungen gut oder eher gut zurecht (50,1 Prozent). 36,1 Prozent der Befragten erklärten, sie hätten schlecht oder eher schlecht damit umgehen können. 13,8 Prozent äußerten sich unentschieden oder neutral.

Corona-Krise: Studierende machen Vorschläge

Immerhin 43,1 Prozent bewerteten die Krisenbewältigung der Uni positiv; 26.9 Prozent stellten ihr hingegen ein eher negatives Zeugnis aus. Mit dem Informationsangebot der Hochschule war die Mehrheit der Studenten zufrieden (61,2 Prozent), nur jeder Zehnte äußerte sich sehr unzufrieden.

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Die Studenten machten insgesamt eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen, die nun ausgewertet und gegebenenfalls im nächsten Semester berücksichtigt werden soll.

Große Herausforderungen durch digitales Semester

Universitätspräsident Prof. Dieter Lenzen spricht von den großen Herausforderungen, vor die das erste digitale Semester Lehrende und Studierende gleichermaßen gestellt habe.

„Neue Technik musste eingesetzt, bestehende Lehrformate umgearbeitet oder völlig neu konzipiert werden. Arbeitsorganisation und Kommunikation wurden dabei auf eine große Probe gestellt. Und das alles unter dem bedrückenden Szenario einer Pandemie, wie wir sie bisher noch nicht erlebt hatten“, sagt Lenzen. Die Evaluation der Situation zeige nun, „dass die Lehre unter den Maßnahmen nicht gelitten hat“.

Großteil der Studierenden mit Videoaufzeichnungen zufrieden

Die häufigsten Angebote waren wie auch in früheren Semestern Vorlesungen, Seminare und Übungen beziehungsweise Tutorien. Die Zufriedenheit der Studierenden mit diesen Angebotsformen war recht ausgeprägt: 76,5 Prozent fanden die Videoaufzeichnungen von Vorlesungen gut, 72,5 Prozent kamen mit den Präsentationsfolien mit Audiospur gut zurecht.

Einige Aspekte der neuen Arbeitssituation an der Universität wurden von vielen Studierenden durchaus positiv bewertet – vor allem die Möglichkeit, Lernzeiten selbst zu organisieren, da feste Termine wegfielen.

Lehrende passten Leistungserbringung an Situation an

Mehr als jeder zweite (56,8 Prozent) der befragten Studierenden gab an, dass sie in diesem Sommersemester umfangreichere oder aufwendigere Aufgaben gestellt bekamen als in früheren Semestern. Allerdings hatten 63,1 Prozent ebenfalls den Eindruck, dass die Lehrenden die Formen der Leistungserbringung an die besonderen Bedingungen angepasst hätten.

Problematischer wurde es, wenn es um die Kommunikation ging: So fehlt den Studierenden der engere Austausch mit Dozenten und Kommilitonen – und das schlägt sich aus ihrer Sicht auch auf ihren Studienerfolg nieder.

So gaben 76,6 Prozent der Befragten an, dass sich das Fehlen von Kontakten zu anderen Studierenden deutlich negativ auf ihre Arbeits- und Leistungsfähigkeit im Sommersemester 2020 ausgewirkt hat.

Umfrage: Weniger Freizeitmöglichkeiten Einfluss auf Leistung

Der Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen ist seit 2010 Präsident der Universität Hamburg.
Der Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen ist seit 2010 Präsident der Universität Hamburg. © Michael Rauhe | Unbekannt

Auch der Fortfall der Möglichkeit, den Campus als Arbeits- und Lernort zu nutzen, machte sich laut 62,1 Prozent der Studierenden negativ bei den Studienaktivitäten bemerkbar.

Da spielte auch das Leben außerhalb der Uni eine Rolle: Die eingeschränkten Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten, wirkten sich für 37,9 Prozent der befragten Studenten nach ihrer Einschätzung negativ auf ihre Arbeits- und Leistungsfähigkeit aus.

6085 Studierende wurden zu Digitalsemester befragt

Die beiden Erhebungen wurden von der Servicestelle Evaluation unter Leitung von Prof. Eva Arnold und vom Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) unter Leitung von Prof. Gabi Reinmann durchgeführt. Insgesamt wurden Anfang Juni 471 Lehrende sowie vom 29. Juni bis 21. Juli insgesamt 6085 Studierende online befragt.

Auch für die Lehrenden ergab sich im Sommersemester eine völlig neue Situation. Sie mussten Seminare, Vorlesungen und andere Lehrformate plötzlich umplanen und ins Digitale verlegen. Mit reiner Online-Lehre hatten zuvor nur knapp sechs Prozent der Dozenten Erfahrung gemacht, und lediglich jeder Fünfte hatte vor der Pandemie in seinen Veranstaltungen bereits Präsenz- und Digitalelemente kombiniert.

Uni Hamburg: Lehrende mit Digitalangebot zufrieden

Die Mehrheit der Lehrenden sah ihr Digitalangebot im Sommersemester 2020 als erfolgreich an, wobei ihre wichtigsten Ziele technische Stabilität (83 Prozent der Befragten), kontinuierlicher Besuch der Studierenden (81 Prozent), Zufriedenheit der Studierenden (79 Prozent), Lernerfolge (77 Prozent) sowie ein Erreichen der Ziele wie in der Präsenzlehre vor der Krise (70 Prozent) waren.

Mehr als die Hälfte der Befragten glauben, auch nach Corona aus der digitalen Lehre für die Präsenzlehre etwas gelernt zu haben.

Präsidium wies Forderung zu Präsenzveranstaltungen zurück

Erst kürzlich hatten sich mehr als 30 Dozenten verschiedener Fakultäten gegen ein coronabedingt fast ausschließlich digitales Wintersemester ausgesprochen. In einem offenen Brief forderten sie das Präsidium der Uni auf, „die geplanten Präsenzveranstaltungen in vollem Umfang zu ermöglichen“.

Das Präsidium wies die Forderungen zurück. Die Corona-Eindämmungsverordnung lasse der Uni-Leitung keinen Ermessensspielraum.

Uni Hamburg richtete digitale Immatrikulationsfeier aus

Erste Konsequenzen werden aus den Ergebnissen bereits gezogen. „Auf bestehende, digitale Kommunikationstools soll in diesem Wintersemester verstärkt hingewiesen werden, um den Studierenden die Kontaktbeschränkungen zu erleichtern“, sagt Uni-Präsident Lenzen.

„Zudem arbeitet die Universität intensiv an alternativen Formaten – wie es sie zum Beispiel in der vergangenen Woche mit einer digitalen Immatrikulationsfeier gab oder Ende November mit einem Online-Event für Schülerinnen und Schüler mit Astronaut Dr. Alexander Gerst geben wird“, so Lenzen.