Jerusalem. Es gibt Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas. Doch was darüber nach außen dringt, ist beunruhigend.

Wie viele der israelischen Geiseln in Gaza sind noch am Leben? Die Nachrichten, die aus den Verhandlungen über einen neuen Waffenstillstandsdeal nach außen dringen, sind beunruhigend: Laut den Terrorgruppen kann die israelische Forderung, in einem ersten Schritt 40 Geiseln zu übergeben, nicht erfüllt werden – weil es so viele lebende Geiseln, die infrage kommen, angeblich gar nicht mehr gibt.

Lesen Sie auch: Israel und die Palästinenser – Keine Seite wird verschwinden

Die israelische Armee geht davon aus, dass die Hamas noch 133 Geiseln hat, von denen einige bereits tot sein sollen. Laut Schätzungen sind noch 90 dieser Geiseln am Leben.

Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl

In den Verhandlungen über einen neuen Geiseldeal verlangt Israel, dass in einem ersten Schritt 40 gekidnappte Israelis übergeben werden, die zur Kategorie „humanitäre Fälle“ zählen. Das sind Minderjährige, Frauen, weibliche Soldaten und Männer über 50 Jahre, aber auch Personen mit schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigung. Laut den Angaben der Hamas gibt es weniger als vierzig Personen, die in eine dieser Kategorien fallen und noch am Leben sind.

Israel: Der Zorn der Angehörigen der Geiseln wächst

Das lässt zwei verschiedene Schlüsse zu: Entweder die Hamas lügt und nennt falsche Zahlen über die Geiseln, die noch am Leben sind – oder sie erklärt kranke Geiseln für gesund, sodass sie nicht in die Kategorie der „humanitären Fälle“ passen. Denn dass die überwiegende Anzahl der Geiseln keine dringende medizinische Versorgung braucht, ist nach einem halben Jahr Krieg und Folter kaum denkbar. Die andere Möglichkeit ist, dass die Zahlen der Hamas korrekt sind – und dass tatsächlich bereits mehr Geiseln tot sind, als angenommen wurde.

Israel: Erneut Großdemos gegen Regierungschef Netanjahu
Israel: Erneut Großdemos gegen Regierungschef Netanjahu

weitere Videos

    Genau das befürchten die Angehörigen der Geiseln. Sie fordern seit Monaten einen Deal mit der Hamas, und ihr Zorn wird immer größer. In den Samstagsprotesten in Tel Aviv und Jerusalem greifen sie zu immer drastischeren Maßnahmen, blockieren Autobahnen und errichten Straßenfeuer. Bis jetzt ohne Erfolg.

    40 Geiseln gegen 900 palästinensische Häftlinge?

    Die Regierung unter Benjamin Netanjahu ist selbst gespalten, was Zugeständnisse an die Hamas betrifft. Rechte Hardliner wie Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir und Finanzminister Bezalel Smotritsch lehnen jeden Deal ab. Aber auch in Netanjahus Partei lehnen sich die Minister auf: Ihnen reicht es nicht, dass die Hamas in einem ersten Schritt 40 Geiseln freigibt – sie verlangen, dass alle Geiseln auf einmal übergeben werden. Laut den Verhandlern in Kairo ist das aber völlig unrealistisch: In diesem Fall würde die Hamas darauf bestehen, dass der Krieg sofort zu Ende ist. Und daran ist in Netanjahus Regierung niemand interessiert.

    In dieser Pattsituation lassen die rechten Regierungsmitglieder ihren Zorn an der Armee ab. In einer Sitzung, an der auch die Armeeführung teilnahm, attackierten sie Generalstabschef Herzi Halevi: Was soll der Truppenabzug aus dem Süden? Warum das lange Warten auf die Invasion in Rafah, wenn das doch den finalen Schlag gegen die Hamas bedeuten würde?

    Der Oberkommandant der Armee weigerte sich die Kritik zu akzeptieren – und gab den Ball zurück an die Regierung. „Lasst mich eines ganz klar sagen: Alle unsere Schritte wurden mit dem Kabinett abgestimmt“, so zitiert der Nachrichtensender 12 Halevi in Berufung auf Quellen aus dem Kabinett. Indes wartet alles auf eine Antwort der Hamas, ob sie dem aktuellen Entwurf für einen Geisel-Deal zustimmen oder nicht. Gerüchteweise will die Terrorgruppe nachschärfen. Derzeit sieht der Entwurf vor, dass es eine sechswöchige Feuerpause gibt, in der 40 Geiseln übergeben und im Gegenzug 900 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.